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HIV-assoziiertes Analkarzinom

ICD-10 B21, C21.-
Stand Oktober 2019
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1Zusammenfassung

Unter den Nicht-AIDS-definierenden Malignomen (NADM) gehört das Analkarzinom zu den häufigsten Tumorerkrankungen. Ursache ist die hohe Inzidenz persistierender Infektionen mit High-Risk (HR) humanen Papillomviren (HPV). Wichtig sind regelmäßige Screening-Untersuchungen zur Früherkennung.

Diagnostik und Therapie werden in der Regel wie bei nicht HIV-Infizierten durchgeführt [203738].

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Infolge der effektiven kombinierten antiretroviralen Therapie (cART) ist die Lebenserwartung von HIV-Infizierten Menschen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen [1]. Malignome sind mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für Morbidität und Mortalität in dieser Patientengruppe [234]. Zwar sind die AIDS- definierenden Malignome, wie das Kaposi-Sarkom und die aggressiven Lymphome in ihrer Inzidenz zurückgegangen, es findet sich jedoch eine erhöhte Inzidenz sogenannter nicht-AIDS-definierender Malignome wie dem Hodgkin-Lymphom und insbesondere dem Analkarzinom [56].

Bei letzterem sind die persistierende Infektion mit High Risk (HR) humane Papillomviren (HPV) die ätiologische Basis für die maligne Entwicklung [7]. Regelmäßige Screening-Untersuchungen sind trotz vieler offener Fragen bei HIV-positiven Menschen von großer präventiver Bedeutung [789].

2.2Epidemiologie

Das Analkarzinom zeigt eine deutlich erhöhte Inzidenz bei HIV-Infizierten im Vergleich zur Normalbevölkerung: 60-100 vs. 0,3-1 Fälle pro 100.000 Personen-Jahren [101112]. Die anale intraepitheliale Neoplasie (AIN), eine Vorläufer- Läsion, findet sich in einer großen und zunehmenden Anzahl von HIV-Infizierten [13]. Aufgrund der besonderen Häufigkeit von HR-HPV-Infektionen und AIN wird die Inzidenz von Analkarzinomen für HIV-Infizierte bis zum 75. Lebensjahr auf 1,5 % geschätzt, während im Vergleich nur 0,05% in der Allgemeinbevölkerung ein Analkarzinom entwickeln [10].

2.3Pathogenese

In den meisten Fällen entwickelt sich das Analkarzinom durch eine persistierende HR-HPV-Infektion [14]. Bereits in der sexuell aktiven Bevölkerung liegt die HPV-Prävalenz im Anogenitaltrakt bei über 60% [15]. Bei HIV-infizierten Männern, welche Sex mit Männern (MSM) haben, liegt bei bis zu 93%, und bis zu 98% bei Vorliegen einer AIN [16]. HPV repliziert im Plattenepithel und wird entsprechend dem onkogenen Potenzial unterschieden in Low Risk (LR) und HR Typen [1718].

3Vorbeugung und Früherkennung

3.1[Kapitel nicht relevant]

3.2Früherkennung

3.2.1Risikopersonen

Bei Risikopersonen wird ein regelmäßiges Screening mit körperlicher Untersuchung und Proktoskopie empfohlen [7].

4Klinisches Bild

Die klinischen Symptome sind variabel und gehen von Beschwerdefreiheit über Juckreiz, Schmerzen bei der Defäkation, persistierenden Fisteln bis hin zu tastbaren Tumoren und in fortgeschrittenen Stadien zur Schwellung von Leistenlymphknoten. Sichtbare Veränderungen sind Leukoplakien Ekzeme, papillomartige Veränderungen und Marisken [719]. Differenzialdiagnostisch muss an eine Psoriasis inversa, ein Lichen simplex chronica, numuläre Ekzeme oder auch Condyloma acuminata sowie Basalzellkarzinome und an das maligne Melanom gedacht werden [7]. Die Diagnosesicherung erfolgt durch gezielte Biopsien suspekter Läsionen [7].

5[Kapitel nicht relevant]

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Karzinome des Analkanals und des Analrands werden mit dem Ziel behandelt, eine sichere lokale Tumorkontrolle zu erreichen, um den Betroffenen ein Kolostoma durch Erhalt der Sphinkterfunktion zu ersparen.

Kleine, gut differenzierte T1-Karzinome des Analrands ohne Risikofaktoren (sichere R0-Resektion mit 5-10 mm Sicherheitsabstand, keine Lymph- oder Hämangiosis) können mit einer alleinigen lokalen Exzision behandelt werden [20].

Da die alleinige chirurgische Therapie nur zu Fünf-Jahresüberlebensraten von 40-70% geführt hat, werden größere Befunde und alle Tumoren des Analkanals aufgrund der hohen Strahlenempfindlichkeit primär mit einer Radio-Chemotherapie behandelt.

Als Chemotherapeutika sind 5-Fluorouracil und Mitomycin C seit über zwei Jahrzehnten Standard [7].

Operative Interventionen sind Tumorresiduen nach Radiatio oder Rezidiven vorbehalten und werden in der Regel als abdominosakrale Rektumextirpation durchgeführt.

6.1.1Radiochemotherapie

Die Kombination der Strahlentherapie mit Mitomycin C (10mg/m² KOF Tag 1/29) und 5 FU (1000mg/m² KOF Tag 1-4 und 29-32) führt gegenüber der alleinigen Strahlentherapie zu einer signifikant besseren lokalen Tumorkontrolle, zu weniger sekundären Kolostomien und zu einem besseren Gesamtüberleben und gilt daher als Therapiestandard [202122].

Bei kumulativer Betrachtung über alle Stadien hinweg beträgt das krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren etwa 60-75% und das Kolostomie-freie Überleben etwa 75-90%. Lediglich sehr kleine Tumoren (T1 N0) können im Einzelfall (hohes Lebensalter, Kontraindikationen gegen die Zytostatika, Begleiterkrankungen) mit einer alleinigen Bestrahlung behandelt werden.

In mehreren Phase-III-Studien wurden verschiedene Modifikationen der Standardbehandlung mit MitomycinC/5FU getestet (konsolidierende Chemotherapie mit Cisplatin/5FU nach der Radio-Chemotherapie; Austausch von Mitomycin C durch Cisplatin bei der kombinierten Radiotherapie; Induktions-Chemotherapie vor Radio-Chemotherapie), ohne dass hierdurch eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse erreicht werden konnte [202324].

6.1.2Strahlentherapie

Das Zielvolumen der Bestrahlung umfasst den Primärtumor sowie befallene und elektive Lymphknotenstationen. Hierzu zählen die inguinalen, iliakal externen, perirektalen und iliakal internen Lymphabflusswege. Je nach Befallsmuster müssen auch die Lymphknotengruppen im Bereich der Iliaca communis mitbehandelt werden. Die Behandlung der inguinalen Lymphknotengruppe ist besonders bei kleinen Tumoren des Analkanals umstritten. Die frühe lymphogene Metastasierung und die mit modernen Bestrahlungstechniken deutlich reduzierten Akutnebenwirkungen der Haut sprechen für eine großzügige Indikationsstellung. Eine PET-CT zur Bestrahlungsplanung erleichtert die Zielvolumendefinition, ist jedoch nicht obligat.

Verbindliche Empfehlungen für die Dosisverordnung im Bereich der elektiven Lymphknotenstationen und am Primärtumor werden durch sehr heterogene Dosiskonzepte in den vorliegenden Phase-III-Studien erschwert [25]. Die Gesamtdosis der Bestrahlung im Bereich der Lymphabflusswege sollte bei einer Fraktionierung von 5x1,8-2,0 Gy pro Woche 39 -45 Gy (cN0) bzw. 50-54 Gy (N+) betragen. Die Dosis am Primärtumor liegt bei T1-2 Tumoren bei 50-54 Gy, bei ausgedehnteren Befunden (T3 und T4) bei 56-60 Gy.

Für die Bestrahlung sollten konformale Techniken (IMRT) zum Einsatz kommen, welche dazu beitragen, die Akuttoxizität der Behandlung gegenüber einer 3D-Technik zu reduzieren. Strahlenbiologisch nachteilige Therapiepausen sollten vermieden werden.

6.1.3Remissionsbeurteilung

Aufgrund der verzögerten Tumorremission ist eine abschließende Beurteilung des Behandlungserfolgs erst etwa 12 Wochen nach Ende der Radio-Chemotherapie sinnvoll [26]. Bis dahin sollte der Lokalbefund regelmäßig klinisch überprüft werden (Inspektion und digital-rektale Untersuchung). Bei histologisch nachgewiesener Tumorpersistenz oder -progression muss eine Operation als Salvagebehandlung erfolgen.

6.2[Kapitel nicht relevant]

6.3Besonderheiten bei HIV-Infizierten

6.3.1Prognose

In vergleichenden retrospektiven Studien zeigte sich zwischen HIV-Infizierten und HIV-negativen Patienten kein Unterschied in den Komplettremissions- und Überlebensraten [272829]. Allerdings gibt es Hinweise auf erhöhte Lokalrezidivraten bei Patienten mit HIV, die wahrscheinlich auf erhöhte kutane Toxizitäten mit dementsprechend geringerer Radiotherapie-Adhärenz zurückzuführen sind. Auch in einer Studie aus Frankfurt wiesen Patienten mit HIV ein etwas schlechteres Krebs-spezifisches Überleben nach 5 Jahren auf (80.5% vs 93.8%) [30]. Einer US-Amerikanischen Untersuchung zufolge nimmt die Rezidivrate nach Abschluss der Therapie kontinuierlich mit jedem Abfall der CD4-Zellen um 100/µl zu [31]

6.3.2Therapie

Bei HIV-Infizierten muss mit höheren Toxizitätsraten unter der kombinierten Radio-Chemotherapie gerechnet werden [27], insbesondere bei CD4-Zellen < 200/µl [32] bzw. mit jedem Abfall der CD4-Zellen um jeweils 100/µl [31]. Allerdings gibt es auch Studien, in denen keine Unterschiede in den Toxizitäten beschreiben wurden [33]. Die Hinzunahme von Cetuximab zur Radiochemotherapie führte zu keiner relevanten Verbesserung der Therapieergebnisse [34].

6.3.3Kombinierte antiretrovirale Therapie (cART)

Eine cART sollte bei jedem ART-naiven Patienten mit einem Analkarzinom eingeleitet werden. Vor Start der Radiochemotherapie ist auf Medikamenteninteraktionen zwischen antiretroviraler Therapie und Zytostatika bzw. zwischen Begleitmedikamenten zu achten [3536]:

  • Wegen der potentiell nephrotoxischen Wirkung von Mitomycin-C sollten besonders Regime, die Tenofovir oder Atazanavir enthalten nur mit Vorsicht unter Kontrolle der Nierenfunktion eingesetzt werden.

  • Bei der Gabe von Zidovudin kann die potenziell knochenmarktoxische Wirkung die chemotherapieinduzierte Granulozytopenie verstärken.

  • Während der Therapie mit 5-FU darf das Virustatikum Brivudin nicht eingesetzt werden, da es zu starker Serumspiegelerhöhung und damit nicht kalkulierbarer Toxizität von 5-FU führen kann.

  • Aufgrund der potentiell hepatotoxischen Wirkung von Mitomycin-C ist bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder bei Vorliegen einer infektiösen Hepatitis besondere Vorsicht geboten.

  • Aufgrund der potenziell knochenmarktoxischen Wirkung der RT/Cht sind bei HIV-positiven Patienten engmaschige Kontrollen des Blutbildes, insbesondere der Leukozytenzahl und der Helferzellzahl unabdingbar. Empfohlen werden:

    • vor Beginn der Radiochemotherapie mindestens: ein kompletter Immunstatus; eine Hepatitis B- und C-Serologie, Bestimmung der Leber- und Nierenfunktionsparameter sowie ein komplettes Blutbild.

    • während und bis mindestens 4 Wochen nach Beendigung der Radiochemotherapie: regelmäßige Bestimmung der Leber- und Nierenfunktionsparameter sowie ein komplettes Blutbild,

    • vier-wöchentlich ein Immunstatus mit Bestimmung der CD4-Helferzellzahl.

6.3.4Vorgehen bei Patienten mit sehr schlechtem Immunstatus, deutlich reduziertem AZ und/oder koinzidenten Infektionen/Malignomen:

Hier empfiehlt sich ein situationsadaptiertes Vorgehen mit enger Absprache des therapeutischen Vorgehens zwischen HIV-Behandler, Onkologen, Radioonkologen und Chirurgen unter Einbeziehung der Wünsche und Ziele des Patienten. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass sich bei HIV-therapienaiven Patienten mit Einleitung einer antiretroviralen Therapie der Immunstatus sehr schnell bessern kann und sich dadurch eventuell eine kurative Option ergibt. HBV/HCV-koinfizierte Patienten können heute ebenfalls kurativ behandelt werden.

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

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10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Autoren

Prof. Dr. med. Johannes Claßen
St. Vincentius-Kliniken
Klinik für Strahlentherapie Radiologische Onkologie
und Palliativmedizin
Steinhäuserstr. 18
76135 Karlsruhe
Prof. Dr. med. Stefan Esser
Universitätsklinikum Essen
Klinik für Dermatologie und Venerologie
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Prof. Dr. med. Marcus Hentrich
Rotkreuzklinikum München gGmbH
III. Medizinische Abteilung -
Hämatologie und Onkologie
Nymphenburger Str. 163
80634 München
Dr. med. Franz A. Mosthaf
Gemeinschaftspraxis für
Hämatologie, Onkologie und Infektiologie
Zentrum für ambulante Onkologie
Kriegsstr. 236
76135 Karlsruhe
Prof. Dr. med. Mark Oette
Krankenhaus der Augustinerinnen gGmbH Köln
Klinik für Allgemeine Innere Medizin,
Gastroenterologie und Infektiologie
Jakobstr. 27-31
50678 Köln

16Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

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