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Präzisionsonkologie

Stand Juli 2024
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1Zusammenfassung

Der Begriff der Präzisionsonkologie wird uneinheitlich verwendet und umfasst dabei unter anderem den Einsatz zielgerichteter Therapeutika, neuer Sequenzierungsmethoden und histologieübergreifender Therapiestrategien auf der Basis molekularer Veränderungen. In dieser Leitlinie meint „Präzisionsonkologie“ den Einsatz einer breiten molekularen Tumorcharakterisierung mit dem Ziel einer personalisierten Therapiesteuerung.

Molekulare Testung und molekular stratifizierte Therapien sind für zahlreiche Tumorentitäten (z.B. nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, kolorektales Karzinom, hämatologische Neoplasien u.v.a.) bereits Standard. Hierbei wird auf die jeweiligen entitätsspezifischen Leitlinien verwiesen.

Neben der leitliniengerechten personalisierten Onkologie können jedoch auch bei Patientinnen und Patienten (Pat.) mit weiteren Tumorentitäten effektive Therapieoptionen durch eine molekulare Tumoranalyse identifiziert werden. Dies wird durch die zunehmende Anzahl prädiktiver Biomarker mit entitätsübergreifender Relevanz verdeutlicht. Hierbei können prädiktive Biomarker durch Veränderungen in wenigen definierten Molekülen charakterisiert werden (BRAF-Mutationen, NTRK-Fusionen) oder als komplexe Biomarker auf der Identifikation von zahlreichen Alterationen beruhen (Mikrosatelliteninstabilität (MSI), Tumormutationslast (TMB), oder Defizienz der homologen DNA-Rekombination (HRD)). Hinzu kommt, dass der Nachweis der Biomarker in verschiedenen Analyten (DNA, RNA, Protein) und durch eine zunehmende Zahl an (Hochdurchsatz)Methoden erfolgen kann. Aus diesem Grund werden oftmals breite molekulare Analysen durchgeführt, die zahlreiche mögliche Biomarker erfassen. Zudem können auch im Rahmen einer leitliniengerechten molekularen Diagnostik Veränderungen gefunden werden, die potenziell therapeutisch relevant sind, aber nicht durch aktuelle Leitlinien abgedeckt sind.

Die adäquate Indikationsstellung, Testauswahl und klinische Interpretation molekularer Alterationen mit dem Ziel einer evidenzbasierten personalisierten Therapiesteuerung trotz oftmals nur limitierter klinischer Daten ist eine Herausforderung und erfordert eine multidisziplinäre Expertise im Rahmen spezialisierter molekularer Tumorboards.

2Grundlagen

Die Durchführung und Interpretation einer breiten molekularen Testung erfordern eine multidisziplinäre Expertise. Sie beinhalten die korrekte Indikationsstellung, die molekulare Analyse selbst, ihre informatorische Auswertung, die Interpretation der Ergebnisse und ihre Einordnung in den klinischen Kontext mit dem Ziel einer Therapieempfehlung [15]. Ein schematischer Ablauf von Arbeitsschritten in der Präzisionsonkologie ist in Abbildung 1 dargestellt.

Bei klarer, d.h. Leitlinien-basierter Indikationsstellung und entsprechender Zulassung, genügt die Vorstellung der Pat. in einem Organtumorboard (z.B. typische EGFR-Mutation beim NSCLC, BRAF p.V600E Mutation beim Melanom, RET-Mutationen beim medullären Schilddrüsenkarzinom). Bei komplexen, nicht durch Leitlinien abgedeckten Befunden, zumeist im Rahmen von Rebiopsien in der Rezidivsituation, sollte die Vorstellung in einem molekularen Tumorboard (MTB) erfolgen.

Abbildung 1: Schematische Übersicht über Arbeitsschritte in der Präzisionsonkologie 
Schematische Übersicht über Arbeitsschritte in der Präzisionsonkologie

3Auswahl der Pat.

Der Indikationsstellung zur molekularen Diagnostik sollte, außerhalb von klinischen Studien, stets eine mögliche klinische Relevanz des Ergebnisses zugrunde liegen. Berücksichtigt werden hierbei die Therapiefähigkeit der Pat., die aktuellen Leitlinien, der Zulassungsstatus der möglicherweise aus der Diagnostik resultierenden Therapie bzw. neueste klinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse sowie ggf. der Beschluss eines (molekularen) Tumorboards.

Zunehmend wird molekulare Diagnostik in die Leitlinien-basierte Standardtherapie in der Erstlinienbehandlung oder im Rezidiv aufgenommen und gehört zur Standarddiagnostik für die betreffende Tumorentität. Beispiele sind viele Treiberalterationen beim NSCLC, BRAF-Mutationen beim Melanom und beim Kolonkarzinom, HER2-Amplifikationen beim Mammakarzinom, RET-Mutationen beim medullären Schilddrüsenkarzinom und viele mehr. Bei diesen Pat. ist nach erfolgter molekularer Diagnostik für die Therapieentscheidung in aller Regel die Vorstellung in einem Organtumorboard ausreichend.

Weitere Indikationen für molekulare Diagnostik beinhalten die Erfüllung der Einschlusskriterien für molekular-stratifizierte klinische Studien. Auch hier rückt die molekulare Diagnostik immer mehr in frühe Linien der Behandlung. Beispielsweise integrieren die Zentren des nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) studienrelevante molekulare Marker zusätzlich zu den zugelassenen molekularen Therapieoptionen in ihre NGS-basierte Primärdiagnostik.

Bei Pat. nach Versagen der Standardtherapien inkl. der zugelassenen molekular-gesteuerten Therapien, kann die Indikationsstellung für eine (ggf. erweiterte) molekulare Diagnostik in einem Organtumorboard gestellt werden. Die resultierenden Befunde sollten dann in einem molekularen Tumorboard erörtert werden. Solche molekularen Tumorboards sind bei den meisten onkologischen Spitzenzentren (CCCs) und zunehmend auch an weiteren Zentren etabliert.

Entsprechend der Empfehlungen des Deutschen Netzwerk für Personalisierte Medizin (DNPM), welche auch in den Zertifizierungskriterien von OnkoZert für Zentren für Personalisierte Medizin enthalten sind, sind folgende Einschlusskriterien für den Zugang zu molekularen Tumorboards (mit entsprechender breiter molekularer Charakterisierung) benannt (Tabelle 1)

Tabelle 1: Zugangskriterien zu molekularen Tumorboards im Rahmen des deutschen Netzwerks für personalisierte Medizin (DNPM) [9]. 

Fortgeschrittene oder seltene Krebserkrankung

Leitliniengerechte Therapie absehbar durchlaufen

Nach Einschätzung der klinischen Parameter in der Lage eine molekular-basierte Therapie zu erhalten

Stimmen prinzipiell einer möglichen Therapie auf Basis der molekularen Befunde zu

Die Entscheidung zu einer erweiterten molekularen Diagnostik nach Ausschöpfen der Standardtherapien erfordert zumeist eine individuelle Entscheidungsfindung in einer interdisziplinären Tumorkonferenz. Insbesondere bei Pat. mit rasch progredienten Tumorerkrankungen sollte die Wahl der geeigneten Methode, die erwartbare Dauer der Diagnostik und der nachfolgenden klinischen Umsetzung beachtet und entsprechende Analysen daher frühzeitig eingeleitet werden.

Zunehmend wird die molekulare Charakterisierung von Tumoren im Rahmen der Routinediagnostik und basierend auf Leitlinien auch schon früh im Behandlungsverlauf, beispielsweise vor der Erstlinientherapieentscheidung, eingesetzt. In der Mehrzahl der Fälle ist hier kein molekulares Tumorboard notwendig. Mit Zunahme des Einsatzes von Methoden der parallelen DNA- und RNA-Sequenzierung zahlreicher Genbereiche finden sich jedoch auch genetische Aberrationen, deren biologische und klinische Relevanz nicht gesichert sind (Beispiel: atypische EGFR-Mutationen) oder vielschichtige molekulare Veränderungen wie das gleichzeitige Vorliegen mehrerer potenziell prädiktiver Biomarker. Die klinische Einordnung solcher Befunde, sowie von Varianten unklarer Signifikanz (VUS) kann die zusätzliche Einschaltung eines Molekularen Tumorboards erforderlich machen.

Abbildung 2 stellt ein mögliches Schema zur Integration einer breiten molekularen Diagnostik bzw. spezialisierten Diskussion von Befunden in den klinischen Behandlungs-/Entscheidungs-Algorithmus dar.

Abbildung 2: Algorithmus zur Integration erweiterter molekularer Diagnostik in den klinischen Behandlungs-/Entscheidungs-Ablauf.  

1 Biomarker für eine leitliniengerechte Therapieoption;
2 Potenzielle Biomarker ohne leitliniengerechte und/oder ohne zugelassene Therapieoption und/oder Alterationen mit unklarer klinischer Konsequenz nach Ansicht des/der Behandelnden;
Typischerweise erfolgt eine erweiterte molekulare Diagnostik mit nachfolgender Diskussion der Befunde in einer molekularen Tumorkonferenz dabei nach Ausschöpfen leitliniengerechter Therapieoptionen in späteren Therapielinien. Zunehmend werden größere NGS-Panel in der Routinediagnostik jedoch auch frühzeitig eingesetzt, wobei immer wieder atypische Befunde wie seltene Varianten oder vielschichtige molekulare Befunde identifiziert werden. Dies kann auch das frühzeitigere Einbeziehen einer molekularen Tumorkonferenz erforderlich machen.

Neben der Pat.-Auswahl (siehe Tabelle 1), spielt auch die Auswahl des zu untersuchenden (Tumor-) Materials eine Rolle. Hierbei ist sowohl die Repräsentativität des vorliegenden Materials, als auch die Fixierungstechnik zu beachten. Tabelle 2 listet Kriterien auf, die bei der Entscheidung zu einer erneuten Probenentnahme herangezogen werden können.

Tabelle 2: Mögliche Kriterien für eine Entscheidung für oder gegen eine erneute Probenentnahme. Es ist zu beachten, dass diese Kriterien im Einzelfall gut abgewogen und diskutiert werden müssen. 

Analyse aus vorliegendem Gewebe

Erneute Probenentnahme

Tumorgewebe aus der aktuellen Erkrankungssituation vorhanden

Tumorgewebe aus anderer Krankheitssituation (z.B. Primarius vor definitiver Therapie)

Primäre Resistenz auf letzte Therapielinie ohne erwartbare molekulare Veränderung

Sekundäre Resistenz auf letzte Therapielinie mit erwartbarer molekularer Veränderung (z.B. zielgerichtete Substanzen)

Geplante molekulare Analyse aus vorliegendem Material möglich

Geplante molekulare Analyse aus vorliegendem Material nicht möglich

Erneute Probenentnahme nicht möglich oder risikoreich

Erneute Probenentnahme einfach und risikoarm durchführbar

Neben einer erneuten Probenentnahme können für manche Fragestellungen auch Liquid Biopsy-Techniken eingesetzt werden. Zu berücksichtigen ist, dass diese bei vielen Markern, v.a. Fusionsgenen und Amplifikationen, zwar eine hohe Spezifität, jedoch (noch) eine geringere Sensitivität im Vergleich zu Gewebebiopsien haben. Insbesondere in der Primärdiagnostik bleibt daher die Gewebediagnostik aktuell der Standard, während die Liquid Biopsy zunehmend in der Rezidivsituation bei schwieriger Biopsieentnahme und zunehmend im Rahmen klinischer Studien auch zum Therapiemonitoring eingesetzt wird.

4Molekulare Analyse

Therapeutisch relevante molekulare Veränderungen können auf zahlreichen Ebenen der zellulären Regulation identifiziert werden. Tabelle 3 fasst mögliche Ebenen zellulärer Dysregulation zusammen.

Tabelle 3: Zusammenfassung möglicher Ebenen genetischer Dysregulation. 

Ebene der molekularen Veränderung

Beschreibung

Nachweis

Genvarianten

Veränderungen auf Genebene, die über Veränderungen der Nukleinbasen zu Funktionsänderung oder -verlust des Genprodukts führen

Nachweis von Veränderungen der Nukleinbasensequenz, z.B. mittels Sanger- oder Next-Generation-Sequenzierung (NGS)

Strukturelle Veränderung

Veränderungen auf (sub-) chromosomaler Ebene, die über Fusionsgene und Kopienzahlveränderungen wie Amplifikationen oder Deletionen zu einer Funktionsänderung, -verlust oder Dysregulation des Genprodukts führen

Nachweis struktureller chromosomaler Veränderungen z.B. mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisation (FISH) oder zumeist RNA-basierter Next-Generation-Sequenzierung

 

Epigenetische Veränderung

Veränderungen regulatorischer Elemente wie DNA- oder Histonmodifikationen, die zu einer Dysregulation des Genprodukts führen

Nachweis z.B. mittels Bisulfit-Sequenzierung und/oder Methylierungsarray

 

Quantitative Genproduktveränderung

Veränderungen in der Menge relevanter Genprodukte, wie z.B. eine Proteinüberexpression

Nachweis der verstärkten oder verminderten Expression von Genprodukten z.B. mittels Immunhistochemie, Proteomics, Phosphoproteomics, Multiplex Technologien, RNA-Sequenzierung,

Quantitativer PCR, NanoString

Komplexe Biomarker

Anzahl und Art der Summe molekularer Veränderungen können als komplexe Biomarker quantifiziert werden und z.B. als Tumormutationslast oder Homologe-Rekombinations-Defizienz- (HRD-) Scores als eigener Biomarker gewertet werden

Nachweis über spezifische Berechnungsverfahren basierend auf DNA-Analysen

 

Neue Technologien erlauben eine schnelle und gleichzeitige Analyse zahlreicher möglicher Biomarker mit Hochdurchsatzverfahren. Im Bereich der Präzisionsonkologie spielt – neben der Immunhistochemie – dabei die DNA- und RNA-Sequenzierung aktuell die wichtigste Rolle. Mögliche diagnostische Verfahren sind in Tabelle 4 zusammengefasst [18].

Tabelle 4: Beschreibung möglicher Sequenzierungsverfahren. 

Verfahren

Beschreibung

Einzelgensequenzierung

Analyse der Basenfolge eines einzelnen Genbereichs, in der Regel mittels Sanger-Sequenzierung zur Identifikation von Genmutationen. Diese Analyse wird in der Regel ohne parallele Keimbahnanalyse als Kontrolle durchgeführt.

Genpanel-Sequenzierung

Parallele Analyse der Basenfolgen zahlreicher Genbereiche mittels Next-Generation Sequencing (NGS). Je nach Art und Größe des Genpanels können gleichzeitig bis zu mehrere hundert Genmutationen und zum Teil auch strukturelle Veränderungen wie Amplifikationen detektiert werden. RNA-basierte Genpanel erlauben ebenfalls die Identifikation von Fusionsgenen. Große Genpanel erlauben zudem eine Abschätzung komplexer Biomarker wie die Tumormutationslast. Diese Analyse kann ohne parallele Keimbahnanalyse als Kontrolle durchgeführt werden.

Exomsequenzierung

Parallele Analyse der Basenfolgen der proteinkodierenden Regionen (Exom) des Genoms mittels NGS. Hierüber werden Genmutationen, Kopienzahlveränderungen und komplexe Biomarker erfasst. Diese Analyse wird mit paralleler Keimbahnanalyse als Kontrolle durchgeführt.

Genomsequenzierung

Parallele Analyse der Basenfolgen des gesamten Genoms mittels NGS. Hierüber werden Genmutationen, strukturelle Veränderungen und komplexe Biomarker erfasst. Diese Analyse wird mit paralleler Keimbahnanalyse als Kontrolle durchgeführt

Die Auswahl einer geeigneten molekularen Diagnostik sollte zudem zuvor erfolgte Analysen, sowie die Vortestwahrscheinlichkeit relevanter Biomarker berücksichtigen (Tabelle 8 und 9).

5Befunderstellung

Die Durchführung der molekularen Testung und Identifikation molekularer Veränderungen ist ein weitgehend standardisierter Prozess und Domäne u.a. der Humangenetik, (Molekular-)Pathologie und Bioinformatik und sollte in einer qualitätsgesicherten Umgebung erfolgen, nach Möglichkeit in einem für die molekulare Diagnostik akkreditieren Institut/Labor. Idealerweise sollte die molekulare Diagnostik in ein klinisches Umfeld eingebettet sein, welches die notwendige Interdisziplinarität in Bezug auf die Interpretation und klinische Annotation der Ergebnisse sicherstellt.

Der Befund sollte Informationen zu genutztem (Tumor-)Material, Materialqualität, Tumorzellgehalt, Art der durchgeführten Analyse, Auflistung identifizierter Alterationen in standardisierter Codierung, Variantenallelfrequenz, sowie eine funktionelle Bewertung der Varianten umfassen. Für die Bewertung potentieller Keimbahnvarianten ist die Humangenetik einzubeziehen.

Die funktionelle Bewertung molekularer Veränderungen sollte dabei auf der Basis vorhandener Leitlinien und SOPs erfolgen (z.B. [6]).

6Klinische Annotation

Spezifische molekulare Veränderungen können relevante Informationen für das klinische Management von Tumorerkrankungen enthalten. Die Identifikation dieser Biomarker ist daher das Ziel einer molekularen Testung. Die klinische Annotation einer Variante dient ihrer Bewertung als Biomarker. Dabei sind folgende mögliche Biomarker zu unterscheiden (Tabelle 5) [16].

Tabelle 5: Übersicht über verschiedene Biomarkerarten 

Biomarker

Beschreibung

Diagnostisch

Information über die Art der Erkrankung

Prognostisch

Information über den Krankheitsverlauf

Prädiktiv

Information über die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine bestimmte Therapie

Pharmakogenomisch

Information über Pharmakokinetik und Arzneimittelinteraktionen

Prädisponierend

Information über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer bestimmten Erkrankung

Eine Annotation als prädiktiver Biomarker erfordert häufig eine umfassende Literaturrecherche. Zahlreiche Datenbanken erlauben eine vereinfachte Suche von Informationen, wobei der Inhalt der Datenbanken häufig nicht überlappend (z.B. civicdb.org, oncokb.org, https://ckb.jax.org/) und die Analyse der Primärliteratur zur Einordnung der Befunde unerlässlich ist [14].

Zur Bewertung des entsprechenden Biomarkers vor dem Hintergrund der jeweiligen Tumorentität wurden Evidenzlevel definiert, welche zur Beurteilung herangezogen werden sollten [71013]. Im deutschsprachigen Raum sind die NCT/ZPM-Evidenzlevel am weitesten verbreitet. Neben diesen existieren weitere Evidenzlevel wie z.B. AMP/ASCO/ACP [11] oder ESMO-ESCAT [12].

Neben der Interpretation potenzieller prädiktiver Biomarker sollten jedoch auch weitere relevante Biomarker beurteilt werden (z.B. DPYD-Diagnostik, falls miterfasst). Im Falle einer durchgeführten Keimbahndiagnostik erfordert dies die Expertise und Mitbeurteilung durch die Humangenetik. Aufgrund des hohen Zeitaufwands und der nötigen Recherchearbeit findet die klinische Einordnung und Interpretation der Befunde oft vor der abschließenden Entscheidung über eine klinische Anwendung statt.

Tabelle 6: Evidenzlevel nach NCT/ZPM [10] 

Datenquelle

Evidenzlevel

Beschreibung

Gleiche Tumorentität 

m1A 

In der gleichen Tumorentität wurde der prädiktive Wert des Biomarkers oder die klinische Wirksamkeit in einer Biomarker-stratifizierten Kohorte einer adäquat gepowerten prospektiven Studie oder Metaanalyse gezeigt. 

m1B 

In der gleichen Tumorentität wurde der prädiktive Wert des Biomarkers oder die klinische Wirksamkeit in einer retrospektiven Kohorte oder Fall-Kontroll-Studie gezeigt. 

m1C 

Ein oder mehrere Fallberichte in der gleichen Tumorentität

Andere Tumorentität 

m2A 

In einer anderen Tumorentität wurde der prädiktive Wert des Biomarkers oder die klinische Wirksamkeit in einer Biomarker-stratifizierten Kohorte einer adäquat gepowerten prospektiven Studie oder Metaanalyse gezeigt. 

m2B 

In einer anderen Tumorentität wurde der prädiktive Wert des Biomarkers oder die Klinische Wirksamkeit in einer retrospektiven Kohorte oder Fall-Kontroll-Studie gezeigt. 

m2C 

Unabhängig von der Tumorentität wurde beim Vorliegen des Biomarkers eine klinische Wirksamkeit in einem oder mehreren Fallberichten gezeigt. 

In vitro oder Tiermodell 

m3 

Präklinische Daten (in vitro-/in vivo-Modelle, funktionelle Untersuchungen) zeigen eine Assoziation des Biomarkers mit der Wirksamkeit der Medikation, welche durch eine wissenschaftliche Rationale gestützt wird. 

Biologische Rationale 

m4 

Eine wissenschaftliche, biologische Rationale legt eine Assoziation des Biomarkers mit der Wirksamkeit der Medikation nahe, welche bisher nicht durch (prä)klinische Daten gestützt wird. 


Zusatzverweise:
is - In situ-Daten aus Untersuchungen an Pat.-Material (z.B. IHC, FISH) unterstützen den Evidenzgrad. Die unterstützende Methode kann in Klammern zusätzlich angegeben werden, z.B. Evidenzgrad 3 is (IHC).
iv - In vitro-Daten / in vivo-Modelle (z.B. PDX-Modelle) derselben Tumorentität unterstützen den Evidenzgrad. Die unterstützende Methode kann in Klammern angegeben werden, z.B. Evidenzgrad 2 iv (PDX).
Z - Zusatzverweis für Zulassungsstatus (Z= EMA-Zulassung liegt vor; Z (FDA)= nur FDA-Zulassung vorhanden)
R - Verweis, dass es sich hierbei um einen Resistenzmarker für eine bestimmte Therapie handelt

Es existieren zunehmend prädiktive Biomarker mit einer entitätsübergreifenden Zulassung zielgerichteter Medikamente (entsprechend mind. ESCAT Level I-C, NCT m1A, JCR-Tier 1 A.1). Entsprechende prädiktive Biomarker mit FDA-Zulassung sind in Tabelle 7 dargestellt. In Europa existieren derzeit lediglich zwei entitätsübergreifende Zulassungen für NTRK-Inhibitoren und RET-Inhibitoren beim Vorliegen von NTRK1-3 bzw. RET-Fusionen.

Tabelle 7: Übersicht prädiktiver Biomarker und assoziierter Therapieoptionen mit entitätsübergreifender Wirksamkeit und Zulassung durch die FDA. 

Molekulare Alteration

Therapie

NTRK-Fusionen

NTRK-Inhibition

RET-Fusion

RET-Inhibition

BRAF p.V600E-Mutation

BRAF-Inhibition (ggf. + MEK-Inhibitor; ggf. + EGFR-Inhibition bei kolorektalen Karzinomen)

Mismatch-Repair Defizienz (MSI-H / dMMR)

Immuncheckpointinhibition

Hohe Tumormutationslast (TMB)

Immuncheckpointinhibition

HER2-positiv (Immunhistochemie 3+)

HER2-ADC

Tabelle 8 fasst entsprechend Prävalenzen dieser Biomarker (vgl. Tabelle 7) in verschiedenen Tumorerkrankungen zusammen.

Tabelle 8: Populationsdaten aus der AACR GENIE Kohorte* [5].  

Tumorentität

BRAFV600E

RET-Fusion

NTRK-Fusion

TMB-high (≥ 10 Mut/Mb)

MMRd/MSI-H

HER2-Positivität (IHC 3+)

Ampullenkarzinom 

  1. % (n = 4) 

0% (n = 0) 

5,1% (n = 2) 

19,3% (n = 68) 

Analkarzinom 

0% (n = 0) 

2% (n = 1) 

2% (n = 1) 

19,9% (n = 73) 

Appendixkarzinom 

1,2% (n = 9) 

0% (n = 0) 

2,1% (n = 1) 

18,5% (n = 137) 

Blasenkarzinom 

0,1% (n = 6) 

0,3% (n = 3) 

1% (n = 9) 

38,8% (n = 1.813) 

0,49% (n = 2)

12,4% (n = 59)

Mammakarzinom 

0,1% (n = 17) 

0,4% (n = 13) 

1,4% (n = 41) 

11,7% (n = 1.874) 

1,53% (n=16)

10,5% (n = 388)

Cancer of unknown primary (CUP)

1,6% (n = 86) 

1% (n = 8) 

1,5% (n = 12) 

23,4% (n = 1.249) 

2,1% (n = 29)

Zervixkarzinom 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

18,2% (n = 158) 

2,62% (n=8)

3,9% (n = 23)

Kolorektales Karzinom 

7,9% (n = 1.228) 

0,9% (n = 15) 

1,7% (n = 29) 

31,9% (n = 4.937) 

14,47% (n=94)

1,8% (n = 80)

Endometriumkarzinom 

0,1% (n = 4) 

0,1% (n = 1) 

0,5% (n = 4) 

30,4% (n = 1.549) 

31,37% (n=170)

3% (n = 111)

Ösophagus/Magenkarzinom 

0,1% (n = 6) 

0,7% (n = 8) 

1,8% (n = 20) 

17,2% (n = 817) 

13,9% (n=87)

11,3% (Ösophagus/GEJ n = 71), 4,7% (Magenkarzinom, n = 27)

Gastrointestinale neuroendokrine Tumore 

3,7% (n = 25) 

0% (n = 0) 

5,4% (n = 3) 

6,6% (n = 45) 

0% (n = 0/1136)

Gastrointestinaler Stromatumor (GIST)

0,4% (n = 6) 

0% (n = 0) 

0,8% (n = 1) 

14,6% (n = 226) 

0% (n = 0/143)

Keimzelltumor

0,1% (n = 1) 

0% (n = 0) 

1,1% (n = 1) 

2,9% (n = 31) 

0% (n=0/150)

2,4% (n = 1)

Gliome

3,9% (n = 392) 

0,3% (n = 6) 

1,8% (n = 43) 

11,1% (n = 1,121) 

0,25% (n=1, GBM)

0% (n = 0/41)

Kopf-Hals-Tumore 

0,05% (n = 1) 

0,8% (n = 2) 

0,8% (n = 2) 

24,9% (n = 548) 

0,78% (n=4)

1,3% (n = 7)

Hepatobiliäre Karzinome 

1,1% (n = 39) 

0,5% (n = 3) 

1,6% (n = 10) 

12% (n = 413) 

1,35% (n=1)

6,3% (extrahepatisch n = 5), 0,6% (intrahepatisch, n = 2), 0,4% (hepatozellulär n = 1)

Histiozytose

17,3% (n = 91) 

8% (n = 2) 

0% (n = 0) 

2,7% (n = 14) 

Melanom

20,3% (n = 1.379)1 

0,1% (n = 1) 

2,6% (n = 18) 

49,1% (n = 3.338) 

0,64% (n=3)

0,1% (n = 1)

Mesotheliom

0,1% (n = 1) 

0% (n = 0) 

1% (n = 2) 

2,8% (n = 27) 

2,41% (n=2)

Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC) 

1,4% (n = 329) 

5,7% (n = 215) 

0,9% (n = 33) 

33,8% (n = 8.142) 

0,6% (n=6)

1,1% (n = 49)

Ovarialkarzinom 

0,9% (n = 56) 

0% (n = 0) 

0,6% (n = 7) 

12,8% (n = 783) 

1,37% (n=6)

1,6% (epithelial, n = 122), 0,4% (nicht-epithelial n = 1)

Pankreaskarzinom 

0,4% (n = 26) 

0,1% (n = 1) 

1,8% (n = 15) 

11,9% (n = 820) 

0% (n=0/183) -0,8% (n=7/833)

0,7% (n = 14)

Nebenschilddrüsenkarzinom 

6,9% (n = 2) 

0% (n = 0)a 

0% (n = 0)a 

44,8% (n = 13) 

Peniskarzinom 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

25,4% (n = 16) 

0% (n = 0/10)

Prostatakarzinom

0,02% (n = 1) 

0,2% (n = 4) 

0,4% (n = 8) 

5,4% (n = 312) 

0,6% (n=3)

0,6% (n = 2/350)

Nierenzellkarzinom

0% (n = 0) 

0,5% (n = 1) 

0% (n = 0) 

6,2% (n = 160) 

0,7% (n=5)

0% (n = 0/531)

Speicheldrüsenkarzinom 

0,7% (n = 7) 

0,5% (n = 1) 

15,3% (n = 29) 

9,2% (n = 93) 

Keimstrang-Stroma Tumore 

0% (n = 0)

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

4,6% (n = 11) 

Nichtmelanozytärer Hautkrebs 

3,8% (n = 46) 

1,6% (n = 3) 

6,4% (n = 12) 

36,9% (n = 448) 

Dünndarmkarzinom 

2,6% (n = 12) 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

35,3% (n = 164) 

Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC) 

0% (n = 0) 

0,7% (n = 1) 

0,7% (n = 1) 

35,8% (n = 332) 

0% (n = 0/322)

Weichteilsarkome 

0,3% (n = 16) 

0,3% (n = 4) 

2,3% (n = 34) 

5,8% (n = 287) 

0,78% (n=2)

0% (n = 0/1211)

Schilddrüsenkarzinom 

40,2% (n = 922) 

36% (n = 96) 

17,2% (n = 46) 

10,1% (n = 231) 

0% (n=0/496)

0% (n = 0/158)

Uterine Sarkome 

0,1% (n = 1) 

0,6% (n = 1) 

2,3% (n = 4) 

6% (n = 42) 

3,51% (n=2)

Vaginalkarzinome 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

21,6% (n = 36) 

Vulvakarzinome 

0% (n = 0)

0% (n = 0)

0% (n = 0)

33,3% (n = 1) 

Wilms-Tumor 

2,1% (n = 4) 

0% (n = 0) 

0% (n = 0) 

4,7% (n = 9) 

2,44% (n=1)

1 Höhere BRAF p.V600E-Mutationsfrequenzen beim kutanen Melanom sind in früheren Publikationen beschrieben (z.B. 39%) [3].
*Daten für MMRd/MSI-h und HER2-Positivität (IHC 3+) sind nicht in der GENIE-Kohorte vorhanden und aus verfügbaren Publikationen abgeleitet [217].
Tabelle 9: Prävalenz weiterer molekularer Veränderungen (mind. NCT-Evidenzlevel 2) in verschiedenen Tumorentitäten. (nach: [4]) 

 

ALK-Fusionen

BRCA1 SNV

BRCA2 SNV

EGFR SNV

ERBB2 Amplifikation

EZH2 SNV

FGFR2 Fusionen

FGFR3 SNV

FGFR3 Fusionen

IDH1 SNV

IDH2 SNV

KIT SNV

KRAS p,G12C

PDGFRA SNV

PIK3CA SNV

RET SNV

ROS1 Fusionen

Blasenkarzinom

0,1%

1,3%

2,2%

2,5%

4,3%

0,6%

0,1%

21,9%

2,0%

0,2%

0,1%

0,1%

0,4%

 

19,4%

0,1%

 

Mammakarzinom

n/a

1,3%

1,9%

1,3%

10,4%

0,3%

0,2%

0,1%

0,1%

0,1%

 

0,3%

0,1%

0,2%

38,1%

0,1%

0,1%

Zervixkarzinom

n/a

1,1%

0,9%

0,2%

2,1%

0,3%

 

0,9%

0,6%

 

 

 

0,5%

 

27,6%

 

0,2%

Cholangiokarzinom

n/a

0,7%

2,0%

1,1%

2,2%

0,4%

7,3%

 

0,4%

14,5%

3,5%

0,1%

1,0%

0,3%

4,5%

0,1%

0,2%

Kolorektales Karzinom

0,1%

0,9%

2,2%

1,4%

1,4%

0,2%

0,1%

0,1%

 

0,5%

0,1%

0,2%

2,9%

0,1%

17,8%

0,2%

 

Melanom

0,2%

0,9%

1,4%

0,9%

 

1,1%

 

0,1%

 

2,6%

0,3%

3,9%

 

0,8%

2,2%

0,1%

0,1%

Endometriumkarzinom

n/a

1,4%

4,1%

1,2%

3,5%

1,1%

0,1%

0,1%

0,3%

0,3%

 

0,1%

1,2%

0,3%

48,5%

0,3%

 

Ösophagogastrisches Karzinom

n/a

0,8%

1,7%

4,8%

10,8%

0,5%

0,6%

0,1%

0,1%

 

0,1%

0,1%

0,3%

0,1%

7,8%

0,3%

0,2%

Gallenblasenkarzinom

n/a

1,8%

3,6%

3,1%

5,4%

 

 

 

0,4%

0,4%

 

 

0,9%

 

10,8%

 

 

GIST

0,1%

 

0,1%

 

 

0,1%

 

 

 

0,1%

0,1%

78,9%

 

10,3%

1,3%

0,1%

 

Kopf-Hals Tumor

0,1%

1,1%

1,0%

4,5%

0,7%

0,2%

0,1%

1,7%

0,1%

0,1%

0,5%

0,5%

0,2%

0,4%

18,4%

0,1%

 

NSCLC

2,0%

0,6%

0,9%

26,9%

0,8%

0,3%

0,1%

0,1%

0,1%

0,3%

0,1%

0,4%

11,3%

0,3%

5,2%

0,1%

0,8%

Ovarialkarzinom

0,1%

5,7%

2,9%

0,4%

1,7%

0,3%

0,1%

 

0,1%

 

0,1%

0,1%

0,4%

0,1%

9,9%

0,1%

 

Pankreaskarzinom

0,2%

0,6%

2,4%

0,2%

0,7%

0,2%

0,2%

 

 

0,2%

 

 

1,1%

 

2,1%

0,1%

0,2%

Prostatakarzinom

n/a

0,5%

5,0%

0,4%

0,1%

0,3%

 

 

0,1%

0,4%

 

0,1%

 

0,1%

3,8%

0,1%

0,1%

Nierenzellkarzinom

0,2%

0,4%

0,6%

0,3%

 

0,3%

 

0,1%

 

 

 

0,2%

0,1%

0,2%

2,9%

 

 

Speicheldrüsenkarzinom

0,8%

0,6%

0,5%

0,5%

4,6%

 

0,1%

 

 

0,5%

0,1%

1,4%

0,1%

1,3%

8,7%

 

0,3%

Schilddrüsenkarzinom

0,4%

0,3%

0,9%

0,2%

 

0,1%

0,1%

0,1%

 

0,1%

 

0,2%

0,2%

0,1%

3,7%

8,1%

 

7Therapieempfehlung/Molekulares Tumorboard

Die abschließende Anwendung der identifizierten und bewerteten Biomarker in der konkreten klinischen Situation erfordert eine breite multidisziplinäre Expertise und sollte in ausgewiesenen bzw. zertifizierten molekularen Tumorboards stattfinden. Nach den Kriterien des deutschen Netzwerks für personalisierte Medizin (DNPM; [9]) umfassen die teilnehmenden Disziplinen eines MTB-Teams mindestens die Hämatologie und internistische Onkologie, Pathologie, Molekularpathologie, Molekularbiologie, Bioinformatik, Humangenetik sowie fallbezogen zuständige Fachdisziplinen und Radiologie nach Bedarf. Zudem sollte dieses Team eine ausreichende und umfassende Expertise in der Interpretation, Bewertung und Einordnung molekularer Befunde in den klinischen Therapieverlauf haben, die durch eine ausreichende Fallzahl von MTB-Pat. gewährleistet wird.

Das hohe Maß an individueller Variation, sowie das unterschiedliche Evidenzniveau resultierender Empfehlungen erfordert eine genaue Beachtung des klinischen Verlaufs und eine sorgfältige Abwägung bei der Integration ggf. experimenteller Therapieoptionen in die weitere Therapie.

Idealerweise sollten nicht zugelassene Therapieoptionen im Rahmen prospektiver klinischer Studien stattfinden, die Verfügbarkeit solcher Studien sollte daher im Rahmen der Therapieempfehlung mit evaluiert und zumindest auf nationaler Ebene geprüft werden. Oftmals macht eine Umsetzung der Therapieempfehlung jedoch einen Medikamenteneinsatz off-label erforderlich. Hierbei sollte das Evidenzniveau der empfohlenen Therapie mit Blick auf den zu erwartende Pat.-Nutzen besonders beachtet werden. Eine Nachverfolgung von off-label Therapien sollte im Rahmen von Registerstudien erfolgen (s.u.).

8Follow-Up

Die hohe Frequenz nicht zugelassener Therapieempfehlungen und fehlender klinischer Daten legt die Integration einer forschenden Versorgung in der Präzisionsonkologie nahe. Insbesondere Umsetzungsraten zielgerichteter Therapien und Therapieansprechen auf off-label Therapien sollten weitgehend nachvollzogen und strukturiert dokumentiert werden (vgl. Kerndatensätze der Medizininformatikinitiative). Idealerweise sollte dies im Rahmen einer prospektiven Registerstudie erfolgen und Daten in einem Netzwerk zusammenfassen, wobei mehrere wissenschaftliche Netzwerke hier aktuell wichtige Beiträge leisten. Eine konsequente Erfassung molekularer Veränderungen kann somit perspektivisch auch bei selteneren Tumoren zu einem verbesserten Verständnis molekularer Veränderungen und effektiver Therapieoptionen führen.

9Literatur

  1. Avila M, Meric-Bernstam F. Next-generation sequencing for the general cancer patient. Clin Adv Hematol Oncol 2019;17:447-454. PMID:31449513

  2. Bonneville R, Krook MA, Kautto EA et al. Landscape of microsatellite instability across 39 cancer types. JCO Precis Oncol 2017;2017:PO.17.00073. DOI:10.1200/PO.17.00073

  3. Cancer Genome Atlas Network. Genomic classification of cutaneous melanoma. Cell 2015;161:1681-1696. DOI:10.1016/j.cell.2015.05.044

  4. Chakravarty D, Johnson A, Sklar J et al. Somatic genomic testing in patients with metastatic or advanced cancer: ASCO provisional clinical opinion. J Clin Oncol 2022;40:1231-1258. DOI:10.1200/JCO.21.02767

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  6. Horak P, Griffith M, Danos AM et al. Standards for the classification of pathogenicity of somatic variants in cancer (oncogenicity): Joint recommendations of Clinical Genome Resource (ClinGen), Cancer Genomics Consortium (CGC), and Variant Interpretation for Cancer Consortium (VICC). Genet Med 2022;24:986-998. DOI:10.1016/j.gim.2022.01.001

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  9. Illert AL, Stenzinger A, Bitzer M et al. The German Network for Personalized Medicine to enhance patient care and translational research. Nat Med 2023;29:1298-1301. DOI:10.1038/s41591-023-02354-z

  10. Leichsenring J, Horak P, Kreutzfeldt S et al. Variant classification in precision oncology. Int J Cancer 2019;145:2996-3010. DOI:10.1002/ijc.32358

  11. Li MM, Datto M, Duncavage EJ et al. Standards and guidelines for the interpretation and reporting of sequence variants in cancer: a joint consensus recommendation of the Association for Molecular Pathology, American Society of Clinical Oncology, and College of American Pathologists. J Mol Diagn 2017;19:4-23. DOI:10.1016/j.jmoldx.2016.10.002

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  16. Tortora G, Sessa C, Scarpa A, Banerjee S (eds.) ESMO Handbook of translational research, 2nd edition. ESMO Press Viganello-Lugano 2015.

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10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Michael Bitzer
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Medizinische Universitätsklinik; Gastroenterologie, Gastrointestinale Onkologie, Hepatologie, Infektiologie, Geriatrie
Otfried-Müller-Str. 10
72076 Tübingen
Univ.-Prof. Dr. med. Annalen Bleckmann
Uniklinikum Münster
Medizinische Klinik A
Hämatologie, Onkologie, Pneumologie
Albert-Schweitzer-Campus 1
48149 Münster
Dr. med. Alexander Desuki
UCT Mainz der Universitätsmedizin Mainz
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
Prof. Dr. med. Thomas Ernst
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Innere Medizin II
Am Klinikum 1
07747 Jena
Prof. Dr. med. Irene Esposito
Universitätsklinikum Düsseldorf
Institut für Pathologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
PD Dr. med. Armin Gerger
Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz
Klinische Abteilung Onkologie
Auenbrugger Platz 15
A-8036 Graz
Prof. Dr. med. Hanno Glimm
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden
Translationale Medizinische Onkologie
Fetscherstr. 74/PF 64
01307 Dresden
PD Dr. med. Peter Horak
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
Dr. Dr. Daniel Hübschmann
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg
Research Group Computational Oncology
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
Prof. Dr. med. Anna Lena Illert
Klinikum rechts der Isar der TU München
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III
Hämatologie und Onkologie
Ismaninger Str. 22
81675 München
Prof. Dr. med. Volker Kunzmann
Universitätsklinikum Würzburg
Zentrum Innere Medizin (ZIM)
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Oberdürrbacher Str. 6
97080 Würzburg
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Sonja Loges
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Universitätsklinikum Mannheim
III. Medizinische Klinik
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Dr. med. Ina Pretzell
Westdeutsches Tumorzentrum Essen
Zentrum für Personalisierte Medizin
Hufelandstr. 55
45147 Essen
Dr. med. Damian Rieke
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin
Medizinische Klinik m.S. Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
Dr. med. Katja Schmitz
Krankenhaus St. Vinzenz
Pathologie-Labor Dr. Obrist – Dr. Brunhuber OG
Klostergasse 1
A-6511 Zams
PD Dr. med. Andreas Seeber
Universitätsklinik für Innere Medizin V
Innsbruck
Anichstr. 35
A-6020 Innsbruck
Bärbel Söhlke
Zielgenau e.V.
Patienten-Netzwerk für Personalisierte Lungenkrebstherapie
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Wicki
Universitätsspital Zürich
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Rämistr. 100
CH-8091 Zürich
Prof. Dr. med. Jürgen Wolf
Universitätsklinik Köln
Centrum für Integrierte Onkologie
Kerpener Str. 62
50937 Köln

16Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

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Reference:

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