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Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

ICD-10 D59.5
Stand September 2024
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1Zusammenfassung

Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene, erworbene hämatologische Erkrankung mit variabler klinischer Ausprägung. Charakteristisch für die unbehandelte Erkrankung sind eine intravasale Hämolyse, eine Thrombophilie mit der Neigung zu Thrombosen in typischertypischen und atypischer Lokalisationatypischen Lokalisationen sowie eine Zytopenie, die in ihrer Ausprägungsform von einer mildensubklinisch mild, subklinischen Zytopenie bis hin zu einer schweren Panzytopenie (sogenanntes aplastische Anämie/PNH-Syndrom) reichen kann. Ursache der PNH ist (sind) eine (oder mehrere) erworbene somatische MutationMutation(en) im PIG-A-Gen Physphatidyl-Inositol-Glycan-Klasse-A (PIG-A-) Gen auf der Ebene der pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks.

Die Therapie erfolgt symptomorientiert. Bei asymptomatischen Patient*innen wird eine abwartende Haltung empfohlen, ggf. mit prophylaktischer Antikoagulation. Bei symptomatischen Patient*innen hat die Entwicklung einer gezielten medikamentösen Inhibition der (terminalen) Komplement-Kaskade eine deutliche Verbesserung der klinischen Symptomatik sowie die Möglichkeit erbracht, krankheitsbedingte Komplikationen therapeutisch zu unterbinden. Nach der Zulassung von Eculizumab im Jahr 2006, von Ravulizumab 2019 und Pegcetacoplan 2021 werden aktuell weitere unterschiedliche Substanzen aus dem Bereich der Komplement-Inhibition in Anwendung getestet. Im Vergleich zu historischen Kontrollen ist die Überlebenszeit der symptomatischen PNH- Patient*innen unter Komplementinhibition heute deutlich verbessert bzw. normalisiert.

Die Therapie erfolgt symptomorientiert. Bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten (Pat.) wird eine abwartende Haltung empfohlen, ggf. mit prophylaktischer Antikoagulation. Bei symptomatischen Pat. hat die Entwicklung einer gezielten medikamentösen Inhibition der terminalen Komplement-Kaskade eine deutliche Verbesserung der klinischen Symptomatik sowie die Möglichkeit erbracht, krankheitsbedingte Komplikationen therapeutisch zu unterbinden. Im Vergleich zu historischen Kontrollen ist damit die Überlebenszeit der Pat.mit hämolytischer PNH heute signifikant verbessert. Der erste terminale Komplement-Inhibitor Eculizumab wurde im Jahr 2007 zugelassen, gefolgt von Ravulizumab 2019 sowie Crovalimab 2024. Mit Pegcetacoplan ist 2021 der erste proximale Komplement-Inhibitor verfügbar geworden. Im Jahr 2024 kommen nach Zulassung auch Danicopan und Iptacopan zur Anwendung. Weitere unterschiedliche Substanzen aus dem Bereich der Komplement-Inhibition in Anwendung befinden sich noch in klinischer Testung.

2Grundlagen

2.1Definition

Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) handelt es sich um eine seltene erworbene Erkrankung hämatopoetischer Stammzellen des Knochenmarkes. Die Erkrankung verläuft klinisch variabel, charakteristisch sind eine intravasale Hämolyse, eine Thrombophilie, mit der Neigung zu Thrombosen in typischer und atypischer Lokalisation und eine Zytopenie, die in ihrer Ausprägungsform von einer milden, subklinischen Zytopenie bis hin zu einer schweren Panzytopenie (aplastische Anämie/PNH-Syndrom) reichen kann Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) handelt es sich um eine seltene, erworbene Erkrankung hämatopoetischer Stammzellen des Knochenmarkes, die zur Gruppe der Knochenmarkversagen-Erkrankungen („bone marrow failure syndromes, BMFS) gezählt wird. Die Erkrankung verläuft klinisch variabel; Kennzeichen sind intravasale Hämolyse, Thrombophilie mit Thrombosen in typischen und atypischen Lokalisationen und eine variabel ausgeprägte Zytopenie [12].

2.2Epidemiologie

Bei der PNH handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von bis zu 16 Fällen/1 Million Einwohner*innen und einer Inzidenz von ungefähr 1,3 Fällen/1 Million Einwohner*innen (Daten aus Großbritannien / FrankreichFrankreich). Für Prävalenz und Inzidenz der PNH in Deutschland liegen keine verlässlichen epidemiologischen Daten vor. Aufgrund Ihrer klinischen Heterogenität ist davon auszugehen, dass sie „unterdiagnostiziert“ wird [3].

2.3Pathogenese

Grundlage der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie ist eine Mutation im PIG-A-Gen in einer oder mehreren multipotenten hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks [4,6]. Da die Mutation erworben ist, sind nicht alle Stammzellen des Knochenmarks betroffen, und es entsteht eine sogenannte Mosaiksituation. Als weitere pathophysiologische Mechanismen werden zum einen eine autoimmun-mediierte Depletion GPI+, d.h. gesunder Stammzellen mit konsekutiver, d.h. sekundärer Anreicherung GPI-defizienter PNH-Stammzellen diskutiert. Zum zweiten bestehen Beobachtungen, dass bei zwei einzelnen PNH-Patient*innen GPI-defiziente gegenüber den normal exprimierenden Stammzellen einen intrinsischen Wachstumsvorteil durch eine weitere aktivierende genetische Veränderung wie eine ektopische Expression des HMGA2-Gens bedingt durch ein Rearrangement am Chrosomon 12 aufweisen und somit die klonale Dominanz im Knochenmark ausüben [7]. Neuere Untersuchungen mittels ‚Next Generation Sequencing‘ haben ergeben, dass der Mechanismus der klonalen Expansion bei den meisten PNH-Patient*innen deutlich komplexer ist. So konnten in den meisten PNH-Patient*innen neben den charakteristischen PIG-A Mutationen weitere somatische Mutationen ähnlich wie bei MDS und AML gefunden werden. Untersuchungen zu der Verteilung dieser Mutationen in den einzelnen Klonen haben gezeigt, dass im Knochenmark der PNH-Patient*innen zumeist eine komplexe klonale Hierarchie vorliegt [8].

Die Folge der GPI-Defizienz auf einem signifikanten Anteil peripheren Blutzellen ist ein Fehlen von sogenannten komplementregulierenden Proteinen, insbesondere auf der Oberfläche von Erythrozyten. Hier sind insbesondere CD55 der sogenannte ‚Decay accelerating factor (DAF)‘ bzw. CD59, der ‚Membrane-Inhibitor of reactive lysis (MIRL)‘ Grundlage auf zellulärer Ebene bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie ist eine Mutation im X-chromosomal lokalisierten PIG-A-Gen, wodurch die Biosynthese des Glycosilphosphatidylinositol- (GPI-) Ankermoleküls unterbunden ist [4]. In einzelnen speziellen Fällen entsteht die GPI-Defizienz aufgrund hereditär bedingter Mutationen in autosomal lokalisierten Genen wie PIG-T, bei denen in den PNH-Zellen das zweite Allel und damit der komplette Biosyntheseschritt durch eine zusätzliche somatische Mutation ausgeschaltet ist [56] zu nennen. Bei Komplementaktivierung sind somit die Erythrozyten aufgrund des konstitutiven Fehlens von Transmembran-verankerten Molekülen sensibel gegenüber der terminalen Komplement-vermittelten Lyse. Da nahezu alle PNH-spezifischen Symptome bei einem isolierten CD59-Defekt beschrieben sind, kommt hierbei dem CD59-Molekül eine entscheidende Rolle in der klinischen Symptomatik zu . Diese GPI-Defizienzen finden sich auf der Ebene der multipotenten hämatopoetischen Stammzellen des Knochenmarks [78]. Die erworbenen somatischen Mutation(en) betreffen nicht alle Stammzellen des Knochenmarks und es entsteht eine sogenannte Mosaiksituation. In sehr geringer Zahl vorhandene GPI-defiziente Zellen mit entsprechender Mutation sind auch bei gesunden Probanden mittels hoch auflösender Nachweisverfahren detektierbar [9]. Als weitere pathophysiologische Mechanismen werden zum einen eine autoimmun-mediierte Depletion GPI+, nicht-mutierter Stammzellen mit sekundärer Anreicherung GPI-defizienter PNH-Stammzellen diskutiert [10]. Zudem zeigen frühe Beobachtungen, dass auf Stammzellebene bei einzelnen PNH-Pat. GPI-defiziente gegenüber den normal exprimierenden Stammzellen durch zytogenetische Veränderungen einen intrinsischen Wachstumsvorteil aufweisen und somit klonale Dominanz im Knochenmark ausüben [11]. Neuere Untersuchungen mittels ‚Next Generation Sequencing‘ (NGS) haben ergeben, dass der Mechanismus der klonalen Expansion bei den meisten PNH-Pat. deutlich komplexer ist. So konnten bei PNH-Pat. neben den charakteristischen PIG-A Mutationen sowohl weitere somatische Mutationen in myeloischen Genen (aktivierende Mutationen) vergleichbar mit denen bei anderen myeloischen Erkrankungen [12] als auch Mutationen in Genen mit Beteiligung an der Immunerkennung wie HLA-Molekülen (‚immune escape Mutationen’) gefunden werden. Untersuchungen zu der Verteilung dieser Mutationen in den einzelnen konkurrierenden Klonen haben gezeigt, dass im Knochenmark der PNH-Pat. zumeist eine komplexe klonale Hierarchie - bedingt durch die Interaktion von myeloischen Vorläuferzellen und Immunsystem – vorliegt [13].

Die Folge der GPI-Defizienz auf einem signifikanten Anteil peripherer Blutzellen ist ein Fehlen von komplementregulierenden Proteinen. Hier sind insbesondere CD55 der sogenannte ‚Decay accelerating factor (DAF)‘ bzw. CD59, der ‚Membrane-Inhibitor of reactive lysis (MIRL)‘ [14] zu nennen. Bei Komplementaktivierung sind vor allem die Erythrozyten aufgrund des konstitutiven Fehlens von Transmembran-verankerten Molekülen sensibel gegenüber der terminalen Komplement-vermittelten Lyse, da sie über keine weiteren Komplement-regulierenden Oberflächenmoleküle verfügen. Da viele PNH-spezifischen Symptome auch bei einem isolierten CD59-Defekt beschrieben sind, kommt dem CD59-Molekül als Regulator des ‚membrane attack complex’ (MAC) eine entscheidende Rolle in der klinischen Symptomatik zu [14].

3[Kapitel nicht relevant]

4Klinisches Bild

4.1Symptome

4.1.1Hämolyse und Hämoglobinurie

Obwohl zur klassischen Manifestation der PNH der dunkelbraune (Morgen-)Urin gehört, so istgeben dieses typische klinische Zeichen nur bei ca. 26% der PNH-Patient*innenPNH-Pat. zum Zeitpunkt der Erstdiagnose nachweisbaran. Viele PNH-Patient*innenPNH-Pat. haben keine klinisch augenscheinliche Hämoglobinurie oder allenfalls intermittierende Episoden, die keine Beziehung zum Tag/Nacht-Rhythmus aufweisen. Es besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen auftretender Hämoglobinurie und der Größe des PNH-Klons, d. h. des Anteils der GPI-defizienten Zellen im peripheren Blut. Als klassische Charakteristika einer chronischen hämolytischen Anämie stehen Schwäche, Fatigue und Belastungsdyspnoe im klinischen Vordergrund. Hierbei ist das Ausmaß der Fatigue nicht streng linear mit dem Ausmaß der Anämie, dafür aber mit dem Ausmaß der Hämolyse sowie der Größe des PNH-Klons korreliert. Mit der intravasalen Hämoglobinfreisetzung korreliert eine abnorme Depletion von Stickoxiden einerseits bedingt durch den NO-Verbrauch durch die Metabolisierung von Hämoglobin zu Methämoglobin. Andererseits kommt es auch zu einer Freisetzung der erythrozytären Arginase, die Arginin als Ausgangssubstanz für die de-novo NO-Produktion reduziert [15]. Damit ist eine Dysfunktion von Endothelzellen sowie eine Aktivierung von Thrombozyten verbunden. Auch die abnorme Fatigue der PNH-Patient*innenPNH-Pat. lässt sich mit dieser Depletion in Verbindung bringen [15].

4.1.2Thrombophilie

ThrombembolischeThromboembolische Komplikationen stellen die klinisch relevanteste Komplikation für Patient*innenPat. mit PNH dar und sind die Hauptursache für die erhöhte Morbidität und Mortalität dieser Erkrankung [3]. Die durch NO-Depletion erzeugte Dysfunktion wird als Teil der Thrombophilie gesehen, daneben wurden auch Gerinnungs-aktivierendegerinnungs-aktivierende erythrozytäre Mikrovesikel sowie auch eine Inhibition von ADAMTS13 identifiziert. Keiner dieser Faktoren jedoch kann die abnorme Thrombophilie bei den Patient*innenPat. mit PNH ausreichend erklären [1617]. Ein signifikanter Anteil der Patient*innenPat. mit PNH ohne Therapie mit Komplement-inhibierenden Substanzen entwickeln Thrombosen, welche überwiegend das venöse System betreffen, aber auch arteriell auftreten können (z. B. Myokardinfarkt, Apoplex) Apoplektischer Insult). Die Wahrscheinlichkeit eine Thrombose zu erleiden, korreliert mit dem Vorhandensein der klassischen Symptome, d.h. Hämolyse und Hämoglobinurie. Als Frühindikatoren für ein bevorstehendes thrombembolischesthromboembolisches Ereignis konnten abdominelle und thorakale Schmerzen sowie Dyspnoe und Hämoglobinurie identifiziert werden [18]. Venöse Thrombosen bei PNH- Patient*innenPat. treten in typischen und in atypischen Lokalisationen wie den abdominellen, insbesondere den splanchnischen, den hepatischen Venen, Zerebralvenen oder Hautvenen auf.

Neben den venösen thrombembolischenthromboembolischen Ereignissen in typischen und atypischen Lokalisationen treten diese auch im arteriellen System auf und führen zu Gefäßverschlüssen an zerebralen, koronaren, viszeralen sowie auch retinalen Gefäßen mit entsprechender Klinik. Die Häufigkeit dieser arteriellen Verschlüsse wurde in einer koreanischen Kohorte mit 39% aller thrombembolischenthromboembolischen Ereignisse beziffert [19]. Diese Zahl erscheint nach den Beobachtungen aus anderen Kohorten weltweit jedoch verhältnismäßig hoch. Dennoch sollte auch bei arteriellen Ereignissen, insbesondere bei nicht vorbestehender Gefäßerkrankung, an PNH gedacht werden.

4.1.3Sekundäre aplastische Syndrome bzw. AA-PNH-Syndrom

Sowohl klinisch wie auch pathophysiologisch besteht ein enger Zusammenhang zwischen der aplastischen Anämie (AA) und der PNH:

  1. Das Risiko für die Entwicklung einer klinischen PNH liegt in Abhängigkeit von der initialen PNH-Klongröße bei Patient*innenPat. mit einer erworbenen aplastischen Anämie bei ca. 15-25% [20].

  2. Schon zum Diagnosezeitpunkt weisen >50% der Patient*innenPat. mit aplastischer Anämie eine sehr kleine oder moderate GPI-defiziente Population (hochsensitive PNH-Diagnostik) auf [21].

  3. Die Präsenz eines PNH-Klons bei Patient*innenPat. mit aplastischer Anämie gilt heute als ausreichender Hinweis auf ein immunologisch bedingtes Geschehen der Knochenmarkinsuffizienz (erworbene aplastische Anämie) [21]

  4. Je nach Studie entwickeln 10-20% der Patient*innenPat. mit aplastischer Anämie, im Verlauf Ihrer Erkrankung eine manifeste hämolytische PNH, häufig viele Jahre nach Abschluss einer immunsuppressiven Therapie [22].

  5. In ca. 20% der Patient*innenPat. mit PNH findet sich einer retrospektiven Studie zufolge bereits zum Diagnosezeitpunkt ein aberranter zytogenetischer Befund [23].

  6. Eine allogene Stammzelltransplantation kann das Risiko einer sekundären Entwicklung einer PNH in Patient*innen mit aplastischer Anämie verhindern.

    Eine Unterscheidung einer PNH mit eingeschränkter Regeneration des Knochenmarkes und einer PNH im Umfeld eines MDS ist rein morphologisch nicht ausreichend. Daher wird ein bestehendes MDS bei hämolytischer PNH vor alle auf zytogenetischer Basis diagnostiziert [2326].

  7. Eine allogene Stammzelltransplantation kann das Risiko einer sekundären Entwicklung einer PNH in Pat. mit aplastischer Anämie verhindern.

Daraus folgt, dass sekundäre klonale Erkrankungen, d. h. PNH und MDS den natürlichen Verlauf der erworbenen aplastischen Anämie kennzeichnen.

Daraus folgt, dass sich sekundäre klonale Erkrankungen wie PNH oder MDS aus der erworbenen aplastischen Anämie in ihrem natürlichen Verlauf entwickeln können.

4.1.4Renale Manifestation

Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion finden sich insgesamt in zwei Drittel aller Patient*innenPat. mit PNH, in 21% bereits in fortgeschrittenen Stadien [3]. Dabei ist eine reversible Nierenfunktionseinschränkung als Ausdruck eines Vasospasmus der vasa afferentia von einer Nierenparenchymschädigung mit Tubulusschaden zu unterscheiden. Die reversible Nierenfunktionseinschränkung steht vermutlich ursächlich im Zusammenhang mit einem durch die intravasale Hämolyse gesteigertem Stickoxid (NO)-Katabolismus, der zu einer Dysregulation von Endothelzellen und glatten Muskelzellen in der Gefäßwand und daraus resultierender Vaskulopathie/Vasospasmus führt. Sowohl Hämosiderinablagerungen in den proximalen Tubuli als auch mikrovaskuläre Thrombosen sind als Korrelat der Nierenparenchymschädigung bei Patient*innenPat. mit PNH identifiziert worden. Klinisch dominierend ist eine gestörte Tubulusfunktion und eine allmählich abnehmende Kreatininclearence in der Mehrzahl der Patient*innen Pat. [24].

4.1.5Pulmonale Manifestation

Als klinisches Symptom bei Patient*innenPat. mit hämolytischer PNH findet sich oft eine Dyspnoe, die nicht allein ausmit der durch die Hämolyse bedingten Anämie korreliert. Vielmehr resultiert aus der intravasalen Hämolyse ein erheblicher NO-Verbrauch, über den sich eine ausgeprägte pulmonale Hypertonie erklärtentwickeln kann. Diese lässt sich einerseits erfassen durch eine deutliche Erhöhung des pro-BNP Wertes, der hier als Maßstab für die rechtsventrikuläre Dysfunktion eingesetzt worden ist [25]. In einer zweiten Publikation der gleichen Arbeitsgruppe wurde die rechtsventrikuläre Funktionseinschränkung per Echokardiographie oder Kardio-MRT bei 8 von 10 Patient*innenPat. gemessen. Bei 4 von den 8 Patient*innenPat. wurde in einer Perfusionsszintigraphie Perfusionsausfälle wie bei Thrombembolie gemessen, die anderen 4 Patient*innenPat. hatten jedoch keine Hinweise auf ein thrombembolischesthromboembolisches Geschehen [25]. Somit ist das pathophysiologische Korrelat der pulmonalen Hypertonie einerseits ein rezidivierendes thrombembolischesthromboembolisches Geschehen, andererseits auch eine direkte Wirkung des Hämolyse-bedingten NO-Verbrauchs.

4.1.6Unspezifische klinische Manifestationen

Im klinischen Vordergrund der Patient*innen mit PNH steht die ausgeprägte Fatigue. Diese ist typischerweise häufig nicht proportional zum Ausmaß der Anämie, sondern zum Ausmaß der Hämolyse. Zusätzlich treten intermittierend Ösophagusspasmen, Thoraxschmerzen, Übelkeit und Schluckbeschwerden auf, letzteres insbesondere im Zusammenhang mit hämolytischen Episoden. Männliche Patienten berichten mitunter auch über erektile Dysfunktion. Darüber hinaus treten moderate bis teilweise intensive Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Bauchschmerzen in Zusammenhang mit hämolytischen Krisen auf. Diese Symptome sind durch Behandlung mit Komplement-blockierenden Medikamenten wie Eculizumab oder Ravulizumab positiv beeinflussbar Zusätzlich treten intermittierend Ösophagusspasmen, Thoraxschmerzen, Übelkeit und Schluckbeschwerden auf, letzteres insbesondere im Zusammenhang mit hämolytischen Episoden. Männliche Patienten berichten mitunter auch über erektile Dysfunktion. Darüber hinaus treten moderate bis teilweise intensive Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Bauchschmerzen in Zusammenhang mit hämolytischen Krisen auf. Diese Symptome sind durch Behandlung mit Komplement-blockierenden Medikamenten (siehe unten) positiv beeinflussbar [26].

4.1.7Fatigue

Bei der hämolytischen PNH steht für die Pat. klinisch zumeist eine ausgeprägte Fatigue im Vordergrund. In verschiedenen Kohorten wird dabei bei über 80 % der Pat. berichtet [27]. Typischerweise ist die Intensität der Fatigue nicht streng proportional zum Ausmaß der Anämie, Daten zu proximalen Komplementinhibitoren zeigen allerdings normalisierte Hb-Werte eher mit besseren Fatiguewerten assoziiert als niedrige Hb-Werte [2831] . Ebenso kann diese Symptomatik auch unter C5-Inhibition auftreten, insbesondere bei den Pat., die eine klinisch signifikante extravasale Hämolyse unter C5-Inhibitiorgabe entwickelt haben. Der pathophysiologische Hintergrund der Fatigue ist aktuell nicht ausreichend geklärt. In Frage kommt einerseits die Hämolyseaktivität selbst, da vor allem die Pat. mit hohen absoluten Retikulozytenzahlen darüber berichten. Andererseits könnte auch die Komplement-Aktivität selbst für das eindrückliche Auftreten der Fatigue dieser Pat. verantwortlich sein.

Die Fatigue zeigt sich bei Pat. durch körperliche, aber auch kognitive Leistungseinschränkung. Viele Pat. berichten über einen Zustand wie „heruntergefahren sein“, was die geschilderten Symptome und die frühe körperliche Erschöpfung darstellen. Dies kann sich sehr belastend auf soziale Bereiche wie Arbeitsfähigkeit, Familiengründung und Freizeit auswirken und auch zu einer zusätzlichen psychischen Belastung und Einschränkung der Lebensqualität führen [32]. Daher bedarf es einer besonderen Zuwendung und Aufmerksamkeit seitens der behandelnden Ärzte. Insbesondere das Ausmaß der Fatigue sollte auch in die therapeutische Entscheidung für die Pat. einbezogen werden.

Die Fatigue kann sich schleichend entwickeln. Die Pat. gewöhnen sich teilweise an die reduzierte Leistungsfähigkeit. Es ist daher sinnvoll, die Lebensqualität von Beginn der Therapie regelmäßig mit angemessenen Fragebögen zu erfassen. Um Veränderungen der Fatigue und der Lebensqualität festzustellen, eignen sich der FACIT-Fatigue Score sowie der AA/PNH QLQ-54 [3334], dessen Validierung durch die IPIG (International PNH Interest Group) aktuell noch aussteht.

Insgesamt kann bei expandiertem PNH-Klon bereits bei einer Größe von 10% von einer assoziierten Krankheitslast im Sinne der oben beschriebenen Symptome ausgegangen werden [27].

5Diagnostik

Die diagnostische Abklärung bei Verdacht auf PNH sollte folgende Schritte umfassen (Tabellen 1: und 2) [26]

Tabelle 1: Basisdiagnostik bei Verdacht auf PNH  

Untersuchungen

Anmerkungen

Anamnese

  • Ausführliche Familienanamnese und Eigenanamnese zur Diskriminierung, ob von einer erworbenen Störung auszugehen ist oder Hinweise auf kongenitale Differentialdiagnosen z. B. Membranopathien, Enzymopathien etc. vorliegen

  • Eigenanamnese einschließlich gezielter Befragung zu PNH-typischen Symptomen wie Anämie-Symptomatik, Fatigue, Dyspnoe, Urinverfärbung, rekurrente abdominelle Schmerzkrisen, Dysphagie, Kopfschmerzen, erektile Dysfunktion, thromboembolische Ereignisse, Blutungszeichen

Körperliche Untersuchung

  • Anämie-Zeichen, Ikterus, Hinweise für akute oder abgelaufene Thrombosen, Blutungszeichen, konstitutionelle Auffälligkeiten wie bei kongenitalen aplastischen Anämien, Splenomegalie

Laboruntersuchungen [21]

  • Differentialblutbild und Retikulozytenzählung, Erythrozytenmorphologie, vor allem wichtig zum Ausschluss von Fragmentozyten in der differentialdiagnostischen Abgrenzung der PNH zu mikroangiopathischen Hämolysenthrombotischen Mikroangiopathien (TMA).

  • Hämolyse-Parameter

    Hämolyse-Parameter:

  • Obligat: LDH, Bilirubin gesamt, Bilirubin direkt

  • Ergänzend: Haptoglobin, Hämopexin, Harnstatus mit Nachweis von Hämoglobin. Fakultativ: freies Hämoglobin im Serum; Hämosiderin im Urin

  • Direkter (monospezifischer) Antiglobulin-Test (DAT), Blutgruppe.

  • Hochsensitive Durchflusszytometrie aus peripherem Blut: GPI-verankerte Proteine, siehe Tabelle 3

Knochenmarkdiagnostik

  • Zytologie, Zytogenetik, Molekulargenetik (NGS) und Histologie, wenn gleichzeitig eine Zytopenie eines solchen Ausmaßes besteht, dass der Verdacht auf eine PNH im Kontext einer anderen hämatologischen Erkrankung (v. a. aplastische Anämie, MDS) besteht

Sonographie

  • Oberbauchsonographie einschließlich Farbdoppler mit besonderer Beachtung folgender Aspekte: Leber- und Milzgröße, dopplersonographische Hinweise auf akute oder abgelaufene LebervenenLebervenen-, Pfortader-, Milzvenen- oder Mesenterialvenenthrombosen); bei Verdacht auf akutes thrombotisches Ereignis ggf. auch Farbdoppler und Angiographie weiterer Stromgebiete (z. B. zerebrale Venen)

 

Tabelle 2: Erweiterte Diagnostik bei Verdacht auf PNH   

Untersuchung

Anmerkungen

Laboruntersuchungen

  • Kreatinin, Kreatinin-Clearance

  • Ferritin, Eisen, Transferrin, Transferrinsättigung, Retikulozytenhämoglobin, löslicher Transferrin-Rezeptor

  • Bei Ferritin-Werten >1.000 ng/ml weitere Abklärung von möglichen Organschäden durch Eisenüberladung (Echokardiographie, Blutzucker/Blutzuckertagesprofil, Schilddrüsenwerte, TSH, ggf. FerriScan)Multiparameter-MRT von Leber und Nieren).

  • Plasma-Spiegel von Folsäure und Vitamin B12

  • NT-proBNPPro-BNP im Serum zur Einschätzung der rechtsventrikulären Funktion

  • Bei jungen Patient*innenPat. mit Indikation zu Stammzelltransplantation: HLA-Typisierung Patient*inPat. und Geschwister

  • Bei positiver Familienanamnese für thrombembolischethromboembolische Ereignisse: Thrombophilie-Screening (Faktor V-Leiden, Prothrombin-Mutationen, Protein C, Protein S etc.).

  • Genetische Analysen (PIG-A Gen) zur Diagnosesicherung in der Routine-Diagnostik bei typischen Befundkonstellationen sind nicht erforderlich. nicht erforderlich.

  • Bei atypischen klinischen Manifestationen/atypischen durchflusszytometrischen Befunden kann eine erweiterte molekulare Defektdiagnostik sinnvoll sein [35]

  • Bei AA/PNH-Syndrom: Ausschluss Telomeropathie (siehe Leitlinie Aplastische Anämie)

Die Standardmethode zum Nachweis des PNH-typischen GPI-Anker-Defektes ist die hochsensitive durchflusszytometrische Untersuchung von Blutzellen. Die bisherige 2x2 Regel (2 Zellreihen wie z. B. Granulozyten und Retikuloyzyten, jeweils untersucht mit je 2 separierbaren Reagenzien) gilt heute weiterhin. Die durchflussztyometrische Analyse wird häufig als Multiparameter-Analysen wie 8-Farben Durchflusszytometrie an Granulozyten und Monozyten durchgeführt [36]. Dabei wird idealerweise auch das hochsensitive FLAER (fluorescein-labeled Aerolysin - ein direkt an das GPI-Ankermolekül bindendes Reagenz - angewendet [3739]. Für den gesicherten Nachweis eines PNH-Klons sollte eine fehlende oder reduzierte Expression von mindestens zwei GPI-verankerten Markern auf mindestens zwei Zellreihen gezeigt werden.

Die Standardmethode zum Nachweis des PNH-typischen GPI-Anker-Defektes ist die hochsensitive durchflusszytometrische Untersuchung von Blutzellen (Minimum 2x2 Regel: 2 Zellreihen wie z. B. Granulozyten und Retikuloyzyten, jeweils untersucht mit je 2 separierbaren Reagenzien; idealerweise mit dem hochsensitiven Einsatz von FLAER (fluorescein-labeled proaerolysisn, ein direkt an das GPI-Ankermolekül bindendes Reagenz) Die in . Die in Tabelle 3 genannten Konstellationen sollten Anlass für eine durchflusszytometrische Analyse der GPI-verankerten Proteine auf Blutzellen sein.

Tabelle 3: Indikationen für durchflusszytometrische Diagnostik der Expression GPI-verankerter Proteine [2324] 

Erworbene, Coombs-negative hämolytische Anämie (ohne Zeichen einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie)

  • Intravasale Hämolyse (Haptoglobin nicht nachweisbar, Hämoglobinurie, erhöhtes freies Plasmahämoglobin)

  • Thrombosen, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

    • "Atypische" Lokalisation (Sinusvenenthrombose, Budd-Chiari-Syndrom, Mesenterial- oder Pfortader- oder Milzvenenthrombose, dermale Thrombosen)

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation) bei Patient*innenPat. mit Zeichen einer hämolytischen Anämie (LDH-Erhöhung)

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation) in Verbindung mit unklarer Zytopenie

    • Thrombosen (unabhängig von ihrer Lokalisation, auch arteriell) in Abwesenheit von Risikofaktoren

  • PatientenPat. mit unklarer Eisenmangelanämie (nach sorgfältigem Ausschluss anderer Ursachen) in Verbindung mit Zeichen einer hämolytischen Anämie

  • Diagnose oder dringender Verdacht auf aplastische Anämie

  • Diagnose oder dringender Verdacht auf Niedrigrisiko-MDS

  • RezidiverendRezidivierend auftretende abdominelle Schmerzkrisen unklarer Genese oder Dysphagie, insbesondere bei gleichzeitigen Zeichen einer Hämolyse

Verlaufskontrollen der durchflusszytometrischen Analyse sind in Abhängigkeit von der aktuellen klinischen Situation anzusetzen. So sollte bei Nachweis einer signifikanten GPI-defizienten Population (siehe https://doi.org/10.1182/hematology.2021000245[40]) die Analyse im Abstand von 6 Monaten, bei stabilem Verlauf dann jährlich wiederholt werden. Unter einer Komplement-Inhibitions-Therapie sollte die Diagnostik ebenso in 3 bis 6-monatlichen Abständen wiederholt werden. Bei schwankendem Anteil der GPI-defizienten Zellen bzw. einer geänderten klinischen Symptomatik sind die Untersuchungsintervalle individuell anzupassen. Nach allogener Transplantation ist die durchflusszytometrische Analyse bei positivem Empfängeranteil in der Chimärismusanalyse alle drei Monate empfohlen, bis die GPI-defiziente Population nicht mehr nachweisbar ist. Bei klinischem Verdacht auf Rezidiv nach Transplantation ist eine erneute Analyse ebenfalls sinnvoll. Bei der Verlaufskontrolle nach Diagnosestellung einer aplastischen Anämie ist eine Wiederholung der durchflusszytometrischen Analyse in zwölfmonatlichen Abständen empfohlen, sofern keine Hinweise auf eine signifikante Hämolyse vorliegen.

Tabelle 4: Durchflusszytometrische Analyse GPI-verankerter Proteine [2324] 

Kriterium

Anmerkungen

Material

Peripheres Blut (bevorzugt EDTA-antikoaguliert)

(zur Routine-Diagnostik keine Untersuchung von Knochenmark (!), da die Interpretation wegen physiologischer Veränderungen der Expression GPI-verankerter Proteine im Rahmen der hämatopoietischen Differenzierung sehr schwierig ist).

Intervall zwischen Entnahme und Untersuchung

Möglichst < 48 Stunden, maximal 72 Stunden

Bei Transportzeiten > 24 Stunden sollte die Probe gekühlt werden (+1 bis +10oC).

Untersuchte Zellreihen

Z. B. Granulozyten und Retikulozyten;

Pro Zellreihe sollten mindestens 2 verschiedene Marker (GPI-verankerte Proteine oder GPI-Anker selbst) untersucht werden. Die untersuchte Zellpopulation soll mit einem nicht-GPI-verankerten Marker identifiziert werden.

Befund

Im Befund sollten quantitative Angaben für die untersuchten Zellreihen ausgewiesen werden mit getrennter Angabe des Anteils von Zellen (PNH-Klongröße) mit völlig fehlender Expression GPI-verankerter Proteine (PNH-Typ III-Zellen) und reduzierter Expression (PNH-Typ II-Zellen).

Sensitivität

Bei Routineuntersuchungen soll ein Nachweis einer GPI-defizienten Population ab einem relativen Anteil von 1% möglich sein. Bei der Untersuchung von Patient*innenPat. mit aplastischer Anämie sollte eine Herabsetzung der Sensitivitätsgrenze auf 0,001% erwogen werden.

Zu methodischen Aspekten der Durchführung der Untersuchung wird auf Spezialliteratur verwiesen [3638]. Die Teilnahme an Ringversuchen zur durchflusszytometrischen PNH-Diagnostik wird empfohlen.

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Abbildung 1: Algorithmus für die Therapie bei Paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie 
1 Antikoagulation siehe Abschnitt Kapitel 6.2.1.2
2 Venöse Thrombembolien bzw. Z. n. stattgehabter venöser Thromboembolie oder erhöhtes Risiko (siehe Abschnitt Kapitel 4.1.2)
Im Fall eines thromboembolischen Ereignisses als PNH Erstmanifestation ist eine unmittelbare Unterbrechung der intravasalen Hämolyse (IVH) notwendig. Dies gelingt nach bisheriger Datenlage am zuverlässigsten durch die Gabe eines wirksamen terminalen Komplementinhibitors (z.B. Ravulizumab), da u.a. Thrombin direkt C3 und C5 aktivieren kann und auch Plasmin C5 aktiviert und so eine rasche C5-Blockade sinnvoll ist [4142];
3 Als klinisch relevante extravasale Hämolyse gilt die symptomatische Anämie mit oder ohne Transfusionsbedarf für mindestens drei Monate unter Therapie mit C5-Inhibitoren bei gleichzeitig bestehender signifikanter Retikulozytose und Hämolysezeichen (siehe auch Abschnitt Kapitel 6.2.3.4).
4 Entscheidungen zur Wahl der Erstlinientherapie sowie auch bei der Umstellung der Therapie von einem terminalen zu einem proximalen Komplement-Inhibitor sind oft schwierig und unübersichtlich. Ebenso ist die gewonnene Evidenzlage für eine solche Auswahl oft nicht ausreichend, dagegen sind Komplikationen bei der Behandlung im erweiterten Angebot der Komplement-Inhibition nicht einfacher geworden. Daher empfehlen die Autoren der Leitlinie eine vierwöchentlich stattfindende virtuelle Onlinekonferenz zum Thema PNH, Knochenmarkversagens-Erkrankungen und Aplastische Anämie (Teams-basierte Online-Konferenz. Bei Interesse Kontaktaufnahme mit Frau Jana Küpper; Tel.: 0241-80-80732; jkuepper@ukaachen.de). Ebenso sollten die Pat. mit PNH im Internationen IPIG-Register und Pat. mit erworbener oder hereditärer AA und anderen Aplastischen Syndromen des Erwachsenenalterns innerhalb des neu etablierten deutschen AABMF-Registers geführt werden. Dies gilt für alle, insbesondere aber die Pat., die mit den neu entwickelten Substanzen behandelt werden. Siehe auch Kapitel 6.2.3.7 und 6.2.3.8.
5 Danicopan ist zugelassen nur in Kombination mit Eculizumab oder Ravulizumab, nicht jedoch mit sonstigen Inhibitoren der terminalen Komplementkaskade

6.2Therapiemodalitäten

6.2.1Supportive Therapie

6.2.1.1Allgemeines

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Therapie der hämolytischen PNH. Bzgl. der Behandlung der aplastischen Anämie mit PNH-Klon siehe insbesondere auch Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie.Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie.

  • Substitution von Erythrozytenkonzentraten (gewaschene Erythrozytenkonzentrate sind nicht notwendig oder sinnvoll). [43].

  • Gabe von Folsäure (1-5 mg/Tag p.o.) und ggf. auch Vitamin B12 (bei einem Mangel) aufgrund der kompensatorisch erheblich gesteigerten Erythropoese im Knochenmark.

  • Orale Substitution von Eisen bei einem Mangel unter Kontrolle der Eisenspeicher (Ferritin, Transferrin-Sättigung, Retikulozytenhämoglobin), eine intravenöse Gabe von Eisen ohne laufende Komplementinhibition sollte vermieden werden, da hierdurch ein hämolytischen Schub ausgelöst werden kann. Im Rahmen einer Komplement-blockierenden Therapie mit Eculizumab oder Ravulizumab wird durch die effektive Hemmung der intravasalen Hämolyse der chronische Eisenverlust durch die Hämoglobinurie bzw. Hämosiderinurie unterbunden. So sollte unter einer Komplement-blockierenden Therapie keine unkontrollierte Eisengabe erfolgen und bei einer möglichen Eisenüberladung (insbesondere bei einem residuellen Transfusionsbedarf) ggf. eine Eisendepletion eingeleitet werden.

    Orale oder ggf. intravenöse Substitution von Eisen bei einem Mangel unter Kontrolle der Eisenspeicher (Ferritin, Transferrin-Sättigung, Retikulozytenhämoglobin). Im Rahmen einer Komplement-blockierenden Therapie wird durch die effektive Hemmung der intravasalen Hämolyse der chronische Eisenverlust durch die Hämoglobinurie bzw. Hämosiderinurie unterbunden. So sollte unter einer Komplement-blockierenden Therapie keine unkontrollierte Eisengabe erfolgen und bei einer möglichen Eisenüberladung (insbesondere bei einem residuellen Transfusionsbedarf) ggf. eine Eisendepletion eingeleitet werden.

  • Bakterielle Infektionen sollten frühzeitig und konsequent antibiotisch therapiert werden, da diese zu Exazerbationen der PNH mit hämolytischen Krisen und den möglichen weiteren Komplikationen führen können [44].

  • Ausreichende Hydratation im Rahmen von krisenhaften Hämolysen.

6.2.1.2Antikoagulation
  • Längerfristige bzw. lebenslange Antikoagulation nach stattgehabter Thrombose. Trotz effektiver Antikoagulation besteht ein Rezidivrisiko für thromboembolische Ereignisse, somit ergibt sich daraus bei den meisten PatientenPat. die Indikation für eine Komplement-blockierende Therapie [45]. Bei diesen Patient*innenPat. kann die Antikoagulation unter laufender Komplementinhibition entsprechend Standardempfehlungen für Thrombosen auch beendet werden [46].

  • Bei PNH- Patient*innenPat., die für eine längere Zeit in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sollte die Einleitung einer Komplement-blockierendenKomplement-inhibierenden Therapie erwogen werden, um das erhöhte Thrombophilierisiko trotz suffizienter Antikoagulation abzuwenden.

  • Therapie von Thrombosen an atypischer Lokalisation wie z. B. ein Budd-Chiari-Syndrom sollte in einem spezialisierten Zentrum erfolgen, ggf. mit lokaler oder systemischer Lysetherapie, Einleitung einer Komplement-blockierenden Therapie [46].

  • Eine primäre prophylaktische Antikoagulation sollte bei Patient*innenPat. erwogen werden, bei denen eine Therapie mit Komplement-blockierenderKomplement-inhibierender Therapie nicht durchgeführt wird.

  • Sowohl Cumarine als auch Heparine können therapeutisch und prophylaktisch eingesetzt werden. Publizierte Daten zum Einsatz von DOAKs liegen nur für sehr kleine PatientengruppenGruppen von Pat. vor, ihr Einsatz vor allem bei gleichzeitiger Gabe von Komplement-Inhibitoren scheint aber auf der Grundlage von Erfahrungen in Zentren zu vergleichbaren Ergebnissen zu führen [4748].

6.2.1.3Immunsuppressive Therapie
  • Eine immunsuppressive Therapie ist zur alleinigen Behandlung der Hämolyseaktivität nicht indiziert.

  • Zur Therapie der aplastischen Anämie siehe Zur Therapie der aplastischen Anämie siehe Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie. Vor Durchführung einer Therapie mit ATG sollte die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Therapie mit Komplement-blockierender Therapie diskutiert werden, da in der Regel aufgrund der bestehenden Aplasie keine Indikation mehr besteht (keine oder nur geringe GPI-defiziente Retikulozyten/Erythrozyten). Bei einem relevanten Anteil an PNH-Retikulozyten/Erythrozyten kann die Komplement-blockierende Therapie fortgesetzt werden, ohne Hinweise auf ein schlechteres Ansprechen Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie. Vor Durchführung einer Therapie mit ATG sollte die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Therapie mit Komplement-blockierender Therapie z. B. Eculizumab diskutiert werden, da in der Regel aufgrund der bestehenden Aplasie keine Indikation mehr besteht (keine oder nur geringe GPI-defiziente Retikulozyten/Erythrozyten). Bei einem relevanten Anteil an PNH-Retikulozyten/Erythrozyten kann die Komplement-blockierende Therapie z. B. mit Eculizumab fortgesetzt werden, ohne Hinweise auf ein schlechteres Ansprechen [49].

6.2.2Kurative Therapie

Der einzige potentiell kurative Therapieansatz bei PNH ist die allogene Stammzelltransplantation. Eine Indikation für eine allogene Stammzelltransplantation ergibt sich bei einer PNH im Kontext einer schweren aplastischen Anämie, wenn aufgrund der aplastischen Anämie alleine bereits eine Transplantationsindikation besteht (siehe Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie).Onkopedia Leitlinie aplastische Anämie).
Komplikationen wie sekundäres KnochmarkversagenKnochenmarkversagen analog dem Vorgehen bei schwerer aplastischer Anämie, Übergang in ein MDS oder eine akute Leukämie sowie rezidivierende thromboembolische Komplikationen trotz Thromboseprophylaxe, Eculizumab- oder Ravulizumabtherapie und Komplementinhibition können mögliche Situationen darstellen aus denen sich eine Indikation zur allogenen Stammzelltransplantation (bei aplastischer Anämie präferenziell mit Knochenmark analog Leitlinie aplastische Anämie) ergibt.

Die allogene Stammzelltransplantation geht weiterhin mit einer erheblichen Transplantations-assoziierten Morbidität und Mortalität einher bedingt durch die hohen Raten an Transplantatabstoßungen insbesondere nach konventioneller Konditionierung, Infektkomplikationen und GVHD (Langzeitüberlebensraten ca. 50%-60%) [5052].

6.2.3Medikamentöse Therapie

Sofern möglich, sollten unbehandelte sowie vorbehandelte PNH-Patient*innenPNH-Pat. in laufende Therapiestudien eingeschlossen werden. Der alleinige Nachweis eines PNH-Klons ergibt noch keine Indikation zur Einleitung einer TherapieKomplement-Inhibition. Häufig finden sich kleine PNH-Klone, wie bei Patient*innenPat. mit Knochenmarkversagen bzw. aplastischer Anämie dargestellt. Relevant für eine den Beginn einer Komplementinhibition ist die klinisch relevante Hämolyse, die sich typischerweise bei ausgedehnteren PNH-Klongrößen findet [40]. Dabei ist zu betonen, dass eine relevante Hämolyse nicht an einem fixen Parameter festzumachen ist, sondern das gesamte Bild aus klinischen und Laborparametern berücksichtigt werden sollte. Der zu erwartende ‚Benefit‘ durch eine Komplement-Inhibition bei PNH in Abhängigkeit von der Klongröße ist unter folgendem Link dargestellt : https://doi.org/10.1182/hematology.2021000245

Der zu erwartende Benefit durch eine Komplement-Inhibition bei PNH in Abhängigkeit von der Klongröße ist unter folgendem Link dargestellt [40]: https://doi.org/10.1182/hematology.2021000245.

Aktuell sind in Europa folgende Komplement-Inhibitoren verfügbar:

Tabelle 5: Übersicht der in Europa verfügbaren Komplement-Inhibitoren 

Komplement-Inhibition

Substanz

Besonderheiten bei der Zulassung

Terminale Komplement-Kaskade

Anti-C5 Agenzien

Crovalimab (Piasky®)

Eculizumab (Soliris®)

Eculizumab Biosimilar (Bekemv®)

Behandlung der hämolytischen PNH

Eculizumab Biosimilar (Epysqli®)

Ravulizumab (Ultomiris®)

Proximale Komplement-Kaskade

Anti-Faktor D

Danicopan (Voydeya®)

Add-on zur Terminalen KI bei EVH

Anti-Faktor B

Iptacopan (Fabhalta®)

Switch bei EVH und Hämolysebehandlung bei PNH

Anti C3

Pegcetacoplan (Aspaveli®)

 

Abbildung 2: Angriffspunkte der aktuell zugelassenen und verfügbaren Komplement-Inhibitoren 
Angriffspunkte der aktuell zugelassenen und verfügbaren Komplement-Inhibitoren

 

6.2.3.1Inhibition der Komplement-Komponente C5 durch Crovalimab, Eculizumab oder Ravulizumab

Eine zielgerichtete Therapiestrategie stellt die Inhibition des terminalen Komplementsystems dar. Die humanisierten monoklonalen Antikörper Eculizumab bzw. Ravulizumab und Crovalimab binden den Komplementfaktor C5, verhindern dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b und blockieren damit die nachfolgende Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9 [5359]. Bei Ravulizumab handelt es sich um eine molekulare Modifikation von Eculizumab. Durch den Austausch im Bereich der variablen Antigenbindungsstelle kommt es zu einer pH-abhängigen Dissoziation von C5 im Endosom. AnderseitsAndererseits kommt es durch den Austausch zweier Aminosäuren in der CH-3 Domäne der schweren Kette zu einer pH-abhängigen Bindung an den neonatalen Fc-Rezeptor. Dadurch kann nach Dissoziation von C5 im Endosom der Antikörper nach extrazellulär recycliert werden [5862]. Dadurch wird eine Verlängerung der klinischen terminalen Halbwertszeit von 11,3 TageTagen für Eculizumab auf 49,7 Tage für Ravulizumab erreicht.

Im Rahmen der Therapie mit Crovalimab ist ein C5-Antikörper, der durch Anheben des isoelektrischen Punktes des Immunkomplexes zu einer vermehrten Aufnahme durch Pinozytose führt. Damit wird die Clearance-Leistung des einzelnen Antikörpermoleküls für das Zielmolekül bei identischem Recycling-Mechanismus über den neonatalen Fc-Rezeptor weiter gesteigert, so dass ein deutlich niedrigerer Spiegel des Antikörpers im Serum der Pat. zu einer suffizienten Effektivität führt. Das Bindungsepitop von Crovalimab ist different gegenüber dem von Eculizumab und Ravulizumab. Daher ist die Substanz auch bei der seltenen Variante an Arg885 im C5-Molekül in der Hämolysebehandlung bei PNH-Pat. wirksam Eculizumab erfolgt die Gabe von 600 mg Eculizumab wöchentlich für 4 Wochen, gefolgt von 900 mg alle 2 Wochen über ca. 30 Minuten mit einer 60-minütigen Nachbeobachtung (siehe Abbildung 2, Anhang Therapieprotokolle[6364] und Fachinformation von Eculizumab).

Die Therapie mit Ravulizumab erfolgt neu mit einer gewichtsabhängigen Dosierung: Zunächst wird eine Aufsättigung mit 2700 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 2400 mg; ≥ 100 kg KG = 3000 mg) und nach 2 Wochen eine Erhaltungstherapie mit 3300 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 3000 mg; ≥ 100 kg KG = 3600 mg) durchgeführt, die dann alle 8 Wochen wiederholt werden muss. Die Rate und Dauer der Infusion wird entsprechend Fachinformation je nach Antiköpermenge angepasst, gefolgt von ein Nachinfusion von 100 ml NaCl zur vollständigen Applikation der gesamten Menge (siehe Im Rahmen der Therapie mit Eculizumab erfolgt die Gabe von 600 mg Eculizumab wöchentlich für 4 Wochen, gefolgt von 900 mg alle 2 Wochen über ca. 30 Minuten mit einer 60-minütigen Nachbeobachtung (siehe Abbildung 3, Anhang Therapieprotokolle und Fachinformation von Ravulizumab)Eculizumab).

Bei Behandlung mit Komplement-Inhibitoren ist eine begleitende Impfung gegen Meningokokken obligatorisch. Nach Empfehlung der ständigen Impfkommission vom 26.08.2021 wird zusätzlich auch eine Impfung gegen den in Mitteleuropa prävalenten Meningokokkenstamm B mit Meningokokken-Gruppe-B-Impfstoff (Besero® oder Trumenba®) empfohlen. Die Therapie mit Ravulizumab erfolgt mit einer gewichtsabhängigen Dosierung: Zunächst wird eine Aufsättigung mit 2700 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 2400 mg; ≥ 100 kg KG = 3000 mg) und nach 2 Wochen eine Erhaltungstherapie mit 3300 mg (≥ 40 bis < 60 kg KG = 3000 mg; ≥ 100 kg KG = 3600 mg) durchgeführt, die dann alle 8 Wochen wiederholt werden muss. Die Rate und Dauer der Infusion wird entsprechend Fachinformation je nach Antiköpermenge angepasst, gefolgt von ein Nachinfusion von 100 ml NaCl zur vollständigen Applikation der gesamten Menge Ravulizumab, die sich im Schlauchsystem befindet (siehe
Bei Neueinstellung mit Eculizumab oder Ravulizumab empfiehlt es sich entgegen ursprünglicher Empfehlung, diese obligatorische Impfung nicht vor der ersten Infusion durchzuführen, da durch die Applikation dieser Impfstoffe die Hämolyse bis hin zu einer hämolytischen Krise und schwerwiegenden Thrombosen verstärkt werden kann . Entsprechend Fachinformation kann eine primäre antibiotische Prophylaxe bis zum Einsatz der Impfung erfolgen (siehe auch Abbildung 24 und , 3Anhang Therapieprotokolle) und Fachinformation von Ravulizumab).

Die Dosierung von Crovalimab ist gewichtsabhängig. Unterschieden wird zwischen Pat. <100 kg und ≥100 kg. Die Initialdosis in Woche 1 (1000 mg bei KG <100 kg und 1.500 kg bei KG ≥ 100 kg) erfolgt am Tag 1 über 60 Minuten intravenös. Zur Verdünnung und Applikation siehe Fachinformation. Am Tag 2 wird die Dosis von 340 mg bereits subkutan verabreicht, ebenso 1x/Woche in den Wochen 2 bis 4. Ab Woche 5 erfolgt bei Pat. <100 kg die Dosis von 680 mg und bei Pat. ≥100 kg von 1020 mg subkutan in vierwöchentlichen Abständen.

Bei Behandlung mit Komplement-Inhibitoren ist eine begleitende Impfung gegen Meningokokken obligatorisch. Nach Empfehlung der ständigen Impfkommission vom 26.08.2021 wird zusätzlich zur A-W-C-Y-Stamm-Impfung auch eine Impfung gegen den in Mitteleuropa prävalenten Meningokokkenstamm B mit Meningokokken-Gruppe-B-Impfstoff (Bexsero® oder Trumenba®) empfohlen.
Bei Neueinstellung mit Komplement-Inhibitoren empfiehlt es sich entgegen ursprünglicher Empfehlung, diese obligatorische Impfung nicht vor, sondern am Tag der ersten Infusion durchzuführen, da durch die Applikation dieser Impfstoffe die Hämolyse bis hin zu einer hämolytischen Krise und schwerwiegenden Thrombosen verstärkt werden kann. Entsprechend Fachinformation kann eine primäre antibiotische Prophylaxe mit einem Antibiotikum (Amoxyclav 825/175 mg) bis zum Einsatz der Impfung erfolgen (siehe auch Abbildung 3 bis 7).

Indikationen:

Eculizumab ist zur Behandlung von symptomatischen Patient*innen mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie vorgesehen ist zur Behandlung von symptomatischen Pat. mit PNH [53]. Das Medikament sollte vor allem bei Komplikationen wie Hämolyse-bedingtem Transfusionsbedarf (hier sollte die Hämolyse- von der Zytopenie-bedingten Anämie unterschieden werden), nach stattgehabten thromboembolischen Ereignissen, PNH-assoziierter Niereninsuffizienz, abdominellen Schmerzkrisen oder anderen schwerwiegenden PNH-bedingten Symptomen . Das Medikament sollte vor allem bei Komplikationen wie Hämolyse-bedingtem Transfusionsbedarf (hier sollte die Hämolyse- von der Zytopenie-bedingten Anämie unterschieden werden), nach stattgehabten thromboembolischen Ereignissen, PNH-assoziierter Niereninsuffizienz, abdominellen Schmerzkrisen oder anderen schwerwiegenden PNH-bedingten Symptomen eingesetzt werden. In einigen Fällen ist die Einschätzung, ob eine symptomatische oder asymptomatische klinische Situation vorliegt, schwierig. Zur Klärung eines solchen Sachverhaltes stehen die Autoren der Leitlinien gern zur Verfügung. Die Therapie mit Eculizumab erfolgt in der Regel als Langzeittherapie, da der zu Grunde liegende Zelldefekt, gemessen an der Klongröße, durch die Verabreichung des Antikörpers nicht ursächlich beeinflusst wird. Zuvor symptomatische Pat. (siehe Kapitel eingesetzt werden. In einigen Fällen ist die Einschätzung, ob eine symptomatische oder asymptomatische klinische Situation vorliegt, schwierig. Zur Klärung eines solchen Sachverhaltes stehen die Autoren der Leitlinien gern zur Verfügung. Die Therapie mit Eculizumab erfolgt in der Regel als Langzeittherapie, da der zu Grunde liegende Zelldefekt, gemessen an der Klongröße, durch die Verabreichung des Antikörpers nicht ursächlich beeinflusst wird. Zuvor symptomatische Patient*innen (siehe Abschnitt 4.1) können von einer Eculizumab-Langzeittherapie durch Reduktion krankheitsassoziierter Symptome und Komplikationen wie renale Funktionsstörungen und pulmonale Hypertonie profitieren, auch das Überleben ist gegenüber einer historischen Kontrollgruppe am gleichen Behandlungszentrum signifikant verbessert ) können von einer Eculizumab-Langzeittherapie durch Reduktion krankheitsassoziierter Symptome und Komplikationen wie renale Funktionsstörungen und pulmonale Hypertonie profitieren. Auch das Überleben ist bei einer Langzeitbeobachtung entsprechend Real-World Daten gegenüber dem Alters- und Geschlechts-angepassten Erwartungswert signifikant verbessert [24]. . Mittlerweile sind neben dem Originalpräparat (Soliris®) zwei Biosimilar-Produkte (Bekemv® von Amgen und Epysqli® von Samsung-Bioepis vertrieben) für Eculizumab bei Nachweis einer vergleichbaren Wirksamkeit zugelassen. Alle drei Präparate sind auch für die gleiche Indikation bei Kindern und Jugendlichen zugelassen.

Abbildung 3: Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab 
Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab

Ravulizumab ist seit 07/2019 ebenfalls zur Therapie der Hämolyse bei erwachsenen und pädiatrischen Pat. mit PNH zugelassen, wenn ein oder mehrere klinische Symptome als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität vorliegt, sowie bei Pat., die klinisch stabil sind, nachdem sie mindestens während der vergangenen 6 Monate mit Eculizumab behandelt wurden (siehe Abbildung 4, Anhang Therapieprotokolle und Fachinformation Ravulizumab). Aufgrund der deutlich längeren Halbwertszeit von Ravulizumab (50 vs. 11 Tage) kann die Erhaltungstherapie nur alle 8 +/- 1 Wochen erfolgen [61].

Ravulizumab ist seit 07/2019 ebenfalls zur Therapie der Hämolyse bei Patient*innen mit PNH zugelassen, wenn ein oder mehrere klinische Symptome als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität vorliegt, sowie bei Patient*innen, die klinisch stabil sind, nachdem sie mindestens während der vergangenen 6 Monate mit Eculizumab behandelt wurden (siehe Abbildung 3, Anhang Therapieprotokolle und Fachinformation Ravulizumab). Aufgrund der deutlich längeren Halbwertszeit von Ravulizumab (50 vs. 11 Tage) muss die Erhaltungstherapie nur alle 8 +/- 1 Wochen erfolgen .

Anwendung von Ravulizumab (siehe auch Fachinformationen):

Abbildung 4: Therapieschema zur Neueinstellung bzw. Umstellung auf Ravulizumab 
Therapieschema zur Neueinstellung bzw. Umstellung auf Ravulizumab
  • Gewichts-abhängige Dosierung

  • Verdünnung 1:1 mit NaCl 0,9%

  • Haltbarkeit: im Kühlschrank 24 Stunden

  • Haltbarkeit bei Raumtemperatur 5 Stunden

  • Intravenöse Infusion mit 0,2 µm Filter über 25 bis 45 Minuten, gefolgt von „Nachspülung“

  • Halbwertszeit 49,7 Tage

  • Erhaltungstherapie alle 8 Wochen ± 7 Tage

Es existieren Keine Daten zur Anwendung bei Schwangeren oder bei Pat. mit höherer Eculizumab-Dosis in der vorausgehenden Therapie.

Crovalimab ist am 22.8.2024 von der EMA zur Therapie der PNH zugelassen worden. Indiziert ist Crovalimab bei Pat. mit symptomatischer Hämolyse und klinischen Symptomen als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität, und bei Pat. die klinisch stabil sind, nachdem sie für mindestens sechs Monate mit einem Komplement C5 Inhibitor behandelt wurden.

Crovalimab kann daher in der Erhaltungsphase mit geringen Volumina subkutan appliziert werden. Dies können betroffene Pat. selbst durchführen. Die Therapieeinleitung erfolgt mit intravenösen Gaben. Für Crovalimab gibt es keine Daten zur Anwendung bei Schwangeren.

Anwendung von Crovalimab (siehe auch Fachinformationen):

  • Gewichts-abhängige Dosierung

    Verfügbar in Röhrchen 1 ml entsprechend 170 mg, 2 ml entsprechend 340 mg

  • Verdünnung 1:1 mit NaCl 0,9%

    Gewichts-abhängige Dosierung

  • Haltbarkeit:

    Tag 1: 1.000 mg i.v. für Körpergewicht 40 bis <100 kg; 1.500 mg für KG ≥100 kg

  • im Kühlschrank 24 Stunden

    Tag 2, Woche 2,3,4: 340 mg s.c. für alle gleichermaßen)

  • bei Raumtemperatur 5 Stunden

    Ab Woche 5: 680 mg s.c. bei KG 40 bis < 100 kg, 1020 mg bei KG ≥ 100 kg

  • Intravenöse Infusion mit 0,2 µm Filter über 25 bis 45 Minuten, gefolgt von „Nachspülung“

    Serumkonzentration zur vollständigen C5 Inhibition: 100 µg/ml

  • Geschätzte Halbwertszeit 4953,71 Tage

  • Erhaltungstherapie alle 8 Wochen ± 7 Tage

    Bioverfügbarkeit nach subkutaner Applikation 83,0 %

  • Keine Daten zur Anwendung bei Schwangeren oder bei Patient*innen mit höherer Eculizumab-Dosis in der vorausgehenden Therapie.

    Verdünnung zur i.v.-Gabe mit 100 oder 200 ml NaCl 0,9%, Rate 500 mg/30 Minuten

  • Bei i.v.-Gabe ist die Anwendung eines in-line Filters empfohlen

  • Haltbarkeit: im Kühlschrank

  • Haltbarkeit bei Raumtemperatur vorübergehend bis zu 20 Stunden unproblematisch

  • Haltbarkeit der zur i.v.-Applikation verdünnten Lösung Temperatur von 2 bis 8°C 4 Stunden

  • Intravenöse Infusion mit 0,2 µm Filter über 25 bis 45 Minuten, gefolgt von „Nachspülung“

Beim Wechsel der Therapie von Eculizumab und Ravulizumab auf Crovalimab ist zu beachten, dass es aufgrund der unterschiedlichen Bindungsepitope zur vorübergehenden Ausbildung von Immunkomplexen (DTDC = drug-target-drug complexes) kommen kann. Diese Immunkomplexe bestehen in unterschiedlicher Größe bei noch vorhandener Präsenz der vorausgehenden Antikörper (Eculizumab/Ravulizumab) mit Maximum im Stadium des Antigen-Antikörper-Äquilibriums etwa ab 1 Woche nach Start Crovalimab gefolgt von einem graduellen Rückgang der Manifestationen [65]. Die Manifestationsorte sind zumeist Haut-Vaskulitiden und seltener Arthralgien. Bei milder Manifestation ist eine vorübergehende Behandlung mit Steroid-haltiger Hautcreme ausreichend. Bei stärkeren Beschwerden auch Steroide systemisch (Prednisolon 20 bis 30 mg).

Die speziell aufgelegte Studie zum Wechsel von Ravulizumab auf Crovalimab unter besonderer Berücksichtigung der Ausbildung und Wirkung der DTDC ist noch nicht abschließend ausgewertet. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass aufgrund der langen Halbwertszeiten beider Substanzen die Beschwerden durch DTDC stärker und länger anhaltend auftreten können.

6.2.3.2Risiken und Probleme unter Inhibition der Komplement-Komponente C5 (Eculizumab, Ravulizumab bzw. Ravulizumab)Crovalimab)
  • Aufgrund der Hemmung der terminalen Komplementstrecke besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit kapselbildenden Bakterien insbesondere Meningokokken [66], entsprechend sollte mit Therapiebeginn eine Meningokokken-Schutzimpfung mit einem tetravalenten Konjugatimpfstoff (Nimenrix, entsprechend sollte mit Therapiebeginn eine Meningokokken-Schutzimpfung erfolgen (siehe Kapitel ® oder Menveo®) durchgeführt werden (Wiederholung der Meningokokkenschutzimpfungen alle 3 Jahre). Eine Impfung vor Therapiebeginn ist aufgrund des Risikos für getriggerte hämolytische Krisen und möglichen Thrombosen problematisch. Es sollte dann mit Therapiebeginn/Impfung eine Prophylaxe mit geeigneten Antibiotika für 2 Wochen erfolgen. Unter einer stabilen Komplementinhibition sollte dann aufgrund deren höherer Immunogenität die Impfung gegen die häufigeren B-Stämme erfolgen (Trumenba® oder Bexsero®6.2.3.6, siehe auch Anhang Therapieprotokoll). Eine Überwachung der Hämolyseparameter innerhalb von 2 Wochen nach jeder Impfung erscheint somit auch sinnvoll. ).

  • Bei Hinweisen auf eine akute Meningokokken-Infektion (insbesondere Fieber, aber auch Kopfschmerzen u. a. mit Übelkeit oder Erbrechen, Nackensteifigkeit, Hautausschlag, Verwirrtheitszustand) umgehende ärztliche Abklärung im Rahmen des Risikoplans (Notfallausweis!). Weiterhin ist eine Stand-by-Therapie mit 750 mg Ciprofloxacin oder Amoxicillin/Clavulansäure bei Hinweisen auf eine Meningokokken-Infektion (plötzliches Fieber, Vigilanzstörungen, Kreislaufinsuffizienz etc.) sinnvoll.

  • Unter Therapie mit Eculizumab/RavulizumabEculizumab/Ravulizumab/Crovalimab sollten insbesondere regelmäßige Kontrolle des Blutbildes, Retikulozyten, Hämolyseparameter (insbesondere LDH und Bilirubin), Eisenparameter (insbesondere Ferritin), PNH-Klongröße, Folsäure, Vitamin B12 und monospezifischer Coombs-Test zum Nachweis von Komponenten des Komplementfaktors C3 auf der Erythrozytenoberfläche als Hinweis auf eine extravasale Hämolyse erfolgen [67].

  • Klinische relevante Durchbruchhämolysen sind durch einen relevanten Anstieg des LDH-Wertes und klinische Symptome gekennzeichnet. Diese können aufgrund einer Unterdosierung (pharmakokinetisch) oder durch komplementverstärkende Faktoren/Umstände (pharmakodynamisch; z. B. Infektionen, Schwangerschaft) bedingt sein. (siehe Kapitel 6.2.3.8).

  • Bei Hinweisen auf Durchbruchhämolysen sollte unter Eculizumab vorgezogen kurzfristig eine erneute Gabe der anstehenden Therapiedosis erfolgen. Längerfristig kann eine Anpassung der Eculizumab-Dosis durch Verkürzung des Zeitintervalls auf 12 Tage durchgeführte werden . Alternativ kann eine Erhöhung der Dosis auf 1200 mg Eculizumab alle 14±2 Tage versucht werden.

    Bei einer gleichzeitigen Gabe von Hyperimmunglobulinen kann es sowohl bei Eculizumab und Ravulizumab durch den induzierten Hyperkatabolismus zu einem Abfall der therapeutischen Antikörperspiegel kommen und damit zu einer Durchbruchhämolyse. Die betroffenen Pat. sollten daher engmaschig überwacht werden hinsichtlich eines Durchbruchs bzw. eine zusätzliche Dosis von Eculizumab bzw. Ravulizumab erhalten.

  • In den vorliegenden klinischen Studien hat die Behandlung mit Ravulizumab eine vorteilhaftere Pharmakokinetik sowie einen Trend zu weniger Durchbruchhämolysen ergeben. Somit ist eine primäre Einstellung auf Ravulizumab bzw. Umstellung der Patient*innen von Eculizumab auf Ravulizumab möglich.

    Bei einem etwaigen Abbruch/Beendigung der Therapie mit Eculizumab bzw. Ravulizumab sollten engmaschige Kontrollen von Blutbild und Hämolyseparametern zur Früherkennung etwaiger schwerwiegender Hämolysen oder Hämolyse-assoziierter Komplikationen erfolgen [68].

  • Bei Patient*innen, die mit Ravulizumab eingestellt sind, kann die Erhaltungstherapiedosis ab der zweiten Gabe nach Aufsättigung um jeweils 7 Tage nach vorn oder hinten geschoben werden. Damit sind auch Durchbruchhämolysen, die zum Ende der Acht-Wochenfrist auftreten, aufzufangen [37,38]. Im Hinblick auf eine Erhöhung der Einzeldosis gibt es aktuell keine Erfahrungen.

  • Elektive Operationen sollten direkt nach der letzten Gabe der Therapeutika geplant werden. Bei klinisch relevanten Durchbruchhämolysen sollte zunächst eine konsequente Unterbindung auslösender Faktoren wie Infektionen etc. erwogen werden. Zusätzliche Gaben der Komplement-Inhibitoren sind für Eculizumab belegt worden [42]. Unabhängig hiervon sollte perioperativ eine Thromboseprophylaxe z. B. durch ein niedermolekulares Heparin erfolgen.

  • Bei einer gleichzeitigen Gabe von Hyperimmunglobulinen kann es sowohl bei Eculizumab und Ravulizumab durch den induzierten Hyperkatabolismus zu einem Abfall der therapeutischen Antikörperspiegeln kommen und damit zu einer Durchbruchhämolyse. Die betroffenen Patient*innen sollten daher engmaschig überwacht werden hinsichtlich eines Durchbruchs bzw. eine zusätzliche Dosis von Eculizumab bzw. Ravulizumab erhalten.

  • Bei einem etwaigen Abbruch/Beendigung der Therapie mit Eculizumab bzw. Ravulizumab sollten engmaschige Kontrollen von Blutbild und Hämolyseparameter zur Früherkennung etwaiger schwerwiegender Hämolysen oder Hämolyse-assoziierter Komplikationen erfolgen [37].

6.2.3.3Beurteilung des Therapieansprechens auf die C5-Inhibitoren

Die Anti-C5-Antikörper Eculizumab, Ravulizumab und RavulizumabCrovalimab können aufgrund ihres Wirkmechanismus nur die intravasale Hämolyse der PNH beeinflussen. Die extravasale Hämolyse entsteht erst unter Therapie mit C5-Inhibitoren und bleibt demnach unbeeinflusst und bestimmt neben anderen Faktoren (Schwere des begleitenden Knochenmarkversagens, CR1-Polymorphismus etc.) das klinische Ansprechen unter diesen Therapien. Die Beurteilung des Ansprechens unter KomplementinhibitionC5-Komplementinhibition kann beurteilt werden anhand des Transfusionsbedarfs, des LDH-, des Hämoglobin-Wertes sowie der Retikulozytenzahl (Absolutwert) [67]. Das hämatologische Therapieansprechen bei PNH- Patient*innen wurde seitens der EBMT erarbeitet und sollte die Grundlage der Beurteilung sowohl des individuellen Ansprechens vor Therapieumstellung als auch der Maßstab innerhalb von klinischen Studien sein. . Das hämatologische Therapieansprechen bei PNH-Pat. wurde seitens der severe aplastic anemia working party (SAAWP) der EBMT erarbeitet und sollte die Grundlage der Beurteilung sowohl des individuellen Ansprechens vor möglicher Therapieumstellung als auch der Maßstab innerhalb von klinischen Studien sein.

Tabelle 6: Mögliche Klassifikation des hämatologischen Ansprechens unter Anti-Komplement-Therapie bei PNH 

Ansprechen

Transfusionsbedarf

Hämoglobin

LDH*

Retikulozyten

Vollständiges Ansprechen

Kein

≥12 g/dl

≤1,5x ULN

und ≤150/nl

Sehr gutes Ansprechen

Kein

≥12 g/dl

>1,5x ULN

oder >150/nl

Gutes Ansprechen

Kein

≥10 g/dl - <12 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Partielles Ansprechen

Kein/gelegentlich

(≤2 Eks alle 6 Monate)

≥8 g/dl - <10 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Geringfügiges Ansprechen^

Kein/gelegentlich

(≤2 Eks alle 6 Monate)

<8 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

Regelmäßig

(3-4 alle 6 Monate)

<10 g/dl

Reduktion um ≥50%

<10 g/dl

Kein Ansprechen^

Regelmäßig

(>6 alle 6 Monate)

<10 g/dl

A. ≤1,5x ULN
B. >1,5x ULN

Ausschluss AA/BMF°

ULN=Obergrenze des Normalbereichs, AA=Aplastische Anämie, BMF=Knochenmarkversagenssyndrom
*A. und B. sind Untergruppen ohne oder mit relevanter intravasaler Hämolyse
°Insbesondere bei Retikulozyten unter 60/nl wird eine Knochenmarkdiagnostik empfohlen
^Für PatientenPat., die die Transfusion von EKs ablehnen gilt: Geringfügiges Ansprechen: Hämoglobin ≥6 g/dl – <8 g/dl, kein Ansprechen: Hämoglobin <6 g/dl
Zur Beurteilung sollte von Hämoglobin, LDH und Retikulozyten der Medianwert über 6 Monate beurteilt werden
6.2.3.4Einsatz von Inhibitoren der Komplement-Komponente C3 bzw. seiner AmplifikatorenExtravasale Hämolyse unter terminaler Komplement-Inhibition

Unter der Blockade mit C5-Inhibitoren kommt es bei einem Anteil über 60% der Patient*innen zu einer fortbestehenden Anämie. Etwa ein Drittel der Patient*innen bedürfen unter laufender Therapie weiterhin Transfusionen . Bei einigen dieser Patient*innen liegt eine begleitende Knochenmarkinsuffizienz vor, so dass nicht ausreichend Erythrozyten gebildet werden. Je ausgeprägter eine solche Markinsuffizienz ist, desto geringer sind auch die Aussichten, die Anämie durch Komplement-Blockade zu verbessern .

Nach Einführung der terminalen Komplement-Inhibition zur Behandlung der symptomatischen hämolytischen PNH konnte eine signifikante Verbesserung des Überlebens der Pat. erreicht werden. Ein wesentlicher Grund für diese Verbesserung ist der günstige Effekt auf die abnorme Thrombophilie, die sich bei vielen Pat. auch Lebens-terminierend auswirkt. Unter effektiver terminaler Komplement-Inhibition kommt es bei den Pat. zu einer Verlagerung der Hämolyse von intravasal nach extravasal. Diese extravasale Hämolyse (EVH) kann bei einem Teil der Pat. klinisch relevant werden und eine Umstellung (oder Hinzunahme) auf einen (eines) proximalen Komplementinhibitors erforderlich machen.

Bei vielen dieser Patient*innen mit fortbestehender Anämie liegt jedoch als Grundlage eine signifikante extravasale Hämolyse vor Der Hintergrund für diese Verlagerung ist die Anreicherung von Produkten der proximalen Kaskade auf den GPI-defizienten – aber durch C5-Inhibition geschützten – Erythrozyten, denen das CD59-Molekül als terminaler Komplement-Regulator sowie das CD55-Molekül zur Regulation der proximalen Kaskade fehlt. Unter dem medikamentösen Einsatz der terminalen Komplement-Inhibitoren finden sich Produkte von C3 als C3d und C3c auf der Oberfläche der defekten Erythrozyten. Damit kann die Opsonisierung und Beseitigung dieser Zellen durch Makrophagen erfolgen, die die dazu gehörigen Komplement-Rezeptoren exprimieren und vor allem in der Leber (Kupffer-Zellen) lokalisiert sind [6970]. Weil die frühen Komponenten der Komplement-Kaskade durch die C5-Inhibitoren nicht geblockt werden, finden sich Produkte von C3 als C3d und C3c auf der Oberfläche der defekten Erythrozyten. Damit kann die Opsonisierung und Beseitigung dieser Zellen durch Makrophagen erfolgen, die die dazu gehörigen Komplement-Rezeptoren exprimieren und vor allem in der Leber (Kupffer-Zellen) lokalisiert sind. Im Gegensatz zur intravasalen Hämolyse findet dieser Prozess weitgehend außerhalb der Gefäße statt. . Im Gegensatz zur intravasalen Hämolyse (IVH) findet dieser Prozess weitgehend außerhalb der Gefäße statt.

In den zurückliegenden Jahren wurden einige Inhibitoren von C3 bzw. seines Amplifikationsweges entwickelt. Die augenblicklich am weitesten entwickelte Substanz ist Pegcetacoplan, ein direkter Inhibitor von C3 und C3b, welches zusammen mit dem Fragment Bb und Properdin die C5-Konvertase aus dem alternativen Komplement-Weg bildet. In einer Phase III Studie konnte bei den PNH- Patient*innen mit Hämolysezeichen gemessen an einer signifikanten Retikulozytose, die unter Therapie mit Eculizumab weiterhin anämisch (Hämoglobin < 10,5 g/dl) geblieben sind, die klare Überlegenheit von Pegcetacoplan im Vergleich zu Eculizumab in der Verbesserung der Anämie, der Transfusionsfreiheit und auch hinsichtlich der Lebensqualität der Patient*innen gezeigt werden Eine signifikante EVH führt bei etwa einem Drittel der Pat. zu ausgeprägten Symptomen wie persistierende Anämie bis hin zur persistierenden Transfusionspflichtigkeit, Retikulozytose und einer offensichtlich damit verbundenen signifikanten Einschränkung des Allgemeinzustandes mit ausgeprägter Fatigue [40]. . Bei der Betrachtung der persistierenden Anämie unter terminaler Komplement-Inhibition sind eine Markinsuffizienz sowie auch Effekte möglicher persistierender Durchbruchhämolysen abzugrenzen. Begünstigende Faktoren für den Grad der Ausprägung bei den Trägern die Merkmale der extravasalen Hämolyse sind Varianten im Genom des Komplement-Rezeptors 1 (CR1) auf den Erythrozyten sowie der Komplement-Komponente 3 (C3) [71]. Insgesamt muss jedoch festgehalten werden, dass es sich bei der Ausprägung der Manifestation der extravasalen Hämolyse um eher quantitative Unterschiede handelt. Minimale EVH unter terminaler Komplement-Inhibition kann auch unterhalb des Detektionslevels stattfinden. So können auch bei wenig symptomatischen Pat. unter terminaler Komplement-Inhibition die Produkte C3c und C3d in niedrigerer Dichte durchflusszytometrisch festgestellt werden.

Mittlerweile hat die EMA Pegcetacoplan zugelassen für die Patient*innen, die unter C5-Blockade für mindestens drei Monate eine symptomatische Anämie aufweisen, die auf dem Boden einer extravasalen Hämolyse entstanden ist. Kriterien für die Identifikation einer extravasalen Hämolyse unter aktiver C5-Blockade sind eine sichtbare Retikulozytose (> 100 Gpt/l), einer nur leicht erhöhten LDH (≤ 1,5 facher oberer Normwert), sowie einer Erhöhung des Bilirubins (indirektes Bilrubin) [40]. Dabei sollte eine neu aufgetretene Knochenmarkinsuffizienz jedoch ausgeschlossen werden.

Vor Einleitung der Therapie mit Pegcetacoplan muss der Impfstatus der Patient*innen geprüft werden. Eine Impfung gegen kapselbildende Bakterien (siehe oben), Meningokokken (sowohl tetravalenter Impfstoff gegen die Bakterienstämme A, C, W und Y, als auch gegen Stamm B) als auch gegen Pneumokokken (Konjugatimpfstoff PCV-13 gefolgt im Abstand von 6 bis 12 Wochen mit Polysaccharid-Impfstoff PPSV-23; z.B. als Prevenar-13 und Pneumovax) und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) ist vor Umstellung obligat. Das entspricht auch den Empfehlungen der AGIHO [43]. Ist die Indikation für die Umstellung der Therapie von einem C5-Inhibitor auf Pegcetacoplan gegeben, erfolgt die Therapieeinleitung als sogenannte vierwöchentliche „run-in Phase“ [41]. Dabei werden die C5-Inhibitoren zusammen mit Pegcetacoplan für vier Wochen wie in der Pegasus-Studie koappliziert. Bei den Patient*innen sind es zwei weitere Gaben von Eculizumab für jeweils zwei Wochen, bei Ravulizumab sind es die letzten vier Wochen des letzten Behandlungsintervalls. Die Dosierung von Pegcetacoplan beträgt 1080 mg. Diese Dosis wird in einem Volumen von 20 ml per Pumpe subkutan appliziert [41,42]. Die Substanz wird in Europa von der schwedischen Firma Sobi vermarktet. Aktuell ist eine App zur Steuerung der Therapie und zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Patient*in und spezialisiertem Behandler in Entwicklung, die auch bei weiteren Anreisestrecken die praktische Anwendung erleichtert. Die Verfügbarkeit im Handel soll im ersten Quartal 2022 starten.

6.2.3.5Management von Durchbruchhämolysen (‚break through hemolysis, BTH‘) unter der proximalen Komplement-InhibitionInhibitoren der proximalen Komplement-Kaskade

Wie in der Publikation einer Stellungnahme von Rotoli und Luzzatto Eine kürzlich zugelassene Substanz ist Danicopan. Danicopan ist ein kleines Molekül mit hoher Affinität zu Faktor D aus dem Amplifikationsweg der proximalen Komplement-Kaskade. Als Inhibitor von Faktor D wird Danicopan als Zusatz (add-on) oral zur laufenden Therapie mit den C5-Inhibitoren Eculizumab oder Ravulizumab verabreicht. Bei einem Pat.-Kollektiv, die unter der terminalen Inhibition weiterhin nur einen Hämoglobinwert von unter kleiner oder gleich 9,5 g/dl erreichten, dazu eine signifikante Retikulozytose aufwiesen, hat diese zusätzliche Gabe zu einer signifikanten Verbesserung des Hämoglobinwertes und der Transfusionsfreiheit geführt [7274] angeführt, kann unter proximaler im Vergleich zur terminalen Komplement-Inhibition zur Behandlung der hämolytischen PNH der Schweregrad einer klinisch relevanten BTH (‚break through hemolysis‘) deutlich verstärkt sein. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich zwei Gründe. Zum einen ist bei Patienten unter proximaler Komplement-Inhibition eine signifikante Größenzunahme des Anteils GPI-defizienter Erythrozyten bis auf Werte von > 90% zu beobachten. Dies ist Ausdruck der Therapieeffizienz, weil die Reduktion der extravasalen Hämolyse sowie die effektive Blockade der intravasalen Hämolyse eine deutlich verlängerte Lebenszeit dieser Zellen nach sich zieht. Zum anderen führt eine unvollständige Inhibition des proximalen Anteils der Komplement-Kaskade, also bei einem Durchbruch, durch die Aktivität der C5-Konvertase zu einer Amplifikation der Ausbildung des Membran-Angriffskomplexes. Somit zieht eine Lücke der Inhibition von C3 im Sinne einer inkompletten Blockade eine erhebliche Verstärkung der intravasalen Hämolyse-Aktivität nach sich. Solche eindrücklich ablaufenden Durchbruchhämolyse-Konstellationen mit LDH Werten deutlich > 10 x ULN sind mittlerweile wiederholt beschrieben worden. Potenzielle Auslöser solcher BTHs sind oft Komplement-aktivierende Konstellationen wie Infektionen.. Ebenso war unter der kombinierten Behandlung auch eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustandes und der Fatigue zu verzeichnen. Aufgrund des hohen molekularen Umsatzes von Faktor D im Blutplasma ist eine dreimal tägliche Einnahme des oralen Danicopan erforderlich. Danicopan ist seit dem 23.04.2024 zur Behandlung von PNH-Pat. als add-on zu Eculizumab und Ravulizumab zugelassen, die unter terminaler Komplement-Inhibition eine residuale hämolytische Anämie aufweisen.

  • In den durchgeführten klinischen Studien hat sich für die Pat. ein hoher Gewinn an Lebensqualität ergeben.

  • Durch die fortgeführte Therapie mit dem terminalen Inhibitor (Eculizumab oder Ravulizumab) ist diese Therapievariante im Hinblick auf potenzielle Durchbruchhämolysen relativ sicher. Das heißt, dass selbst bei Unregelmäßigkeiten der oralen Einnahme von Danicopan keine schweren Durchbruchhämolysen zu erwarten sind.

  • Regelmäßige Einnahme von Danicopan dreimal pro Tag verlangt viel Einsatz der Pat..

  • Die fortbestehende Retikulozytose ohne komplette mittlere Normalisierung in der Alpha-Studie lässt insgesamt einen nicht vollständigen Effekt auf die extravasale Hämolyse bei den Pat. vermuten. Gleiches gilt für die nicht vollständige Regression der C3d-Beladung auf den GPI-defizienten Erythrozyten.

  • Danicopan ist als 50 mg und als 100 mg Filmtablette verfügbar

  • Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 150 mg 3 x täglich im Abstand von je 8 Stunden

  • Je nach klinischem Ansprechen kann die Dosis auf 200 mg 3 x täglich erhöht werden (diese Dosiserhöhung erfolgte im Rahmen der Alpha-Studie bei etwa 70% der Pat.)

  • Danicopan ist ein BCRP-Inhibitor (Breast Cancer Resistance Protein), somit kommt es bei der gleichzeitigen Gabe von BRCP-Substraten wie Rosuvastatin und Sulfasalazin zu Medikamenteninteraktionen. Ebenso interagieren p-gp (P-Glycoprotein)-Substrate wie Fexofenadin, Edoxaban Digoxin, Dabigatran.

  • Bei Pat. mit leichter Nierenfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich

  • Bei GFR < 30 ml/min/1.73 m2 sollte die Anfangsdosis auf 100 mg 3x täglich und die gesteigerte Dosis auf 150 mg 3x täglich reduziert werden.

  • Bei klinisch signifikantem Anstieg der ALT empfiehlt sich eine schrittweise Reduktion der erreichten Dosis 2x täglich für 3 Tage bzw.1x täglich für 3 Tage. Bei weiter bestehendem Anstieg bzw. klinischer Symptomatik ist eine Beendigung der Therapie zu erwägen.

Um schwerwiegende Komplikationen wie die mögliche Ausbildung von Thrombosen oder Nierenversagen zu verhindern, bedarf es unbedingt einer frühzeitigen Diagnose der Durchbruchhämolyse. Die wichtigste Maßnahme im Hinblick auf eine rechtzeitige Intervention ist die Schulung der Patienten. Insbesondere Patienten, die bereits BTHs unter C5-Inhibitoren erlebt haben, müssen über die Möglichkeit einer deutlich relevanteren BTH aufgeklärt werden. Die klinische Symptomatik kann Hämoglobinurie, Bauchschmerzen, Atemnot sowie die geschilderten PNH-typischen Symptome beinhalten. Kriterien im Labor sind durch einen Abfall des Hämoglobins um mehr als 2g/dl sowie einer signifikanten LDH-Erhöhung von mindestens mehr als dem Zweifachen des oberen Normwertes gekennzeichnet. Wichtig ist für den betroffenen Patienten die rasche und rechtzeitige ärztliche Vorstellung, um die Durchbruchhämolyse schnell erfassen und behandeln zu können. Ebenso sollte im Falle einer bestehenden Infektion diese unmittelbar und empirisch behandelt werden. Eine Beratung durch ein spezialisiertes Zentrum sollte ebenfalls in Anspruch genommen werden. Eine adaptierte Antikoagulation während der hämolytischen Krise sollte insbesondere bei den Patienten mit thrombophiler Vorgeschichte erfolgen. Komplikationen wie Thrombosen, schweres Nierenversagen oder lebensbedrohlicher Hämoglobinabfall geben in der Behandlung keine Zeit, positive Therapieeffekte abzuwarten. In einer solch schweren Komplikationslage sollte neben einer großzügigen Transfusion auch ein Wechsel bzw. eine Ergänzung durch einen terminalen Inhibitor erwogen werden.

Iptacopan als kleines Molekül, welches das aktive Zentrum der Serin-Protease Faktor B aus dem Amplifikationsweg der proximalen Komplement-Kaskade bindet und inhibiert, kann durch orale Einnahme eine ausreichende Bioverfügbarkeit erreichen. Iptacopan wurde ursprünglich auch als orales add-on in die klinischen Studien zur Behandlung der extravasalen Hämolyse eingeführt. Aufgrund der Pharmakokinetik von Iptacopan und der sehr vorteilhaften Pharmakokinetik wurde die Phase III Zulassungsstudie APPLY ohne die gleichzeitige Gabe des terminalen Inhibitors konzipiert. Dabei wurden die Pat. mit einer fortbestehenden Anämie unter terminaler Komplementinhibition mit einem Hämoglobinwert unter 10,0 g/dl und einer signifikanten Retikulozytose eingeschlossen. Auch hier hatte sich eine signifikante Verbesserung der Hämoglobinwerte sowie ein Abfall der Retikulozyten im Mittel in den Normbereich ergeben. Ebenso konnte verzeichnet werden, dass der Anteil der GPI-defizienten Erythrozyten sich dem der Neutrophilen und Monozyten angeglichen hat, was aussagt, dass die fortbestehende Hämolyse kontrolliert ist. Ebenso ist die nahezu Normalisierung der Fatigue-Werte nach dem Wechsel auf Iptacopan herauszuheben. Iptacopan ist auch zur Behandlung Therapie naiver PNH-Pat. zugelassen (siehe Kapitel 6.2.3.7)

Bei anhaltender Erhöhung der LDH von mehr als dem Doppelten des oberen Normwertes (Bestimmung der LDH zweimal pro Woche für mindestens 4 Wochen erforderlich) als Ausdruck einer persistierenden subklinischen Durchbruchhämolyse ist auch ohne bestehende klinische Symptomatik eine unter Pegcetacoplan Dosisanpassung von 1080 mg zweimal pro Woche auf dreimal pro Woche nach Fachinformation von Pegcetacoplan vom 19.05.2022 vorgesehen. Bei rezidivierenden symptomatischen Durchbruchhämolysen trotz Dosisanpassung und ohne erkennbare Auslöser wie Infektionen sowie zusätzlich anamnestisch vorbestehenden Durchbruchhämolysen wäre auch bei der Dauerbehandlung ein Wechsel auf einen terminalen Komplement-Inhibitor zu erwägen. Da eine individuelle Serumkonzentrationstimmung für Pegcetacoplan sowie indirekte Parameter wie die Bestimmung von C5-9 Komplexen im Plasma nicht allgemein verfügbar sind, sollte hier vor allem im Sinne der Patientensicherheit gehandelt werden.

Iptacopan ist seit dem 01.06.2024 durch die EMA für die Behandlung der hämolytischen PNH zugelassen.

  • In allen durchgeführten klinischen Studien ergibt sich für die Pat. nach dem Wechsel von der terminalen komplement-Inhibition ein hoher Gewinn an Lebensqualität innerhalb der Beobachtungszeiträume.

  • Die unter Therapie mit Iptacopan vollständige Normalisierung der mittleren Retikulozytenzahlen sowie die Angleichung des Anteils der GPI-defizienten Erythrozyten an den der Neutrophilen und Monozyten demonstriert die effektive Suppression der Hämolyse.

  • Gerade im Hinblick auf den teils dramatischen Anstieg der GPI-defizienten Erythrozyten ergibt sich die Notwenigkeit einer hohen Adhärenz und Compliance der Pat.für die regelmäßige Einnahme des Medikamentes.

  • In den durchgeführten klinischen Studien sind bislang nur wenig Durchbruchhämolysen berichtet worden [75](11 Ereignisse/100 Pat.-Jahre in der APPLY Studie, 5.2 Ereignisse/100 Pat.-Jahre in der APPOINT Studie) . Diese wurden in vier Fällen als mild, in fünf Fällen als moderat ausgeprägt und ein einem Fall als schwer (im Rahmen einer schweren Corona-Infektion) beschrieben

  • Bei Beschränkung auf die proximale Seite der Komplement-Inhibition mittels Iptacopan bedarf es einer besonderen Adhärenz und Compliance der PNH- Pat., um schwere Durchbruchhämolysen bedingt durch fehlerhafte Medikamenteneinnahme zu vermeiden.

  • Das signifikante Absinken der mittleren Werte für die Retikulozyten auf Normalwerte innerhalb der klinischen Studien weist auf eine vollständig erreichte Suppression der Hämolyse hin.

  • Iptacopan ist als 200 mg Kapsel verfügbar, die zweimal täglich im Abstand von 12 Stunden eingenommen wird.

  • Bei Pat., die von Eculizumab zu Iptacopan wechseln, sollte die Behandlung mit Iptacopan nicht später als 1 Woche nach der letzten Eculizumab-Dosis eingeleitet werden.

  • Bei Pat., die von Ravulizumab zu Iptacopan wechseln, sollte die Behandlung mit Iptacopan nicht später als 6 Wochen, besser aber 4 Wochen nach der letzten Ravulizumab-Dosis eingeleitet werden.

  • Bei leichter bis mittelschwerer Funktionsstörung der Leber und Niere ist keine Anpassung der Dosis erforderlich. Zur Einnahme bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Dialyse) bzw. Leberfunktionsstörung liegen aktuell keine Daten vor.

  • Die gleichzeitige Anwendung von Iptacopan mit starken Induktoren von CYP2C8, UGT1A1, PgP, BCRP und OATP1B1/3 wurde nicht klinisch untersucht. Daher wird die gleichzeitige Anwendung wegen der Möglichkeit einer verringerten Wirksamkeit von Iptacopan nicht empfohlen.

  • In vitro-Daten zeigten, dass Iptacopan das Potenzial für eine zeitabhängige Hemmung von CYP2C8 hat und die Exposition empfindlicher CYP2C8-Substrate, wie Repaglinid, Dasabuvir oder Paclitaxel, erhöhen kann. Die gleichzeitige Anwendung von Iptacopan und empfindlichen CYP2C8-Substraten wurde nicht klinisch untersucht. Vorsicht ist geboten, wenn die gleichzeitige Anwendung von Iptacopan mit empfindlichen CYP2C8-Substraten erforderlich ist.

  • Bei gleichzeitiger Anwendung mit Clopidogrel (einem moderaten CYP2C8-Inhibitor) stiegen die Cmax und die AUC von Iptacopan um 5 % bzw. 36 % an. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Cyclosporin (einem starken OATP1B1/1B3-Inhibitor und einem PgP- und BCRP-Inhibitor) wurde ein Anstieg der Cmax und der AUC von Iptacopan um 41 % bzw. 50 % beobachtet. In Gegenwart von Iptacopan stieg die Cmax von Digoxin (einem P-gp-Substrat) um 8 % an, während die AUC unverändert blieb. Die Cmax und AUC von Rosuvastatin (einem OATP-Substrat) veränderten sich in Gegenwart von Iptacopan nicht.

  • Bei oraler Verabreichung werden etwa 2 Stunden nach Gabe Iptacopan-Spitzenkonzentrationen im Plasma erreicht. Bei Anwendung des empfohlenen Dosierungsschemas von 200 mg zweimal täglich stellt sich innerhalb von ungefähr 5 Tagen der Steady-State ein, wobei die Akkumulation gering ist (1,4-fach). Die Pharmakokinetik von Iptacopan ist durch eine geringe bis mäßige inter- und intraindividuelle Variabilität gekennzeichnet.

  • Die Halbwertszeit (t½) von Iptacopan beträgt nach Gabe von 200 mg Iptacopan zweimal täglich im Steady-State ungefähr 25 Stunden.

  • Ein Wechsel bei signifikanter extravasaler Hämolyse unter Eculizumab oder Ravulizumab erfolgt am besten in der Mitte des letzten Dosierungsintervalls (siehe oben), also eine Woche nach letzter Eculizumab- und 4 Wochen nach letzter Ravulizumab-Gabe.

Die bereits am längsten zugelassene Substanz aus der Reihe der proximalen Komplement-Inhibitoren ist Pegcetacoplan, ein direkter Inhibitor von C3 und C3b, welches zusammen mit dem Fragment Bb und Properdin die C5-Konvertase aus dem alternativen Komplement-Weg bildet. In einer Phase III Studie konnte bei den PNH-Pat. mit fortbestehender Anämie (Hämoglobin < 10,5 g/dl) unter Therapie mit Eculizumab sowie einer signifikanten Retikulozytose die Überlegenheit von Pegcetacoplan im Vergleich zu Eculizumab in der Verbesserung der Anämie, der Transfusionsfreiheit und auch hinsichtlich der Lebensqualität der Pat. gezeigt werden [7679]. Pegcetacoplan ist seit Dezember 2021 zugelassen für die Pat., die unter C5-Blockade für mindestens drei Monate eine symptomatische Anämie aufweisen, die auf dem Boden einer extravasalen Hämolyse entstanden ist. Dabei sollte eine neu aufgetretene Knochenmarkinsuffizienz jedoch ausgeschlossen werden. Inzwischen wurde die Zulassung erweitert auf Therapie naive Pat. (siehe Kapitel 6.2.3.7)

Die Therapieeinleitung erfolgt innerhalb der sogenannten vierwöchentlichen „run-in Phase“ [79]. Dabei werden die C5-Inhibitoren mit Pegcetacoplan für vier Wochen wie in der Pegasus-Studie überlappend gegeben. Bei den Pat. sind es zwei weitere Gaben von Eculizumab für jeweils zwei Wochen, bei Ravulizumab sind es die letzten vier Wochen des letzten Behandlungsintervalls. Die Dosierung von Pegcetacoplan beträgt 1080 mg. Diese Dosis wird in einem Volumen von 20 ml per Pumpe subkutan appliziert.

  • Als pegyliertes Polypeptid muss die Substanz parenteral appliziert werden und ist für subkutane Gaben entwickelt worden. Die Einzeldosis beträgt 1.080 mg, gelöst in 20 ml Flüssigkeit. Das Volumen wird per Pumpe über 30 Minuten subkutan appliziert. Zur Anwendungshilfe ist ein Video im Netz verfügbar (Aspaveli® Anwendungsvideo | Sobi Österreich). In den USA ist bereits die Applikation des Medikamentes über das Enfuse-System zugelassen, wodurch sich die Applikation deutlich vereinfacht. In Europa steht diese Applikationsform noch aus.

  • Die Gabe des Medikamentes ist durch die Pat. selbst möglich. Um hier eine Kontinuität und Sicherheit zu erreichen, ist jedoch eine hohe Adhärenz und Zuverlässigkeit der Pat. erforderlich.

  • Nach dem Wechsel vom Inhibitor der terminalen Komplement-Kaskade auf Pegcetacoplan ist in den für die Zulassung des Medikamentes relevanten klinischen Studien ein signifikanter Gewinn an Lebensqualität erreicht worden.

  • In der Zulassungsstudie Pegasus ist das Auftreten von Durchbruchhämolysen bei einigen Pat. gesehen worden, die deshalb die Teilnahme an der Studie protokollgemäß beendet haben. Substanzklassen-bedingt können die Durchbruchhämolysen bei der proximalen Inhibition intensiver ausfallen. Der rationale Umgang zur Behandlung und Vermeidung von Durchbruchhämolysen ist kürzlich publiziert worden (siehe Kapitel 6.2.3.8).

  • Pegcetacoplan ist in 20 ml Durchstechflaschen à 1.080 mg verfügbar. Jede Durchstechflasche enthält auch 820 mg Sorbitol.

  • Pegcetacoplan wird zweimal wöchentlich als subkutane Infusion von 1.080 mg verabreicht. Die zweimal wöchentliche Dosis muss an Tag 1 und Tag 4 jeder Behandlungswoche appliziert werden.

  • In den ersten 4 Wochen wird Pegcetacoplan bei Umstellung vom terminalen Komplement-Inhibitor als zweimal wöchentliche subkutane Dosen von 1.080 mg zusätzlich zur aktuellen Dosis des C5-Inhibitors an Pat. verabreicht, um das Risiko für eine Hämolyse bei abruptem Absetzen der Behandlung zu minimieren. Dies ist aktuell nur getestet für Eculizumab, welches in der gemeinsamen run-in Phase zweimal gegeben wird und Ravulizumab, bei dem der Start von Pegcetacoplan in die zweite Hälfte (4 Wochen vor der nächsten Gabe) fällt. 4 Wochen nach dem Start von Pegcetacoplan müssen Pat. den C5-Inhibitor absetzen und anschließend die Behandlung als Monotherapie mit Pegcetacoplan fortsetzen.

  • Das Dosierungsschema kann bei Bedarf auf 1.080 mg alle drei Tage geändert werden (z. B. Tag 1, Tag 4, Tag 7, Tag 10, Tag 13 usw.) (siehe Kapitel 6.2.3.8).

  • Die typische Infusionsdauer beträgt etwa 30 Minuten (bei Infusion an zwei Stellen) bzw. etwa 60 Minuten (bei einer Infusionsstelle). Die Infusion muss sofort nach Aufziehen dieses Arzneimittels in die Spritze begonnen werden. Die Verabreichung muss innerhalb von 2 Stunden nach Vorbereitung der Spritze erfolgen.

  • Bei gesunden Freiwilligen liegt die mediane Zeit zum Erreichen der maximalen Konzentration (tmax) nach einer einzelnen subkutanen Dosis zwischen 108 und 144 Stunden (4,5 bis 6,0 Tage).

  • Die Bioverfügbarkeit einer subkutanen Dosis von Pegcetacoplan wird auf der Basis von PK-Populationsanalysen auf 77 % geschätzt.

  • Die mediane effektive Eliminations-Halbwertszeit (t1/2) beträgt 8,0 Tage gemäß Schätzungen mittels populationspharmakokinetischer Analyse.

  • Eine schwere Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) hatte keine Auswirkung auf die Pharmakokinetik (PK) von Pegcetacoplan; daher ist keine Dosisanpassung von Pegcetacoplan bei Pat. mit Nierenfunktionsstörung erforderlich. Es liegen keine Daten über die Anwendung von Pegcetacoplan bei Pat. mit Dialyse-pflichtiger terminaler Niereninsuffizienz vor.

  • Die Sicherheit und Wirksamkeit von Pegcetacoplan bei Pat. mit Leberfunktionsstörung wurde nicht untersucht; es wird jedoch keine Dosisanpassung empfohlen, da nicht davon ausgegangen wird, dass eine Leberfunktionsstörung die Clearance von Pegcetacoplan beeinflusst.

  • Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt. Basierend auf In-vitro-Daten hat Pegcetacoplan ein geringes Potenzial für klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen.

6.2.3.6Erforderliche Impfungen und Vorgehen bei Einleitung einer terminalen und einer proximalen Komplement-Inhibitoren

Vor Einleitung der Therapie mit allen Inhibitoren der Komplement-Kaskade muss der Impfstatus der Pat. geprüft werden. Eine Impfung gegen kapselbildende Bakterien (Abbildung 3 bis Abbildung 7), Meningokokken (sowohl tetravalenter Impfstoff gegen die Bakterienstämme A, C, W und Y, als auch gegen Stamm B) ist zur Therapie mit den terminalen Inhibitoren obligat. Bei den proximalen Inhibitoren kommen noch Impfungen gegen Pneumokokken (obligat) und Hämophilus influenzae (empfohlen) hinzu. Da die Impfstoffe insbesondere die gegen Meningokokken Typ B ist zu Beginn eine begleitende antibiotische Prophylaxe empfohlen. Eine zeitliche Empfehlung findet sich jeweils abhängig von dem eingesetzten Medikament jeweils in den folgenden Abbildungen 3 bis Abbildung 7.

Abbildung 5: Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab 
Therapieschema für den Einsatz von Eculizumab

 

Abbildung 6: Therapieschema zur Neueinstellung auf Ravulizumab 
Therapieschema zur Neueinstellung auf Ravulizumab

 

Abbildung 7: Therapieschema zur Neueinstellung auf Crovalimab 
Therapieschema zur Neueinstellung auf Crovalimab

 

Abbildung 8: Therapieschema zur Neueinstellung auf Pegcetacoplan 
Therapieschema zur Neueinstellung auf Pegcetacoplan

 

Abbildung 9: Therapieschema zur Neueinstellung auf Iptacopan 
Therapieschema zur Neueinstellung auf Iptacopan

Bei Anwendung bzw. Umstellung von PNH-Pat. von einem terminalen zu einem proximalen Komplement-Inhibitor ist eine zusätzliche Impfung gegen Pneumokokken (Konjugatimpfstoff PVC20 Apexxnar) obligat. Ebenso ist die Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ b (Hib) vor Umstellung empfohlen (siehe jeweilige Fachinformation). Das entspricht den Empfehlungen der AGIHO. Der Impfstoff gegen Haemophilus (z.B. Hiberix®) außerhalb einer Mehrfachimpfung ist in Deutschland zwar zugelassen, muss jedoch importiert werden. Dabei empfiehlt sich entweder der Kontakt mit der zuständigen Krankenkasse oder einem spezialisierten Impfzentrum. Eine Überbrückung bis zum Zeitpunkt der Aufsättigung des neuen Inhibitors ist für Pat., die bereits mit dem terminalen Inhibitor behandelt sind, ist nicht erforderlich, da für diese Pat. bereits der aufgesättigte Inhibitions-Staus gegeben ist. Deshalb kann die Impfung der Umstellung vorangestellt werden und unter laufender terminaler Inhibition keine hämolytischen Krisen auslösen.

Bei Impfung im Rahmen einer Neueinstellung von unbehandelten PNH- Pat. mit einem proximalen Komplement-Inhibitor (Iptacopan oder Pegcetacoplan) kann die Impfung entweder unmittelbar oder besser einen Tag nach der Erstapplikation erfolgen. Dazu können alle Impfstoffe bis auf die gegenüber Meningokokken zusammen appliziert werden. Des Weiteren gelten auch die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Impfung immungeschwächter Pat. unter besonderer Berücksichtigung von Influenza und anderen respiratorischen Virus-Erkrankungen.

Für alle Pat. unter Komplement-Inhibition ist grundsätzlich zu erwägen, dass sie eine sogenannte stand-by Medikation bei sich tragen (pill in the pocket), um im Falle eines plötzlichen Auftretend von Fieber und Unwohlsein eine erste Antibiotikagabe zu sich nehmen zu können. Dafür eignet sich Amoxycillin/Clavulansäure 1.000/250 mg. Im Falle einer Allergie gegenüber Aminopenicillinen kann auch auf Ciprofloxacin 750 mg ausgewichen werden.

6.2.3.7Proximale Komplement-Inhibition als Erstlinienbehandlung

Die Zulassung von Iptacopan sowie die Zulassungserweiterung von Pegcetacoplan lassen eine Therapie beider Substanzen bereits als Erstlinienbehandlung für die hämolytische PNH zu. Für einige Pat. ist diese Behandlung sicher eine sehr attraktive Therapiewahl, die eine selbst gesteuerte Einnahme erlaubt und dazu mit einem sicheren Lebensqualitätsgewinn versehen ist.

Eine ausreichende Evidenzlage für eine Entscheidung, welche Pat. primär mit terminaler Komplement-Inhibition und welche mit proximaler Inhibition im Erstlinieneinsatz behandelt werden sollte, existiert jedoch nicht. Die Zulassungsstudie „PRINCE“ für Pegcetacoplan ist zwar eine randomisierte Phase III Studie gewesen, der Vergleichsarm jedoch war nicht der bisherige Therapiestandard (SOC, standard of care) im Sinne der terminalen Komplement-Inhibition. Die APPOINT-Studie für Iptacopan war eine nicht randomisierte Phase II Studie.

Die genomische Keimbahn-Bestimmung der Varianten in den Genen für den Komplement-Rezeptor 1 (CR1) und die Komplement-Komponente 3 (C3) sind aktuell nicht allgemein verfügbar. Somit ist auch im Vorfeld eines Erstlinien-Therapiestarts nicht ersichtlich, welche Pat. mit hämolytischer PNH unter terminaler Komplement-Inhibition eine signifikante und beeinträchtigende extravasale Hämolyse entwickeln wird.

Aktuell sind noch keine ausreichenden Langzeitdaten zur proximalen Komplement-Inhibition vor allem im Hinblick auf Infektionen und unerwarteter immunologischer Effekte vorliegend. Somit ist insbesondere in dieser Therapielinie eine besondere Vorsicht gegenüber den neuen Substanzen sinnvoll. Ein Einschluss der Pat. in das Internationale PNH-Register zur frühzeitigen Erfassung auch unerwünschter Effekte sollte möglichst für alle betroffenen Pat. erfolgen. Dies kann im Rahmen eine konsiliarischen Mitbetreuung durch ein spezialisiertes Zentrum mit Zugang zu dem Register erfolgen.

6.2.3.8Durchbruchhämolysen unter proximaler Komplement-Inhibition

Als Durchbruchhämolyse ("breakthrough hemolysis", BTH) bezeichnet man das Wiederauftreten einer IVH unter laufender Komplementinhibition Bisher existiert noch keine weltweit einheitliche Definition einer BTH, im Rahmen eines Expertenkonsensustreffens wurde die folgende Definition als eine mögliche Beschreibung festgelegt [80]: Ein Abfall des Hämoglobins ≥1.5 g/dl mit einem Neuanstieg einer vorher stabilen LDH auf mehr als das 1,5-Fache des oberen Grenzwertes (oder ein deutlicher Anstieg gegenüber 2 x vorher gemessenen Werten) und das Auftreten neuer oder die Verschlechterung bisheriger Symptome.

Grundsätzlich wird zwischen pharmakokinetischer (PK BTH) und pharmakodynamischer BTH (PD BTH) unterschieden. Eine PK BTH entsteht durch suboptimale Dosisspiegel eines Komplementinhibitors, bei einer PD-BTH wird ein so genanntes Komplement-verstärkendes Ereignis ("complement amplifying condition", CAC) als Auslöser gesehen, auch wenn dieses nicht immer genau identifiziert werden kann. Eine kürzlich gezeigte Analyse von 182 Pat. aus Italien und Großbritannien zeigt, dass eine BTH bei 75% aller PNH-Pat. beschrieben wird, wobei Infektionen die häufigste Ursache einer BTH darstellen.

Eine BTH kann grundsätzlich unter jeder Komplementinhibition auftreten. Bei isolierter proximaler Komplementinhibition kommt es aber durch die eindrückliche Wirksamkeit der proximalen Komplementinhibition und den Schutz GPI-defizienter Erythrozytenpopulation vor IVH und EVH regelhaft zur Ausweitung des Erythrozytenklons auf Werte > 90%. Andererseits führt die Lücke auf der proximalen Komplement-Seite zu einer amplifizierenden Aktivität der C3/C5-Konvertase, so dass die Bildung von Membran-Angriffskomplexen sich dramatisch verstärken kann. Aufgrund dieser zwei Faktoren kann somit die BTH deutlich größer und kräftiger ausfallen [81].

Das Management einer BTH kann im Rahmen dieser Leitlinie nicht vollumfänglich dargestellt werden. In dringenden Fällen wird geraten, mit den Autoren der Leitlinie Kontakt aufzunehmen. Zudem ist die Beratung im Rahmen der vierwöchentlich stattfindenden Onlinekonferenz für Pat. mit AA oder PNH möglich (Teams-basierte Online-Konferenz. Bei Interesse Kontaktaufnahme mit Frau Jana Küpper; Tel.: 0241-80-80732; jkuepper@ukaachen.de).

Grundsätzlich sollte - so klinisch darstellbar - zwischen PK BTH und PD PTH unterschieden werden. Bei suboptimaler Komplementinhibitorkonzentration kann z.B. die Dosis von Eculizumab erhöht oder das Dosisintervall verkürzt werden. Dies ist bei Ravulizumab typischerweise nicht notwendig und bei rezidivierenden BTH unter Ravulizumab sollte nach anderen Gründen (genetische Polymorphismen in Komplementregulatoren, CACs) gesucht werden.

Für die Behandlung von BTH unter proximaler Komplementinhibition existieren für Pegcetacoplan inzwischen so genannte real-life Daten [82] sowie eine post-hoc Analyse der PEGASUS Pat. [83]. Bei akuter BTH mit signifikantem LDH Anstieg (> 2 x oberer Normwert) und Hb-Abfall um mehr als 2 g/dl sollte neben der Behandlung des CAC (soweit möglich) eine Dosisintensivierung mit Gaben von 1080 mg Pegcetacoplan an drei Tagen (alternativ eine einmalige iv-Gabe) gefolgt von einer intensivierten Erhaltung mit drei Gaben pro Woche erfolgen. Diese Intensivierung oberhalb von der Gabe alle drei Tage ebenso wie die intravenöse Applikation steht jedoch außerhalb der bestehenden Zulassung. Bei entsprechender Klinik ist eine EK-Transfusion ebenfalls sinnvoll, hierdurch erfolgt neben der Hämoglobinoptimierung auch eine Verdünnung des PNH-Klons und damit eine Verringerung ungeschützter Erythrozyten. LDH, Hb, Bilirubin und Retikulozyten sollten bei Pat. mit BTH engmaschig monitoriert werden.

Eine therapeutische Antikoagulation sollte bei relevanter BTH ebenfalls in Betracht gezogen werden und ist im Fall eines thromboembolischen Ereignisses klar indiziert.

Im Einzelfall kann zu Behandlung einer massiven BTH und klinischer Verschlechterung trotz Dosisintensivierung eine zusätzliche Gabe eines terminalen Komplementinhibitors notwendig sein (außerhalb der Zulassung); bei Pat. mit massiver BTH ist dringend die Kontaktaufnahme mit einem in der Behandlung von PNH Pat. erfahrenden Zentrum angeraten.

Für BTH unter Iptacopan existieren noch keine einheitlichen Vorgaben, grundsätzlich gelten aber auch hier Behandlung eines möglichen CAC, Transfusion, Flüssigkeitsgabe und ggf. die Notwendigkeit einer zusätzlichen terminalen Komplementinhibition (außerhalb der Zulassung) als mögliche Behandlungsstrategien.

Da Danicopan in Kombination mit Eculizumab oder Ravulizumab gegeben wird, zeigen bisherige Daten nur wenige, selbstlimitierende BTH-Ereignisse.

6.3Besondere Situationen

6.3.1Schwangerschaft

Schwangerschaften bei PNH-PatientinnenPNH-Pat. sind mit einer hohen maternalen und fetalen Letalität verbunden mit einem erhöhten Risiko für atypische Thrombosen (11,6 % bzw. 7,2 % [84]) und stellen in jedem Fall eine Hochrisiko-Schwangerschaft dar. In Fallberichten wurde über erfolgreiche Schwangerschaften unter Eculizumab berichtet ohne Hinweise auf Teratogenität bei jedoch kleiner Fallzahl ) und stellen in jedem Fall eine Hochrisiko-Schwangerschaft dar [8586]. Eine laufende Therapie mit Eculizumab sollte bei Diagnose einer Schwangerschaft nicht unterbrochen werden. Bei Kinderwunsch von PNH-Patientinnen sollte unter Abwägung aller Risiken und Komplikationen individuell eine Therapie mit Eculizumab erwogen werden. Ggf. muss aufgrund von Durchbruchhämolysen in der Schwangerschaft eine Dosisanpassung erfolgen (bis zu 900 mg wöchentlich). Daten zum Einsatz von Ravulizumab (Bindung an den fetalen Fc-Rezeptor) und Pegcetacoplan in der Schwangerschaft liegen im Gegensatz zu Eculizumab bislang nicht vor. Bei Schwangerschaft bzw. bereits bei Kinderwunsch sollte daher vorerst keine Therapie mit diesen beiden Substanzen erfolgen. . In Fallberichten wurde über erfolgreiche Schwangerschaften unter Eculizumab berichtet ohne Hinweise auf Teratogenität bei jedoch kleiner Fallzahl. Eine laufende Therapie mit Eculizumab sollte bei Diagnose einer Schwangerschaft nicht unterbrochen werden. Bei Kinderwunsch von PNH-Pat. sollte unter Abwägung aller Risiken und Komplikationen individuell eine Therapie mit Eculizumab erwogen werden. Ggf. muss aufgrund von Durchbruchhämolysen in der Schwangerschaft eine Dosisanpassung erfolgen (bis zu 900 mg wöchentlich). Daten zum Einsatz von Ravulizumab sowie allen weiteren neu zugelassenen Komplement-Inhibitoren in der Schwangerschaft liegen im Gegensatz zu Eculizumab bislang nicht ausreichend vor. Bei Schwangerschaft bzw. bereits bei Kinderwunsch sollte daher vorerst keine Therapie mit diesen Substanzen erfolgen.

7[Kapitel nicht relevant]Psychosoziale Betreuung und Rehabilitation

Die Mehrzahl der betroffenen Pat. steht im Berufsleben, hat eine Lebenserwartung von Jahrzehnten vor sich und steht vor der Herausforderung, diese chronische Krankheit in ihr Leben zu integrieren. Zur Unterstützung gehören auch Maßnahmen im psychosozialen Bereich. Diese schließen nicht nur die direkt von der Krankheit Betroffenen, sondern auch die Angehörigen und das soziale Umfeld mit ein. Professionelle Gespräche mit Psychologen erleichtern die Verarbeitung der Diagnose und den Umgang mit der Krankheit. Pat. sollen auf Angebote der Patientenorganisationen hingewiesen werden.

Die Pat. sollen über die Möglichkeiten ambulanter und stationärer Rehabilitationsmaßnahmen sowie weiterer Ansprüche, die sich aus dem Sozialrecht ergeben, frühzeitig informiert werden. Hinsichtlich der Rehabilitationsklinik sollen die Wünsche der Pat. berücksichtigt werden (§9 SGB IX). 

Eine weitere Herausforderung sind die sozialen und finanziellen Belastungen bei Vorliegen der Diagnose einer hämolytischen PNH. Entlastungen und Umstrukturierungen am Arbeitsplatz, Härtefallregelungen, steuerliche Erleichterungen u.a. können wirksam helfen. PNH- bzw. PNH/AA-Pat. steht ein Schwerbehindertenausweis zu. Besonders relevant bei der Festlegung des Grads der Behinderung sind die Auswirkungen der Erkrankung und der aktuelle Therapiebedarf.

8[Kapitel nicht relevant]

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10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

14Anschriften der Experten

Prof. Dr. Peter Bettelheim
Labor Europaplatz
Europaplatz 7
A-4020 Linz
Univ.-Prof. Dr. med. Tim Henrik Brümmendorf
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Pascale Olivia Burmester
Stiftung lichterzellen
Oppenheimstraße 11
50668 Köln
Ulrike Göbel
Aplastische Anämie & PNH e.V.
Postfach 52 03 25
12593 Berlin
Dr. med. Britta Höchsmann
Universitätsklinik Ulm
Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
PD Dr. med. Jens Panse
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Prof. Dr. med. Alexander Röth
Universitätsklinikum Essen
Klinik für Hämatologie
Westdeutsches Tumorzentrum
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier
Universitätsklinikum Ulm
Institut für klinische Transfusionsmedizin
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
Prof. Dr. med. Jörg Schubert
Elblandklinikum Riesa
Innere Medizin II
Hämatologie/Onkologie & Gastroenterologie
Weinbergstr. 8
01589 Riesa
PD Dr. med. Georg Stüssi
Servizio di Ematologia
Istituto oncologico della
Svizzera Italiana
Viale Ospedale
CH-6500 Bellinzona

15Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

Autor*in Anstellung1 Beratung / Gutachten2 Aktien / Fonds3 Patent / Urheberrecht / Lizenz4 Honorare5 Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen6 Andere finanzielle Beziehungen7 Persönliche Beziehung zu Vertretungsberechtigten8
Bettelheim, Peter Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Brümmendorf, Tim Henrik
Klinik für Hämatologie und Onkologie, Uniklinik RWTH Aachen
Ja
Novartis, Gilead, Pfizer
Nein
Ja
1. Combination of Imatinib (Glivec) and hypusination inhibitors and the use thereof US-Patent-US/19.12.03/USP531563; European Patent EP2004014439 2. Method for determining a human predisposition to contract a malignant disease patent application (Epimutation of DNMT3A/DNMT3B); 2013; EP13167411.1 3. DNA-methylation changes in PRDM8 for diagnosis of bone marrow failure syndroms); 2015; DE10 2015 121 969.7
Ja
Janssen, Merck, Novartis, AstraZeneca, Pfizer, Incyte, SCOR, Roche, Synlab,
Ja
Novartis, Pfizer, GSK, RepeatDx
Nein
Nein
Burmester, Pascale Olivia
Stiftung lichterzellen
Ja
Patient Advisory Board Pfizer Inc. Patient Advisory Board Novartis Pharma AG (alle Vergütungen gehen an die Stiftung Lichterzellen)
Nein
Nein
Ja
Swedish Orphan Biovitrum GmbH Swedish Orphan Biovitrum AB (publ.) Novartis Pharma GmbH Novartis Pharma AG Alexion Pharma GmbH Pfizer Inc. Pfizer Pharma GmbH Alexion Pharmaceutical Inc. Florio GmbH Roche Pharma AG F. Hoffmann-La Roche Ltd. HCD Economics Bionical Ernas Ltd. (alle Vergütungen gehen an die Stiftung Lichterzellen)
Nein
Nein
Nein
Göbel, Ulrike
Commerzbank AG (angestellt) Aplastische Anämie & PNH e.V. (Vorstand, ehrenamtlich) Leukämie- & Lymphom-Selbsthilfe Berlin e.V. (Vorstand, ehrenamtlich) PNH Global Alliance (Vorstand, ehrenamtlich)
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Höchsmann, Britta
Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm, Universitätsklinikum Ulm DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen
Ja
Advisory Boards für Alexion, Novartis, Apellis, Sobi, Roche, Omeros
Nein
Nein
Ja
Vorträge Alexion, Apellis, Novartis, Sobi, Roche, Omeros
Ja
Drittmittel für das Institut als Aufwandsentschädigung im Rahmen klinischer Studien Bitte Quelle angeben (siehe Text links)
Nein
Nein
Panse, Jens
Uniklinik RWTH Aachen Pauwelsstrasse 30 52074 Aachen
Ja
Berater/Advisory Board: Alexion (Astra Zeneca), Apellis Pharmaceuticals, Inc., BMS, Boehringer Ingelheim, Blueprint Medicines, MSD, Novartis; Omeros, Pfizer, Samsung Bioepis Co. Ltd., Sanofi; und SOBI
Nein
Nein
Ja
Alexion, Apellis, Blueprint Medicines, BMS, Boehringer Ingelheim, Chugai, MSD, Novartis, Omeros, Pfizer, Roche, Sanofi, Sobi
Nein
Ja
Reisekostenerstattung: Alexion, Apellis, Blueprint Medicines, Boehringer Ingelheim, MSD, Novartis, Sobi
Nein
Röth, Alexander
Universitätsklinikum Essen Hufelandstrasse 55 45147 Essen
Ja
Alexion, Amgen, Apellis, BioCryst, Kira, Roche, Novartis, Pfizer, Sanofi, Sobi
Nein
Nein
Ja
Alexion, Grifols, Novartis, Roche, Sanofi, Sobi
Nein
Ja
Reisekostenerstattung: Alexion, Sobi
Nein
Schrezenmeier, Hubert Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Schubert, Jörg
Elblandklinikum Riesa
Ja
Advisory Board bei Alexion, Roche, SOBI, Novartis
Nein
Nein
Ja
Alexion, Novartis, Roche, SOBI
Nein
Nein
Nein
Stüssi, Georg
Istituto Oncologico della Svizzera Italiana Ente Ospedaliero Cantonale Bellinzona, Svizzera
Ja
Celgene, Daiichi, Vifor, Janssen, Gilead, Roche, AbbVie, Novartis, Kite Gilead
Nein
Nein
Nein
Ja
Novartis
Nein
Nein
1 - Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre (Institution/Ort)
2 - Tätigkeit als Berater*in bzw. Gutachter*in oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat / Advisory Board eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie, Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
3 - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
4 - Betrifft Arzneimittel und Medizinprodukte
5 - Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autor*innen oder Koautor*innenschaften im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
6 - Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeiter*innen der Einrichtung von Seiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftrags-instituts oder einer Versicherung
7 - Andere finanzielle Beziehungen, z. B. Geschenke, Reisekostenerstattungen, oder andere Zahlungen über 100 Euro außerhalb von Forschungsprojekten, wenn sie von einer Körperschaft gezahlt wurden, die eine Investition im Gegenstand der Untersuchung, eine Lizenz oder ein sonstiges kommerzielles Interesse am Gegenstand der Untersuchung hat
8 - Persönliche Beziehung zu einem/einer Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft

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Reference:

Quellenangabe:

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