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Heranwachsende und junge Erwachsene (AYA, Adolescents and Young Adults)

Stand Januar 2016
Dies ist die aktuell gültige Version des Dokuments

1Zusammenfassung

Die Betreuung von an Krebs erkrankten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 39 Jahren (Adolescents and Young Adults (AYA)) stellt eine besondere Herausforderung an die ärztliche und pflegerische Kompetenz dar [18]. Die medizinischen und psychosozialen Bedürfnisse in dieser Altersgruppe unterscheiden sich wesentlich von Kindern einerseits und älteren Menschen andererseits. Die Prognose der krebserkrankten Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist überdurchschnittlich gut, mehr als 80 % werden langfristig geheilt. Zur weiteren Erhöhung der Zahl langfristig geheilter Patienten ist neben neuen Therapiestrategien auch eine Optimierung der Versorgung erforderlich.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformation

Die Altersdefinition für Heranwachsende und junge Erwachsene ist in der medizinischen Fachliteratur nicht einheitlich. In den USA werden darunter Patienten im Alter zwischen 15 und 39 Jahren zusammengefasst [941]. Diese Gruppe ist sehr heterogen. Gemeinsame Merkmale sind die bei vielen Entitäten hohen Heilungschancen, die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit Krebs in einer altersbedingt komplexen, psychosozialen Situation, und das erhöhte Risiko von Langzeitfolgen und Zweiterkrankungen.

2.2Epidemiologie

Krebs ist überwiegend eine Erkrankung des älteren Menschen. Bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen sind Krebserkrankungen dagegen relativ selten. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 15.000 Patienten im Alter zwischen 15 und 39 Jahren neu diagnostiziert, bei insgesamt 480.000 Neuerkrankungen [15]. In dieser Altersgruppe sind Männer etwas häufiger, in der Altersspanne zwischen 30 und 40 Jahren sind Frauen jedoch häufiger betroffen, s. Abbildung 1.

Abbildung 1: Durchschnittliche, altersspezifische Erkrankungszahlen (Inzidenz) für Krebs 2010 – 2012 (logarithmische Darstellung) 
Durchschnittliche, altersspezifische Erkrankungszahlen (Inzidenz) für Krebs 2010 – 2012 (logarithmische Darstellung)

Hochrechnung Deutschland, ICD-10: C00 bis C96, D09.0, D41.4 ohne C44, Quelle: GEKID (www.gekid.de)

Zwischen 15 und 39 Jahren ist das Mammakarzinom mit ca. 2.500 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland die häufigste Krebserkrankung, gefolgt vom Hodenkrebs mit 2.200 Erkrankungen und dem Melanom der Haut mit ca. 2.100 Erkrankungen, siehe Tabelle 1. Die epidemiologischen Daten zeigen jedoch, dass es graduell über die unterschiedlichen Alterskohorten hinweg zu einem Wandel in der Diagnoseverteilung kommt [1519], siehe Tabellen 2 bis Tabelle 4. Bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren ist das maligne Melanom die relativ häufigste Krebserkrankung. In der nächsten Dekade steht bereits das Mammakarzinom an erster Stelle, an dritter Stelle das Zervixkarzinom. Bei Männern zwischen 20 und 35 Jahren macht das Hodenkarzinom mehr als ein Drittel der malignen Erkrankungen aus.

Tabelle 1: Häufigkeit der Entitäten in Deutschland zwischen 15 und 39 Jahren [15]  

Männlich

%

geschätzte Fallzahl D

 

Weiblich

%

geschätzte Fallzahl D

Hoden

33,6

2211

Brust

27,9

2478

Melanom

10,9

717

Melanom

16,0

1420

Hodgkin

7,6

498

Schilddrüse

10,9

970

Non-Hodgkin

6,2

408

Zervix

9,9

881

Darm&Rektum

5,8

385

Darm&Rektum

4,7

417

verbleibende

35,9

2363

Verbleibende

30,6

2724

Krebs gesamt

6582

8890

Weitere Daten zur differenzierten Verteilung der Malignome in den 5-Jahres-Kohorten (15-19, 20-24,25-29,30-34, 35-39) finden sie in der Wissensdatenbank AYA Heranwachsende und junge Erwachsene.

Die Prognose der im Alter <40 Jahre an Krebs Erkrankten ist relativ gut. Die Gesamtüberlebensrate nach 15 Jahren liegt bei etwa 80%, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Gesamtüberleben nach Alter für Männer und Frauen (Tumorregister München) 
Gesamtüberleben nach Alter für Männer und Frauen (Tumorregister München)

Tumorregister München: Alle Tumoren; Gesamtüberleben nach Alter für Männer und Frauen (n=245445)

Weitere Berechnungen zur krebs- und geschlechtsspezifischen Überlebensraten finden sie in der Wissensdatenbank AYA Heranwachsende und junge Erwachsene.

2.3Pathogenese

Es gibt keine einheitliche Pathogenese für Krebserkrankungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen. Allerdings unterscheiden sich die Erkrankungen von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen tumorbiologisch sowohl von Kindern als auch älteren Patienten [71745]. Bei jungen Patienten ist der Einfluss genetischer Risikofaktoren höher als bei älteren Patienten. Erkrankung im jungen Lebensalter ist ein unabhängiger Faktor in Risiko-Scores bei Malignomen wie dem Mamma- und dem kolorektalen Karzinom zur Identifikation von Patienten für eine humangenetische Beratung und zur Veranlassung gezielter Keimbahndiagnostik.

3Vorbeugung und Früherkennung

3.1Vorbeugung

3.1.1Allgemeines

Die Empfehlungen zur Primärprävention beziehen sich auf die bisher identifizierten, erworbenen Risikofaktoren:

  • nicht rauchen

  • Übergewicht vermeiden

  • abwechslungsreiche, Gemüse-, Obst- und Ballaststoff-reiche Ernährung

  • hohe UV Belastung der Haut vermeiden

3.1.2Spezifische Maßnahmen

Für einige Krebserkrankungen, die auch bei jungen Erwachsenen auftreten können, liegen inzwischen Daten für spezifische Maßnahmen der Vorbeugung vor. Dazu gehören

  • Human Papillomvirus (HPV) – assoziierte Malignome
    HPV ist mit Zervixkarzinom assoziiert [34]. Darüber hinausgehend scheinen Hochrisiko-Typen des HPV auch an der Entstehung von Vaginal-, Anal-, Penis- sowie Oropharynxkarzinomen beteiligt zu sein. Das Hinzutreten von weiteren Risikofaktoren wie Immunsuppression und oder Sonneneinstrahlung kann zudem das Auftreten von Plattenepithelkarzinomen der Haut begünstigen. Durch die HPV-Vakzine kann die Infektion mit HPV und die Bildung von präkanzerösen Läsionen verhindert werden. Die Wirksamkeit der HPV Vakzine wurde auch bei Männern bestätigt [16]. Vom Center for Disease Control wird die HPV-Impfung für weibliche und männliche Jugendliche empfohlen [38].

  • Kolorektales Karzinom: Abtragung von Adenomen
    Die Abtragung von Adenomen ist eine Vorbeugungsmaßnahme durch die Entfernung von Vorläuferstufen des Karzinoms. Dieser Eingriff wird im Rahmen der endoskopischen Früherkennungsmaßnahmen bei jungen Personen mit genetischer Belastung vorgenommen, siehe Onkopedia Kolonkarzinom. Bei Personen mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP) kann eine subtotale Kolektomie indiziert sein.

  • Mammakarzinom
    Frauen mit hereditärer Belastung, z. B. BRCA1- oder BRCA2 Mutationen, haben ein stark erhöhtes Risiko, an einem Mamma- und/oder einem Ovarialkarzinom zu erkranken. Mastektomie und/oder Ovarektomie sind wirksame prophylaktische Maßnahmen. In Deutschland wird für das Mammakarzinom die Früherkennung unter Einschluss der Magnetresonanztomographie ab dem 25. Lebensjahr bevorzugt, siehe Onkopedia Mammakarzinom.

3.2Früherkennung

Für Frauen ab dem 20. Lebensjahr gehören jährliche Früherkennungsuntersuchungen auf Zervixkarzinom und ab dem 30. Lebensjahr jährliche Früherkennungsuntersuchungen auf Mammakarzinom zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland.

Darüber hinaus gibt es kein allgemeines Früherkennungsprogramm für Heranwachsende und junge Erwachsene ohne familiäre Belastung oder andere, anerkannte Risikofaktoren. Anleitungen zur Selbstuntersuchung der Haut, der Brust und der Hoden werden propagiert, sind aber nicht Bestandteil qualitätsgesicherter Gesundheitsprogramme und haben evtl. sogar negative Auswirkungen (hoher Anteil falsch positiver Befunde, Auslösung von Angst und Stress). Bei Angehörigen von Familien mit bekannter hereditärer Belastung wird frühzeitig eine genetische Beratung empfohlen. Früherkennungsmaßnahmen sollten spätestens 10 Jahre vor dem Alter der Erstdiagnose der erkrankten Verwandten beginnen.

Bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen mit nachgewiesenen, prädisponierenden Erkrankungen, z. B. chronisch entzündlicher Darmerkrankung, wird die Erstellung eines individuellen Plans für Früherkennungsmaßnahmen empfohlen.

Anfang 2015 wurde das erste, spezielle Früherkennungsprogramm für Zweitneoplasien bei jungen Krebspatienten in Deutschland gestartet. Es betrifft weibliche Patienten mit Hodgkin Lymphom, die im Alter zwischen 9 und 18 Jahren eine Mediastinalbestrahlung erhielten. Diese Patientinnen haben ein stark erhöhtes Mammakarzinomrisiko [144042]. Das von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Programm beinhaltet eine intensivierte Früherkennung ab dem 25. Lebensjahr unter Einschluss einer jährlichen Magnetresonanztomographie der Brust.

Eine Übersicht für spezifische Programme ist in Krebsfrüherkennung in Deutschland zusammengestellt.

4Aufklärung

Die Inhalte der Aufklärungsgespräche mit Heranwachsenden und jungen Erwachsenen sind in Tabelle 2 in Form einer Checkliste zusammengefasst.

Tabelle 2: Inhalte der Aufklärung von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen 

Inhalt

Checkliste

Art der malignen Erkrankung und Stadium

Therapie

------

Standard

Alternativen

Studien

Festlegung des Therapieplans

Prognose

Nebenwirkungen

------

akute Nebenwirkungen

mittel- und langfristige Nebenwirkungen

Fertilität

Strategien zur Vermeidung von Nebenwirkungen

psychoonkologische Unterstützung

soziale Unterstützung

Informationsmaterial, weitere Informationsquellen

Benennung der Ansprechpartner

5Therapiekonzepte

Die Therapie ist bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen nicht prinzipiell anders als bei älteren Patienten. Dennoch sollten diese Patienten in medizinischen Zentren behandelt werden, die umfangreiche Erfahrungen in der Therapie von Krebserkrankungen in dieser Alterskohorte haben und Unterstützungsangebote wie psychosoziale Beratung, Fertilitätssprechstunde u. a. bereithalten [9]. Die Therapie richtet sich nach der histo- bzw. zytologischen Diagnose, nach dem Erkrankungsstadium, biologischen Risikofaktoren und der Komorbidität. Die Verteilung der biologischen Subtypen kann sich von der Verteilung bei älteren Patienten unterscheiden [121]. Informationen über aktuelle Empfehlungen sind in Tabelle 3 für die häufigeren Erkrankungen aufgeführt.

Tabelle 3: Empfehlungen und Informationsquellen zur Therapie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen 

Tumorentität

Fachgesellschaft / Organisation / Quelle

Akute lymphatische Leukämie (ALL)

Onkopedia Leitlinie

Kompetenznetz Leukämie: http://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/all/

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-014.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/leukaemien/pohpatinfoall120060414/index_ger.html

Akute myeloische Leukämie (AML)

Onkopedia Leitlinie

Kompetenznetz Leukämie: http://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/aml/

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-031.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/leukaemien/pohpatinfoaml120060414/index_ger.html

Chronische myeloische Leukämie (CML)

Onkopedia Leitlinie

Kompetenznetz Leukämie: http://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/cml/

Ewing Sarkom

Onkoepdia Leitlinie

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-006.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/weitere_solide_tumoren/ewing_sarkom/pohpatinfoewingkurz20101215/index_ger.html

Hirntumore (ZNS-Tumoren)

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-022.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/zns_tumoren/index_ger.html

Hodentumore (Keimzelltumore)

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-010.html

Hodgkin Lymphom

Onkoepdia Leitlinie

Kompetenznetz Maligne Lymphome: http://www.lymphome.de/InfoLymphome/HodgkinLymphome/index.jsp

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-012.html +

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/lymphome/pohpatinfomh120060715/index_ger.html

Mammakarzinom

Onkopedia Leitlinie Mammakarzinom der Frau

Onkopedia Leitlinie Mammakarzinom des Mannes

AWMF S3 Leitlinie: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-045OL.html

AGO: http://www.ago-online.de/

Melanom, maligne

Onkoepdia Leitlinie

AWMF / DDG: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-024OL.html

Non-Hodgkin Lymphom, aggressiv

Onkoepdia Leitlinie

Kompetenznetz Maligne Lymphome: http://www.lymphome.de/InfoLymphome/NonHodgkinLymphome/index.jsp

AWMF / GPOH: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-013.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/lymphome/pohpatinfonhl120061026/index_ger.html

Osteosarkome

AWMF / GPOH http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-005.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/weitere_solide_tumoren/osteosarkom/pohpatinfoosteosarkomkurz20101215/index_ger.html

Weichteilsarkome

Onkoepdia Leitlinie

AWMF / GPOH http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-007.html

Kinderkrebsinfo: http://www.kinderkrebsinfo.de/erkrankungen/weitere_solide_tumoren/weichteilsarkom__tumor/pohpatinfoweichteiltumorkurz20101215/index_ger.html

Zervixkarzinom

AWMF / DGGG http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-033OL.html

Für einige maligne Erkrankungen, die sowohl bei Kindern / Jugendlichen als auch bei Erwachsenen auftreten, existieren in der Pädiatrie und in der Internistischen Onkologie unterschiedliche Therapieprotokolle. Betroffen sind das Hodgkin Lymphom, die akuten Leukämien, aggressive Non-Hodgkin Lymphome, Sarkome und bestimmte Hirntumore. Die Behandlungskonzepte basieren auf denselben Modalitäten (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, gezielte Therapie, u. a.), unterscheiden sich aber in Dosierungen, Therapiedauer und -intervallen, oder der Indikation zum Einsatz der Stammzelltransplantation. Eine veränderte Pharmakodynamik aufgrund von hormonellen Einflüssen, Veränderungen der Körperzusammensetzung aber auch aufgrund des Konsums von Drogen und Alkohol ist zu bedenken [47].

Im Unterschied zur internationalen Literatur macht es im deutschsprachigen Raum keinen prognostischen Unterschied, ob Heranwachsende nach Protokollen der Pädiatrie oder der internistischen Onkologie behandelt werden [https://www.onkopedia.com/de/wissensdatenbank/wissensdatenbank/wissensdatenbank/heranwachsende-und-junge-erwachsene-aya-adolescents-and-young-adults].

Heranwachsende und junge Erwachsene sollen im Rahmen der Therapieoptimierungsstudien der internistischen bzw. der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie behandelt werden, siehe Tabellen 3 und 4.

6Psychosoziale Situation

Die Diagnose einer Krebserkrankung gehört für alle Betroffenen zu den intensivsten Lebenserfahrungen. Bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen kommt sie zu einem Zeitpunkt, an dem Gedanken an eigene Krankheit und Tod weit entfernt sind. Andere Themen stehen im Vordergrund, je nach Stadium der Persönlichkeitsreifung: Unabhängigkeit, Akzeptanz bei Freunden und Partnern, sexuelle Orientierung und Erfahrung, Mobilität, Alkohol- und Drogenkonsum, Lösung vom Elternhaus, Ausbildung, Arbeitsplatz und Karriere, Gründung einer Familie u. a. [3237].

In der Konfrontation mit einer existentiell bedrohlichen Krankheit stagnieren die Prozesse von Ablösung, Identitätsfindung und -orientierung. Fremdbestimmtheit und Abhängigkeit nehmen objektiv und subjektiv wieder zu. Im Vergleich mit älteren Patienten weisen Heranwachsende und junge Erwachsene größere psychosoziale Defizite auf [2329] und sind zusätzlich durch finanzielle Probleme stärker belastet. Auf der anderen Seite neigen sie weniger zur Verleugnung der Krebsdiagnose [49].

Zur qualifizierten Behandlung der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen gehören das frühzeitige und langfristige Angebot einer psychoonkologischen Betreuung und die professionelle Unterstützung bei der Bewältigung sozialer, auch beruflicher und finanzieller Probleme. Darüber hinausgehend können Kontakte zu Gleichbetroffenen ähnlichen Alters über Selbsthilfegruppen oder soziale Medien die Krankheitsverarbeitung fördern und dabei helfen, das Gefühl der Einsamkeit zu bewältigen. So führten beispielsweise Sommercamps und erlebnispädagogische Programme zu einer Verbesserung der Selbstzufriedenheit, der Unabhängigkeit und der sozialen Kontakte [4452].

7Therapieadhärenz

Therapieadhärenz ist ein besonderes Thema bei der Betreuung von Heranwachsenden und jungen Erwachsenen [839]. Eine labile psychische Situation, das Streben nach Unabhängigkeit und belastende soziale Faktoren sowie konkurrierende Verpflichtungen (Familie, Schule, Beruf) können die Therapieadhärenz beeinträchtigen und die Prognose verschlechtern [850]. Hierzu gehört auch eine größere Risikobereitschaft mit verzögerter Reaktion auf kritische Nebenwirkungen und großzügiger Interpretation vorgegebener Therapieintervalle [39].

Strategien zur Unterstützung der Therapieadhärenz sind

  • klare Informationen (z.B. Dosis, Wirkung und Nebenwirkung jedes verordneten Medikaments)

  • Vermittlung von Zugang zu weiteren Informationsquellen [23]

  • Vermittlung von Kontakten zu gleichaltrig Betroffenen

  • gleiche Sprachebene

  • Shared Decision Making (partizipative Entscheidungsfindung) ab dem ersten Arzt-Patient-Kontakt

  • Schaffen einer Vertrauensbasis

  • klare Festlegung der Ansprechpartner

  • aktive, verantwortliche Rolle des Patienten

  • Förderung der altersadäquaten Entwicklung des Patienten

  • Vermittlung von seriösen Ansprechpartnern in der Komplementär- und Alternativmedizin, wenn dies vom Patienten gewünscht wird [9]

  • Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen in auf die Altersgruppe spezialisierten Einrichtungen.

Nicht hilfreich sind überprotektives, überkontrollierendes Verhalten und eine schematische Behandlung als „Kinder“ oder „unreife Erwachsene“.

8Langzeitfolgen der Therapie und Zweiterkrankungen

Überlebende von Krebserkrankungen im Alter von 15-39 Jahren haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Langzeitfolgen. Im Vergleich zu ihren Geschwistern leiden Patienten 30 Jahre nach Therapie einer Tumorerkrankung in der Kindheit oder Adoleszenz achtmal so häufig an Komorbiditäten [36]. Dabei spielt sowohl das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose als auch die Art der Behandlung eine wesentliche Rolle und wird von Lebensgewohnheiten, Begleiterkrankungen und familiären Risikofaktoren beeinflusst. Im Gegensatz zu Kindern oder älteren Menschen haben Heranwachsende und junge Erwachsene ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von kardialen Toxizitäten, pulmonalen Komplikationen, Sekundärmalignomen sowie psychosozialen Schwierigkeiten [51]. Zudem neigen sie im Vergleich zu nicht erkrankten Gleichaltrigen häufiger zu gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen mit Übergewicht und Nikotinabusus [43].

8.1Fertilität

Häufige Folgen medikamentöser Tumortherapie können eine Einschränkung der Ovarialfunktion bis zu ovariellem Versagen (POF – Premature Ovarian Failure) bei Frauen und eine Azoospermie bei Männern sein. Auch die Strahlentherapie des kleines Beckens bei Frauen, der Hoden und des Schädels beeinträchtigen die Fertilität. Risikofaktoren für eine permanente Infertilität sind [52531]

  • Alter zum Zeitpunkt der Therapie

  • Art der Therapie: Bestrahlung, Chemotherapie

  • Intensität der Therapie und kumulative Dosis

Die Information über das Risiko der Infertilität muss bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen Bestandteil des Aufklärungsgesprächs sein.

8.1.1Frauen

In Abhängigkeit von den verwendeten Medikamenten bzw. einer Bestrahlung des Beckens kann es unter bzw. kurz nach der Therapie zum akuten Versagen der ovariellen Funktion (Acute Ovarian Failure) kommen oder zum frühzeitigen Eintritt der Menopause (Premature Ovarian Failure) nach einer Zeit der scheinbar ungestörten Ovarialfunktion. Die Menstruationsanamnese ist ein unzuverlässiger klinischer Parameter. Am besten geeignet zur Bestimmung des ovariellen Follikelpools ist die Serumbestimmung des Anti-Müller Hormons (AMH) [46] und des FSH-Wertes. Es gibt allerdings keine Möglichkeit, mittels des AMH Wertes oder anderer Serum-Hormonwerte sichere Aussagen zur Fertilität zu machen.

Inzwischen stehen verschiedene fertilitätserhaltende Maßnahmen zur Verfügung. Die Wahl der geeigneten Methode ist abhängig von

  • Art der onkologischen Therapie

  • Zeitfenster bis zum erforderlichen Beginn der onkologischen Therapie

  • Wahrscheinlichkeit für ovarielle Metastasierung

  • Partnerstatus

  • Alter

  • Patientenwunsch

  • Kosten

In Deutschland, Österreich und der Schweiz hat sich seit 2006 ein Netzwerk für fertilitätsprotektive Maßnahmen unter Chemo- und Strahlentherapie etabliert [25]. Patientinnen mit prospektivem Kinderwunsch sollen vor Einleitung der onkologischen Therapie einem reproduktionsmedizinischen Zentrum mit Erfahrungen auf diesem Gebiet vorgestellt werden.

8.1.1.1Ovariopexie

Die Follikel sind hoch strahlensensitiv. Bei einer geplanten Bestrahlung des kleinen Beckens unter Einschluss der Ovarien kann deren Funktion durch chirurgische Verlagerung nach kraniolateral, d. h. aus dem Strahlenfeld, geschützt werden. Wenn möglich, sollte die Ovariopexie minimal invasiv als Laparoskopie durchgeführt werden oder im Rahmen einer offenen Tumoroperation. Aufgrund der Streustrahlung kann die Kombination dieser Maßnahme mit der Entnahme von Ovargewebe zur Kryokonservierung erwogen werden.

Bei kombinierter Radiochemotherapie ist das zusätzliche Schädigungsrisiko durch die geplanten Zytostatika bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass die ovarielle Funktion nach diesem Verfahren bei 88,6% der Patientinnen erhalten blieb [6].

8.1.1.2Kryokonservierung von fertilisierten und unfertilisierten Oozyten

Nach hormoneller Stimulation werden Eizellen mittels vaginaler Follikelpunktion gewonnen. Bei Patientinnen mit festem Partner besteht die Möglichkeit der IVF oder intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mit Kryokonservierung befruchteter Eizellen, allerdings können die befruchteten Eizellen später nur mit dem Einverständnis beider Partner zurückgegeben werden. Eine Alternative ist die Kryokonservierung von nicht fertilisierten Oozyten. Mit Einführung neuer Einfriertechniken ist die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen fast so effektiv wie die von fertilisierten Oozyten möglich. Die Überlebensrate unfertilisierter Oozyten liegt bei der Vitrifikation (ultraschnelles Einfrieren) bei nahezu 100% [35].

Der Zeitbedarf für die hormonelle Stimulation beträgt etwa 14 Tage, die Stimulation kann mittels neuer Stimulationsprotokolle zyklusunabhängig begonnen werden [2648]. Das Auftreten eines ovariellen Überstimulationssyndroms (= OHSS) mit einer notwendigen Verschiebung des Beginns der Chemotherapie ist selten. Diese Methode eignet sich nicht für präpubertäre Mädchen oder für Frauen mit Östrogen-empfindlichen malignen Erkrankungen, z. B. Mamma- oder Endometriumkarzinom. In solchen Fällen könnte die In-vitro-Reifung von unreifen Oozyten (IVM) eine Option sein.

8.1.1.3Kryokonservierung von Ovarialgewebe

Die Entnahme von ovariellem Gewebe und anschließende Kryokonservierung stellt eine vielversprechende Methode der Fertilitätsprotektion dar [29]. Die Gewinnung des ovariellen Gewebes kann minimal invasiv im Rahmen einer Laparoskopie durch unilaterale Ovarektomie oder eine partielle Ovarektomie erfolgen. Die Menge des zu entnehmenden Gewebes richtet sich dabei nach der Wahrscheinlichkeit des Verlustes aller Eizellen. Nach Entnahme wird das Gewebe direkt eingefroren oder in speziellen Transportbehältern in ein Zentrum mit angeschlossener Kryobank überführt [12].

Die Kryokonservierung und Transplantation von Ovarialgewebe befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Die Erfahrungen nehmen zu, die Techniken werden weiter entwickelt und verbessert. Mittlerweile hat die Fertilitätserhaltung mit Hilfe dieser Methode die Grenze von einem rein experimentellen Ansatz hin zu einer realistischen Chance für die Patientinnen nach Therapie der onkologischen Erkrankung und dadurch bedingter Sterilität überschritten. Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe kann daher jeder Krebspatientin in reproduktivem Alter nach entsprechender Beratung angeboten werden. Auch Patientinnen mit hämatologischen Erkrankungen und einem erhöhten Risiko für ovarielle Metastasierung sollte die Kryokonservierung von Ovarialgewebe angeboten werden. Diese Patientinnen können von den zukünftig erwarteten Fortschritten auf dem Gebiet der In-vitro-Kultivierung oder Xenotransplantation profitieren [20].

Aufgrund der mit dem Alter abnehmenden Follikeldichte im Ovar wird diese fertilitätsprotektive Technik nur bei Frauen bis zu einem Alter von 35-38 Jahren empfohlen. Der Zeitbedarf beträgt 2 Tage und die Maßnahme ist partnerunabhängig. Bedenken bestehen jedoch hinsichtlich der potentiellen Reübertragung von malignen Zellen, insbesondere bei Leukämiepatienten. In 1,3% (5/391) der Fälle waren im Ovargewebe von Patientinnen mit hämatologischen Neoplasien vor der Kryokonservierung lichtmikroskopisch maligne Zellen nachweisbar [13].

Einer weiteren Studie zufolge konnte in allen Patientinnen (n=5) 12-20 Wochen nach der Transplantation eine zeitweise Erholung der ovariellen Funktion nachgewiesen werden. [24], was insbesondere auch die endokrinologische Situation der Patientin verbessert. Weltweit sind bereits Berichte von über 42 Schwangerschaften nach Kryokonservierung und orthotoper Autotransplantation der kortikalen Eierstockgewebe publiziert worden. Diese Methode ist besonders geeignet für jüngere Patientinnen, bei denen eine hohe Follikeldichte zu erwarten ist.

Die Retransplantation sollte frühestens zwei Jahre nach Behandlungsabschluss in enger Abstimmung mit den behandelnden Onkologen erfolgen.

8.1.1.4GnRH Analoga

Die Applikation eines Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten (GnRH-Agonisten) vor Beginn der Chemotherapie soll zu einer verminderten Zellteilungsaktivität im Ovar führen und dies wiederum zu einer verminderten Chemosensitivität im Ovar während der Chemotherapie. Die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse zeigten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Nichteintreten eines prämaturen ovariellen Versagens sowie das Auftreten spontaner Ovulationen nach Applikation von GnRH-Agonisten [4]. Die Daten der randomisierten Prevention-of-Menopause-Induced-by-Chemotherapy (PROMISE)-GIM6-Studie zeigte bei 25,9% der Patientinnen ohne begleitende Applikation eines GnRH-Agonisten ein Jahr nach Beendigung der Chemotherapie eine sekundäre Amenorrhö mit postmenopausalen FSH-Werten. In der GnRH-Agonistengruppe war dies nur bei 8,9% der Patientinnen der Fall (p >0,001) [11].

Es wird kritisch diskutiert, ob eine Suppression der hypophysären Funktion bei Patientinnen mit bei Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom zu einer Reduktion der Ansprechbarkeit der Tumorzellen auf die zytostatische Therapie führt. Da die Frage noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, sollte dies in die individuelle Nutzen-Risiko-Beurteilung bei Hormonrezeptor positiven Tumoren einbezogen werden.

Bei Strahlentherapie sind GnRH Analoga nicht protektiv wirksam. Diese Methode ist nicht für präpubertäre Mädchen geeignet.

Nebenwirkungen der GnRH Analoga können klimakterische Beschwerden sein. Eine Behandlung über die Dauer von 6 Monaten oder länger kann zu einer Reduktion der Knochenmasse führen.

8.1.2Männer

Transiente Infertilität ist eine häufige Nebenwirkung onkologischer Therapie bei Männern. Sie kann bis zu 2 Jahre nach Therapieende persistieren, in Abhängigkeit von der Art der Behandlung auch irreversibel sein. Messparameter im Ejakulat sind Spermienkonzentration, - motilität und – morphologie.

Allerdings geben die Ergebnisse des Spermiogramms nur Anhaltspunkte für die Fertilität der Patienten. Dies ist bei der Beratung über Verhütungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

8.1.2.1Kryokonservierung von Spermien

Die Kryokonservierung von durch Masturbation gewonnenen Spermien ist eine sichere und etablierte Methode [2527]. Sie wird vor Beginn der Chemo- oder Strahlentherapie durchgeführt. Eine optimale Ausbeute wird nach sexueller Abstinenz über mindestens 48 Stunden erzielt. Erfolgreiche Befruchtungen sind nach Kryokonservierung der Spermien über weit mehr als 10 Jahre möglich.

Falls Masturbation oder Ejakulation nicht möglich sind, besteht die Möglichkeit der Spermiengewinnung durch eine Hodenbiopsie.

Die Kryokonservierung des Ejakulats ist das Mittel der Wahl zur Fertilitätskonservierung bei Männern. Diese sollte bei Erwachsenen und pubertierten Patienten mit einem Hodenvolumen ab 10-12 ml vor Beginn der onkologischen Therapie in Betracht gezogen werden [22].

Bei späterem Kinderwunsch kann diese Reserve in Rahmen der assistierten Reproduktion eingesetzt werden. Diese Methode bietet aber nicht die Möglichkeit, den erlittenen Hodendefekt zu heilen. Für heranwachsende Jungen am Beginn der Pubertät bietet sich die Möglichkeit, durch Extraktion aus Hodenbiopsaten oder durch Elektroejakulation Keimzellen für die Kryokonservierung zu gewinnen [30]. Beide Methoden stellen jedoch einen invasiven Eingriff und eine nicht zu unterschätzende psychologische Herausforderung für junge Patienten dar.

8.2Zweitneoplasien

Patienten mit der Erstdiagnose einer Krebserkrankung im Alter zwischen 18 – 39 Jahren haben insgesamt ein 2 – 3 Fach erhöhtes Risiko für eine Zweitneoplasie [10]. Das Muster der Zweitneoplasien ist vor allem abhängig von der Art der Ersterkrankung und deren Therapie. Dominierende Ursache sind gemeinsame prädisponierende Faktoren, z. B. genetisch oder toxisch: Das relativ höchste Risiko für Patienten mit Mammakarzinom oder Hodentumoren ist eine kontralaterale Zweitneoplasie.

Bestandteile der onkologischen Therapie wie Bestrahlung oder bestimmte Substanzen der Chemotherapie haben selbst mutagenes Potential. Das höchste Risiko besteht bei kombinierter oder sequentieller Radiochemotherapie und / oder Hochdosistherapien. Distinkte Zweitneoplasien sind das Mammakarzinom bei Patientinnen mit Z. n. Mediastinalbestrahlung vor dem 30. Lebensjahr [10] oder das Schilddrüsenkarzinom bei Z. n. Zervikalbestrahlung vor dem 20. Lebensjahr [10]. Der relative Anteil iatrogener Zweitneoplasien ist gering [10].

Allgemein gültige Konzepte im Sinne von Nachsorge = Vorsorge gibt es bisher für Heranwachsende und junge Erwachsene nicht. Individuelle Konzepte für Prävention und Früherkennung von Zweitneoplasien orientieren sich an der jeweiligen Erstdiagnose.

8.3Weitere Spätfolgen

Vor allem die medikamentöse Therapie und die Bestrahlung, aber auch Operationen, können langfristig endokrine, kardiovaskuläre, pulmonale und andere somatische Funktionen beeinträchtigen. Eine Übersicht über häufige Spätfolgen und therapiebedingte Risikofaktoren liefert Tabelle 4. Die Folgen sind nicht spezifisch für Heranwachsende und junge Erwachsene, führen aber gerade bei diesen Patienten zu erheblicher Morbidität und Beeinträchtigung der Lebensqualität. Aufgrund fehlender kontrollierter Studien muss die Beratung, Diagnostik und Therapie risikoadaptiert auf individueller Basis erfolgen. Nach Abschluss der Behandlung empfiehlt sich die Erstellung eines zusammenfassenden Berichtes über die gesamte verabreichte Therapie, das Therapieansprechen und etwaige Komplikationen. Dieser Bericht soll dem Patienten mit entsprechenden Empfehlungen zur Langzeitnachsorge ausgehändigt werden.

Tabelle 4: Häufige Spätfolgen und therapiebedingte Risikofaktoren 

Erkrankungen und therapiebedingte Risikofaktoren

Kardiovaskuläre Erkrankungen

KHK: z.B.: Ganzkörperbestrahlung, Mediastinal- oder Thoraxbestrahlung mit >20Gy

Herzklappenerkrankungen/Kardiomyopathie: z.B.:

kumulative Anthrazylindosis >300mg/m², Lungenbestrahlung >30Gy,

Pulmonale Erkrankungen

Lungenfibrose: z.B.: Thoraxbestrahlung >15Gy, Ganzkörperbestrahlung, Bleomycin >400U/m², Kombination von Thoraxbestrahlung und Chemotherapie (Bleomycin, Busulfan >500mg, Carmustin >600mg/m²)

Endokrine Funktionsstörungen

Hypothyreose: z.B.: Schilddrüse lag mit im Bestrahlungsfeld, zentrale Hypothyreose nach Bestrahlung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse

Hypogonadismus: z.B.: nach Bestrahlung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, Ganzkörperbestrahlung, Abdomen-/Beckenbestrahlung, Therapie mit Alkylanzien

Defizit an Wachstumshormon: z.B.: Bestrahlung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse mit >18Gy

Knochenstoffwechsel

Osteoporose

Aseptische Knochennekrosen

oft in Zusammenhang mit prolongierter und/oder hochdosierter Steroidtherapie

Renale Erkrankungen

Niereninsuffizienz: z.B.: Bestrahlung >10 Gy, Kombination von Bestrahlung und nephrotoxischen Medikamenten (z.B. Cisplatin, Ifosfamid, Aminoglykoside, Amphotericin, Calcineurininhibitoren)

Zweitneoplasien

Myelodysplastisches Syndrom/akute myeloische Leukämie: z.B.: Alkylanzien, Cisplatin, Anthrazykline

Schilddrüsenkarzinom: z.B.: Schilddrüse lag mit im Bestrahlungsfeld

Mammakarzinom: z.B.: Thoraxbestrahlung > 20Gy vor dem 30. Lebensjahr

Kolorektales Karzinom: z.B.: Abdomen- u./od. Beckenbestrahlung >30Gy

Blasenkarzinom: z.B.:.Cyclophosphamid >3g/m², Beckenbestrahlung >30Gy

Neben den Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen der Langzeitnachsorge sind Empfehlungen für supportivmedizinische Maßnahmen in speziellen Patientengruppen (z.B. Auffrischung der Impfungen) zu beachten.

9Rehabilitation

Die onkologische Therapie kann zu Folgestörungen unterschiedlichen Schweregrades führen. Wichtigste Ziele rehabilitativer Maßnahmen sind die Überwindung körperlicher Einschränkungen, die Förderung der Krankheitsverarbeitung, Reintegration in das gesellschaftliche und berufliche Leben [33].

Die Patienten sollen über die Möglichkeiten ambulanter und stationärer Rehabilitationsmaßnahmen sowie weiterer Ansprüche, die sich aus dem Sozialrecht ergeben, frühzeitig informiert werden. Hinsichtlich der Rehabilitationsklinik sollen die Wünsche der Patienten berücksichtigt werden (§9 SGB IX). Für Heranwachsende und junge Erwachsenen wird die Rehabilitation in Einrichtungen empfohlen, die auf die besonderen Bedürfnisse dieser Patientengruppe spezialisiert sind.

Ein besonderes Beratungsangebot für rehabilitative Maßnahmen und sozialmedizinische Unterstützung bietet die Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs [https://www.junge-erwachsene-mit-krebs.de ].

10Literatur

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12Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Peter Borchmann
Uniklinik Köln
Klinik I für Innere Medizin
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Prof. Dr. Jutta Engel
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie
Ludwig-Maximilian-Universität München
Marchioninistr. 15
81377 München
Dr. med. Pia Heußner
Klinikum Garmisch-Partenkirchen
Onkologisches Zentrum Oberland
Prof.-Küntscher-Str. 8
82418 Murnau
apl. Prof. Dr. med. Inken Hilgendorf
Universitätsklinikum Jena
KIM II
Abt. für Hämatologie und Internistische Onkologie
Am Klinikum 1
07747 Jena
Prof. Dr. med. Alexander Katalinic
Uniklinikum Schleswig-Holstein
Institut f. Krebsepidemiologie e. V.
Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Prof. Dr. med. Andreas Neubauer
Universitätsklinikum Gießen und Marburg
Hämatologie, Onkologie u. Immunologie
Baldinger Str.
35043 Marburg
Prof. Dr. Gohar Rahimi
Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Kerpener Str. 62
50924 Köln
PD Dr. med. Wolfgang Willenbacher
Universitätsklinikum Innsbruck
Innere Med. V
Hämato-Onkologie
Anichstr. 35
A-6020 Innsbruck
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann
Amb. Gesundheitszentrum der Charité
Campus Virchow-Klinikum
Med. Klinik m.S. Hämatologie & Onkologie
Augustenburger Platz 1
13344 Berlin

13Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) und internationalen Empfehlungen.

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Reference:

Quellenangabe:

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Kommentare

07.03.2023 14:02
Mathias Freund sagt
07.03.2023 14:02

Ovariopexie
Die Follikel sind hoch strahlensensitiv. Bei einer geplanten Bestrahlung des kleinen Beckens unter Einschluss der Ovarien kann deren Funktion durch chirurgische Verlagerung nach kraniolateral, d. h. aus dem Strahlenfeld, geschützt werden. Wenn möglich, sollte die Ovariopexie minimal invasiv als Laparoskopie durchgeführt werden oder im Rahmen einer offenen Tumoroperation. Aufgrund der Streustrahlung kann die Kombination dieser Maßnahme mit der Entnahme von Ovargewebe zur Kryokonservierung erwogen werden.

erwogen werden ist meiner Meinung nach angesichts der unsicheren Datenlage über die Ergebnisse der O. (nur Fallserien) zu schwach. Wenn die Ovarien schon operativ angefasst werden, dann ist eigentlich auch eine Kryokonservierung von Ovarialgewebe sinnvoll.

14.03.2023 11:48
Christoph Mußmann sagt
14.03.2023 11:48

Lieber Herr Freund, wir haben uns sehr über die kritische Durchsicht und die persönliche, begleitende E-Mail gefreut. Die Leitliniengruppe wird das Thema für die nächste Aktualisierung aufnehmen.

07.03.2023 14:08
Mathias Freund sagt
07.03.2023 14:08

8.1.1.2Kryokonservierung von fertilisierten und unfertilisierten Oozyten
Nach hormoneller Stimulation werden Eizellen mittels vaginaler Follikelpunktion gewonnen. Bei Patientinnen mit festem Partner besteht die Möglichkeit der IVF oder intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mit Kryokonservierung befruchteter Eizellen, allerdings können die befruchteten Eizellen später nur mit dem Einverständnis beider Partner zurückgegeben werden. Eine Alternative ist die Kryokonservierung von nicht fertilisierten Oozyten. Mit Einführung neuer Einfriertechniken ist die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen fast so effektiv wie die von fertilisierten Oozyten möglich. Die Überlebensrate unfertilisierter Oozyten liegt bei der Vitrifikation (ultraschnelles Einfrieren) bei nahezu 100% [35].

Die Bewertung der Kryokonservierung fertilisierter / imprägnierter Eizellen muss meiner Meinung nach klarer sein. Sie ergibt keine Vorteile. Es gibt meines Wissens keine Daten, die eine Überlegenheit für das Einfrieren fertilisierter / imprägnierter Eizellen gegenüber unfertilisierten zeigt. Dazu kommt der Nachteil der Partnerbindung und die Tatsache, dass die Kryokonservierung fertilisierter / imprägnierter Eizellen von den GKV nicht bezahlt wird. Die Patienten erfahren nach den Erfahrungen der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs durch die Kryokonservierung fertilisierter / imprägnierter Eizellen, die in der Regel in Kombination mit der Kryokonservierung unfertilisierter Eizellen angeboten wird eine erhebliche finanzielle Belastung.

14.03.2023 11:47
Christoph Mußmann sagt
14.03.2023 11:47

Lieber Herr Freund, wir haben uns sehr über die kritische Durchsicht und die persönliche, begleitende E-Mail gefreut. Die Leitliniengruppe wird das Thema für die nächste Aktualisierung aufnehmen.

07.03.2023 14:11
Mathias Freund sagt
07.03.2023 14:11

8.1.1.3Kryokonservierung von Ovarialgewebe
Die Entnahme von ovariellem Gewebe und anschließende Kryokonservierung stellt eine vielversprechende Methode der Fertilitätsprotektion dar [29]. Die Gewinnung des ovariellen Gewebes kann minimal invasiv im Rahmen einer Laparoskopie durch unilaterale Ovarektomie oder eine partielle Ovarektomie erfolgen. Die Menge des zu entnehmenden Gewebes richtet sich dabei nach der Wahrscheinlichkeit des Verlustes aller Eizellen. Nach Entnahme wird das Gewebe direkt eingefroren oder in speziellen Transportbehältern in ein Zentrum mit angeschlossener Kryobank überführt [12].

Die Kryokonservierung und Transplantation von Ovarialgewebe befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Die Erfahrungen nehmen zu, die Techniken werden weiter entwickelt und verbessert. Mittlerweile hat die Fertilitätserhaltung mit Hilfe dieser Methode die Grenze von einem rein experimentellen Ansatz hin zu einer realistischen Chance für die Patientinnen nach Therapie der onkologischen Erkrankung und dadurch bedingter Sterilität überschritten.


Die Einordnung der Ovarialgewebekonservierung ist heute eindeutig nach AWMF-Leitlinie und G-BA nicht mehr experimentell, sondern ein etabliertes Verfahren und wird ab Mitte 2023 von den Kassen regelhaft finanziert werden. Hier muss die LL angepasst werden.

14.03.2023 11:47
Christoph Mußmann sagt
14.03.2023 11:47

Lieber Herr Freund, wir haben uns sehr über die kritische Durchsicht und die persönliche, begleitende E-Mail gefreut. Die Leitliniengruppe wird das Thema für die nächste Aktualisierung aufnehmen.

07.03.2023 14:22
Mathias Freund sagt
07.03.2023 14:22

8.1.1.4GnRH Analoga
Die Applikation eines Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten (GnRH-Agonisten) vor Beginn der Chemotherapie soll zu einer verminderten Zellteilungsaktivität im Ovar führen und dies wiederum zu einer verminderten Chemosensitivität im Ovar während der Chemotherapie. Die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse zeigten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Nichteintreten eines prämaturen ovariellen Versagens sowie das Auftreten spontaner Ovulationen nach Applikation von GnRH-Agonisten [4]. Die Daten der randomisierten Prevention-of-Menopause-Induced-by-Chemotherapy (PROMISE)-GIM6-Studie zeigte bei 25,9% der Patientinnen ohne begleitende Applikation eines GnRH-Agonisten ein Jahr nach Beendigung der Chemotherapie eine sekundäre Amenorrhö mit postmenopausalen FSH-Werten. In der GnRH-Agonistengruppe war dies nur bei 8,9% der Patientinnen der Fall (p >0,001) [11].

Diese Aussagen sollte man straffen und klarstellen:
1. Es gibt Evidenz aus den vorliegenden Studien, dass die Rate an Amenorrhoe und vorzeitige Menopause vermindert werden kann durch GnRH Agonisten
2. Für eine Fertilitätsprotektion mit Endpunkt Geburten geben die vorliegenden Studien keinen Beleg.
Daher ist die Aussage in der AWMF-Leitlinie richtig, dass GnRH Agonisten keine Alternative zu den anderen fertilitätsprotektiven Maßnahmen sind. Für die Praxis ist besonders diese Aussage wichtig, da leider die Patienten es oft so verstehen.

14.03.2023 11:47
Christoph Mußmann sagt
14.03.2023 11:47

Lieber Herr Freund, wir haben uns sehr über die kritische Durchsicht und die persönliche, begleitende E-Mail gefreut. Die Leitliniengruppe wird das Thema für die nächste Aktualisierung aufnehmen.