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Inhaltsverzeichnis

Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Blut- und Krebserkrankungen

Stand April 2023
Dies ist die aktuell gültige Version des Dokuments

1Zusammenfassung

Das Coronavirus SARS-CoV-2 und die damit verbundene Infektionskrankheit COVID-19 stellen eine große Herausforderung für die Gesundheitssysteme weltweit dar. Die Infektion verläuft in Wellen mit unterschiedlicher Ausprägung in den verschiedenen Regionen und Staaten. Sich rasch verbreitende SARS-CoV-2-Varianten und -Rekombinanten, aber auch die durch Erkrankung und Schutzimpfungen entwickelte Immunität, verändern das Krankheitsbild.

Patientinnen und Patienten (Pat.) mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen gehören - weiterhin - zu den vulnerablen Patientengruppen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19. Die Empfehlungen sind:

  • Achtsamkeit im Umfeld, einschl. Tragen einer FFP2-Maske in Situationen mit erhöhter Expositionsgefahr; das betrifft auch Institutionen mit einer hohen Zahl vulnerabler Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen.

  • Impfung einschl. regelmäßiger Auffrischimpfungen (Booster); das Risiko einer reduzierten Immunantwort aufgrund einer Immundefizienz ist keine Kontraindikation gegen eine Schutzimpfung.

  • Präexpositionsprophylaxe mit den dafür zugelassenen, monoklonalen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern in Abhängigkeit von der Wirksamkeit gegenüber den derzeit dominierenden SARS-CoV-2-Varianten und -Rekombinanten, diese ist aktuell nicht gesichert.

  • Diagnose von Infektion und Erkrankung mittels spezifischem und sensitivem PCR/NAT (Nucleic Acid Testing) oder Point-of-Care-NAT

  • Antivirale Frühtherapie einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion mit leichtem Verlauf bei Pat. mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19. Hierfür bestehen diese Therapieoptionen:

    • Virostatika

      • Nirmatrelvir/Ritonavir p.o.

      • Remdesivir i.v.

    • Monoklonale Antikörper

      • Die Wirksamkeit der zugelassenen, monoklonalen Anti-SARS-CoV-2-Antikörper ist bei den derzeit in Deutschland dominierenden SARS-CoV-2-Varianten und -Rekombinanten stark eingeschränkt.

Die Sorge vor einer SARS-CoV-2 Infektion mit schwerem Verlauf darf nicht die Bekämpfung einer bereits existierenden, lebensgefährlichen Erkrankung wie Krebs beeinträchtigen. Bei Pat. mit fieberhaften Infektionen soll frühzeitig eine gezielte Diagnostik einschl. PCR/NAT-Testung auf SARS-CoV-2, bei Symptomen einer Infektion der unteren Luftwege die bildgebende Diagnostik mittels CT Thorax eingeleitet und bei Hospitalisation und Verdacht auf COVID-19 die entsprechenden Isolationsmaßnahmen durchgeführt werden.

Unsere aktualisierten Empfehlungen basieren auf der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Infektionskrankheiten (AGIHO) der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) zum Evidenz-basierten Management von COVID-19 bei Pat. mit einer Krebserkrankung [45] und berücksichtigen die neuesten, verfügbaren Daten. Für Empfehlungen außerhalb der Hämatologie und Onkologie verweisen wir auf die von der AWMF publizierten Leitlinien [6] und weitere Leitlinien [101118]

2Grundlagen

2.1Definition

SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen RNA-Viren (Community Acquired Respiratory Viruses = CARV). Es ist ein 2019 neu beschriebenes Betacoronavirus, welches Ähnlichkeit mit dem SARS-Erreger von 2003 besitzt und seit Ende 2019 in China als Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 entdeckt wurde. Die große Mehrzahl der infizierten Personen ist a- oder oligosymptomatisch, was besonders auf die jüngere Altersgruppe in der Allgemeinbevölkerung und auf Pat. ohne zusätzliche Risikofaktoren zutrifft.

Im Laufe der Pandemie haben sich rasch zahlreiche Varianten von SARS-CoV-2 verbreitet. Diese können das Risiko einer erhöhten Übertragbarkeit, einer anderen Verbreitung im Organismus, einer Veränderung des Krankheitsbildes, einer erhöhten Sterblichkeit, einer verminderten Wirkung von Schutzimpfungen und von antiviralen Arzneimitteln tragen [87116]. Die WHO unterscheidet

  • Variants of Interest (VOI)

  • Variants of Concern (VOC).

Neue Varianten mit höherer Infektiosität haben sich auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz schnell verbreitet [289104], siehe Abbildung 1 zur Inzidenz in Deutschland [91].

Abbildung 1: Inzidenz von SARS-CoV-2-Varianten in Deutschland [91] 
Inzidenz von SARS-CoV-2-Varianten in Deutschland 91

Das aktuelle Bild im März 2023 ist durch die parallele Ausbreitung der Omikron-Varianten BA.2 und BA.5 sowie von Rekombinanten (XBB1, XBF) gekennzeichnet, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Verteilung der SARS-CoV-2 Sublinien in Deutschland im April 2023 [91] 
Verteilung der SARS-CoV-2 Sublinien in Deutschland im April 2023 91

2.2Infektion (Epidemiologie)

SARS-CoV-2 wird vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen [59]. Zur klinischen Symptomatik verweisen wir auf Kapitel 4.1. Einen aktuellen Überblick über die Rate an Neuerkrankungen geben die Weltgesundheitsorganisation [116] und für Deutschland das RKI [87], siehe Abbildung 3. Bei Interpretation der Daten sind Änderungen im Meldeverfahren und in der Testfrequenz zu berücksichtigen.

Abbildung 3: Gemeldete Neuerkrankungen in Deutschland, Stand 6. April 2023 [87] 
Gemeldete Neuerkrankungen in Deutschland, Stand 6. April 2023 87

Inzwischen sind weltweit SARS-CoV-2-Infektionen bei über 680.000.000 Personen dokumentiert, über 6.800.000 Pat. sind verstorben [116]. Die aktuellen Zahlen des Robert Koch Instituts zeigen, dass in Deutschland über 38.000.000 Pat. an COVID-19 erkrankt und inzwischen über 170.000 verstorben sind [87].

Einen besseren Überblick über die Belastung durch COVID-19 geben die Daten der intensivpflichtigen Pat., täglich aktualisiert im DIVI-Register, siehe Abbildung 4.

Abbildung 4: Anzahl gemeldeter, intensivmedizinisch behandelter COVID-19-Fälle, Stand 22. März 2023 [32] 
Anzahl gemeldeter, intensivmedizinisch behandelter COVID-19-Fälle, Stand 22. März 2023 32
Quelle: DIVI, 6. April 2023 [32]

2.2.1Risikofaktoren für eine Ansteckung

Der wichtigste Risikofaktor für eine Ansteckung ist die Exposition, wobei auch weitere Faktoren wie die Viruslast, Expositionsdauer und die Infektiosität der im jeweiligen Umfeld dominierenden Virusvariante relevant sein können [3379]. Generell ist das Risiko für immundefiziente Pat. durch eine Infektion mit respiratorischen Viren eine Lungenentzündung zu erleiden, deutlich höher als für Gesunde [110]. Dies bestätigt sich auch für die SARS-CoV-2 Infektion [57]. Vor der Verfügbarkeit von Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 machten Pat. mit einer Krebserkrankung im International Severe Acute Respiratory and emerging Infections Consortium (ISARIC)-4C etwa 10,5% der Pat. in der Datenbank aus [81]. Die Behandlung dieser häufig komorbiden Pat. ist komplex.

2.2.2Risikofaktoren für einen schweren Verlauf

2.2.2.1Onkologische Erkrankungen

Schon frühzeitig in der Pandemie wurden Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf beschrieben. Hierzu gehörten u. a. höheres Alter, männliches Geschlecht, reduzierter Allgemeinzustand und Komorbidität [89117]. Eine der prognoserelevanten Komorbiditäten ist Krebs, insbesondere bei aktiver Erkrankung [43114]. In zahlreichen internationalen Registeranalysen wurde eine signifikant höhere Mortalität bei Pat. mit einer Krebserkrankung im Vergleich zu Pat. ohne Krebserkrankungen beschrieben, allerdings mit großen Schwankungsbreiten [454963778092]. Metaanalysen und vergleichende Daten bestätigten diese Berichte [22819297].

Entscheidend sind der Status und die Aktivität der Krebserkrankung. In einer Analyse des CCC-19-Registers aus den USA mit Daten von fast 30.000 Pat. war die Sterblichkeit mit 24,7% am höchsten bei Pat. mit aktiver, progredienter Krebserkrankung, während Pat. in Remission eine Sterblichkeitsrate von 11,6% aufwiesen. Inzwischen liegen Berichte für viele einzelne Tumorentitäten vor. Dabei zeigt sich eine Tendenz, dass insbesondere Pat. mit hämatologischen und pulmonalen Neoplasien eine ungünstige Prognose aufweisen [2663707780105]. Allerdings sind diese Patientengruppen in Bezug auf die Diagnose, das Erkrankungsstadium, die Biologie, die Therapie und die Komorbiditäten sehr heterogen, z. B. bei Pat. mit Lungenkarzinom und pulmonaler Vorerkrankung. Risikofaktoren sind in Tabelle 1 zusammengefasst [434445].

Tabelle 1: Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder eine erhöhte Sterblichkeit von COVID-19 bei Pat. mit einer Krebserkrankung [434445] 

Allgemein

Höheres Alter

Männliches Geschlecht

Höherer ECOG Status

Komorbidität

Rauchen

Maligne Erkrankung

Hämatologische Neoplasien

Lungenkarzinom

Aktive Krebserkrankung

Metastasierte Krebserkrankung (Stadium IV)

Das Vorliegen mehrerer Risikofaktoren wirkt sich besonders ungünstig auf die Prognose aus, hier spielt das Alter eine entscheidende Rolle [34].

Auch Pat. mit hereditären Immundefekten sind als Risikopersonen einzustufen.

2.2.2.2Hämatologische, nicht-maligne Erkrankungen

In der Frühphase der COVID-19-Pandemie zeigte sich eine höhere Inzidenz bei Pat. mit Hämoglobinopathien, v. a. mit Sichelzellerkrankung (SCD) [2021]. SCD-Pat. haben ein erhöhtes Risiko komplizierter Verläufe mit akutem Thoraxsyndrom oder vaskulären Komplikationen.

2.2.3Genetische Faktoren

Neben den erworbenen Risikofaktoren gibt es Hinweise auf genetische Risikofaktoren, die zur individuellen Empfindlichkeit für eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 und zur Antwort auf einen Virusinfekt, d. h. zur Schwere der Erkrankung, beitragen. Dazu u. a. gehören Polymorphismen im SARS-CoV-2-Rezeptor ACE2, sowie Determinanten im HLA-Klasse-II- und im ABO-Blutgruppensystem. In einer internationalen Kollaboration wurden kürzlich 13 Genom-Loci identifiziert, die einen Einfluss auf Infektiosität oder Krankheitsverlauf haben [44]

Genetische Faktoren haben derzeit keinen Einfluss auf Präventions- oder Therapiemaßnahmen.

2.3Re-Infektion (Durchbruchinfektion)

Erneute Infektionen mit SARS-CoV-2 sind möglich. Für diese Re-Infektionen wurde häufig der Terminus „Durchbruchinfektionen" (Breakthrough) verwendet. Da dies verschiedene Ursachen haben kann, verwenden wir den deskriptiven Begriff der Re-Infektion.

Analysen in unterschiedlichen Regionen hatten den Schutz einer ersten vor einer zweiten Infektion mit etwa 80% berechnet [16]. Allerdings wurden diese Daten vor dem Auftreten der Omikron-Variante und von Rekombinanten erhoben. Immunologisch relevante Veränderungen des Spike-Proteins an der Virusoberfläche reduzieren den Schutz [284160].

Re-Infektionen treten besonders häufig und mit schweren Verläufen bei Pat. mit multiplen Komorbiditäten auf. Dazu gehören Hypertonie, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, chronische Lungenerkrankung, chronische Nierenerkrankung, Demenz, Krebs und Immunsuppression [98].

3Prävention durch Hygienemaßnahmen und Schutzimpfungen

3.1Händedesinfektion und freiwillige Isolation

Die wichtigsten Maßnahmen sind hygienische Händedesinfektion, Einhalten von Abstand (1,50 m) zu anderen Personen und Eingrenzung der sozialen Kontakte (freiwillige Isolation).

Pat. und ihre Angehörigen müssen für Symptome einer Coronavirus-Infektion sensibilisiert werden, z. B. Fieber, Husten, Schnupfen, Geruchsverlust, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden u. a. mit der Maßgabe einer sofortigen Kontaktaufnahme zur ärztlichen Behandlung und dem Ziel der Durchführung von SARS-CoV-2-Tests und ggf. einer frühen Einleitung von Therapiemaßnahmen.

Pat. sollen ihr soziales Umfeld in Bezug auf Symptome einer COVID-19-Erkrankung beobachten.

3.2Masken

3.2.1Individueller Schutz

Eine weitere, wichtige Maßnahme ist das Tragen von Mund- und Nasenmasken. Chirurgische Mund-Nasen-Masken reduzieren Coronavirus-RNA in Aerosolen. Die in der EU zugelassenen FFP2-Masken haben einen engeren Sitz und ein feineres Netz [68110]. Aktuelle Hinweise hierzu finden sich unter www.rki.de [88]. Pat., die aktuell unter einer aktiven Krebserkrankung leiden bzw. eine immunsuppressive Therapie erhalten, gehören zu den „vulnerablen“ Personen und sollten besonders vorsichtig sein.

3.2.2Individueller Schutz

Die generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum wurde inzwischen ausgesetzt. Noch bis zum 7. April 2023 gelten spezifische Schutzmaßnahmen in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer [14]. In der Schweiz wurde die Maskenpflicht auf nationaler Ebene am 31.03.2022 durch den Bundesrat aufgehoben. Entsprechend ist es seither den kantonalen Behörden und einzelnen Institutionen überlassen.

In Einrichtungen zur Behandlung von Tumorpatienten (Kliniken, Praxen, Reha etc.) oder vulnerablen Pat. mit hämatologischen Erkrankungen empfehlen wir das Tragen einer FFP2-Maske.

In Institutionen mit einer hohen Zahl vulnerabler Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen und direktem Patientenkontakt empfehlen wir die Verordnung einer Maskenpflicht, insbesondere bei direktem Patientenkontakt.

3.3Schutzimpfung

3.3.1Grundlagen und Immunantwort

Die für die Europäische Union (EU) zugelassenen und in Deutschland auf dem Markt befindlichen Impfstoffe richten sich gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2. Das Spike-Protein bindet an den zellulären Angiotensin-Converting Enzyme 2 (ACE2)-Rezeptor auf der Wirtszelle, ermöglicht damit die Infektion und die Replikation des Virus. Ziel der Schutzimpfung ist die rasche Produktion neutralisierender Antikörper und die Induktion einer langfristigen Immunität mittels spezifischer T-Zellen [507596].

3.3.2Wirksamkeit in der Gesamtbevölkerung

Die Daten der Zulassungsstudien sind publiziert und/oder in den Zulassungsunterlagen hinterlegt [7363755859599111]. Die Studien wurden vor dem Auftreten der verschiedenen Varianten durchgeführt. Diese können auch bei Geimpften zu Infektionen führen. Ursachen sind unzureichende Neutralisation und Immune Escape durch eine Änderung der immunologisch relevanten Virusproteine [73] und die mit der Zeit nachlassende spezifische Immunität nach Impfung und / oder Infektion [19].

Weitere Evidenz zur Wirksamkeit des Impfschutzes wurde vor allem in klinischen Kohortenstudien und durch Analyse von Antikörpertitern generiert. Das betrifft die initial zugelassenen Impfstoffe und die entsprechenden Auffrischimpfungen [3525] sowie die neueren bivalenten Impfstoffe [1718256676115119].

3.3.3Wirksamkeit bei Pat. einer Krebserkrankung

Pat. mit einer Krebserkrankung waren in den ersten klinischen Impfstudien ausgeschlossen. Dennoch ist die klinische Wirksamkeit der Impfung gegen COVID-19 auch für diese Bevölkerungsgruppe nahelegen [4564]. Die Serokonversionsrate und die absoluten Antikörperspiegel scheinen niedriger als bei Gesunden zu liegen. Insgesamt ist eine 80- bis 90-prozentige Vorbeugungsrate symptomatischer COVID-19-Infektionen bei Pat. mit einer Krebserkrankung zu erwarten [38396869]. Die Serokonversionsrate ist besonders niedrig bei Pat. unter oder unmittelbar nach Therapie mit B-Zell-depletierenden Arzneimittel wie CD20-Antikörpern, Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren oder einer B-Zell-Reifungsantigen (BCMA)-gerichtete Therapie. Die Raten lagen in einigen Studien bei 0%, im Mittel um etwa 30% [2982].

Allerdings bleibt auch bei geimpften Pat. mit einer Krebserkrankung die Sterblichkeit an COVID-19 erhöht [58].

3.3.4Empfehlungen bei Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen

Die zugelassenen Impfstoffe werden uneingeschränkt bei Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen und auch bei Pat mit Immundefizienz aus anderer Ursache empfohlen. Dies gilt auch für bivalente Impfstoffe, sofern sie verfügbar sind, da sie einen erhöhten Schutz gegen aktuelle Virusvarianten bieten können [17]. Die Strategie für Pat. mit onkologischen und hämatologischen basiert auf den Empfehlungen der STIKO, derzeit in der 25. Aktualisierung [103]. Graphisch ist sie in Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: SARS-CoV-2-Impfstrategie bei Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen  
*eine Infektion wird wie eine Auffrischimpfung gewertet.

Die evidenzbasierten Empfehlungen der AGIHO für Pat. mit einer Krebserkrankung sind in Tabelle 2 zusammengefasst [45].

Tabelle 2: Empfehlungen zur SARS-CoV-2-Schutzimpfung bei Pat. mit einer Krebserkrankung [45] 

Klinische Situation

Intention

Intervention

SoR

QoE

Krebserkrankung

Reduktion der Rate symptomatischer COVID-19 Erkrankungen

Vollständige Impfung gegen COVID-19

A

IIt

Krebserkrankung

Reduktion der Hospitalisierungsrate

Vollständige Impfung gegen COVID-19

A

IIt

Krebserkrankung

Reduktion der Mortalität

Vollständige Impfung gegen COVID-19

A

IIt

Krebserkrankung

Steigerung der Immunogenität

Auffrischimpfung entsprechend den nationalen Vorgaben

A

IIt

Krebserkrankung, vor Therapiebeginn

Steigerung der Immunogenität

Impfung vor Beginn der Chemotherapie*

A

IIt

Krebserkrankung, Notwendigkeit weiterer Impfungen

Gleichzeitige Applikation weiterer Impfungen, z. B. gegen Influenza

A

III

Krebserkrankung

Induktion der bestmöglichen Impfantwort

Einsatz von mRNA-Impfstoffen gegenüber allen anderen Impfstoffen

B

IIu

Krebserkrankung

Induktion der bestmöglichen Impfantwort

Einsatz der höchstzugelassenen Impfdosierung

B

IIu

Krebserkrankung

Erhalt der Immunogenität

Aussetzen der Krebstherapie

D

IIu

Grad der Empfehlung:
A - Starke Empfehlung; B - Moderate Empfehlung; C - Schwache Empfehlung; D - Empfehlung gegen den Einsatz;
Qualität der Evidenz:
I - Ergebnisse aus ≥ 1 gut geplanten, randomisierten klinischen Studie, II - Ergebnisse aus ≥ 1 gut geplanten klinischen Studie ohne Randomisierung, aus Kohorten- oder Fall-Kontrollstudien (möglichst aus > 1 Zentrum), dramatische Ergebnisse aus nicht - kontrollierten Studien; III - Basierend auf Meinungen angesehener Expertinnen und Experten, auf klinischer Erfahrung, auf deskriptiven Fallstudien oder auf Berichten von Expertengruppen;
r - Metaanalyse oder systematische Übersicht kontrollierter, randomisierter Studien, t - Evidenztransfer, d. h. Ergebnisse unterschiedlicher Patientenkohorten oder von Pat. mit ähnlichem Immunstatus, h - Vergleichsgruppe ist eine historische Kontrolle, u - nicht-kontrollierte klinische Studie, a - Abstract, publiziert bei einem internationalen Treffen;
* wenn möglich, sollte eine Impfung bis 2 Wochen vor Start der Chemotherapie durchgeführt werden

Bemerkenswert ist, dass in klinischen Studien die mRNA-Impfstoffe und insbesondere der mRNA-1273-Impfstoff den besten klinischen Schutz zu bieten scheinen. Wir empfehlen den Einsatz von mRNA-Impfstoffen mit der höchstmöglichen Dosis [31].

Hinsichtlich des Managements der Krebstherapie während der Impfung empfehlen wir keine Unterbrechung der laufenden Krebstherapie (DIII). Wenn möglich, sollten Impfungen einschl. Auffrischimpfungen vor Beginn der Krebstherapie appliziert werden (AIIt). Außerdem empfehlen wir eine gleichzeitige Impfung gegen Influenza, wenn die Impfung gegen COVID-19 mit der geplanten saisonalen Grippeimpfung im Herbst zusammenfällt (AIIt).

In Bezug auf die Toxizität der Impfstoffe gibt es keine Hinweise auf eine erhöhte Nebenwirkungsraten gegenüber der Allgemeinbevölkerung [3968]. Dies gilt auch für Pat. unter einer Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren [78]. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass die Impfung gegen COVID-19 das Risiko einer de-novo-Krebserkrankung oder eines Rezidivs erhöht.

Besonders zu beachten sind Symptome, die überlappend im Rahmen von Grunderkrankung bzw. antineoplastischer Therapie und einer Impfreaktion auftreten können. Hierzu gehören:

  • vergrößerte Lymphknoten: reaktiv oder im Rahmen der Grundkrankheit,

  • Recall-Phänomen unter Strahlentherapie [45],

  • Verschlechterung einer Graft-versus-Erkrankung nach allogener Stammzelltransplantation,

  • vorübergehende Zytopenien [39].

Keine der o. g. Situationen rechtfertigt jedoch einen Verzicht auf die Schutzimpfung.

3.3.5Auffrischimpfungen

Die Immunität scheint bei immundefizienten Pat. rascher nachzulassen als in der Allgemeinbevölkerung [3164]. Dadurch werden häufigere und frühere Auffrischungsimpfungen erforderlich. Eine Auffrischungsimpfung erhöht nachweislich die Antikörperspiegel, senkt das Risiko einer schweren Erkrankung bei Pat. mit einer Krebserkrankung und kann zu einer Serokonversion bei anfänglichem Nicht-Ansprechen führen [276467]. Ein signifikanter Anstieg der Antikörperspiegel nach einer Auffrischungsimpfung wurde unter unterschiedlichen, antineoplastischen Therapieformen beobachtet [27]. Aus Studien zur Impfeffektivität lässt sich ableiten, dass der Impfschutz nach 3 Monaten beginnend nachlässt und nach einem halben Jahr deutlich abgenommen hat. Vor diesem Hintergrund sollte der Abstand zwischen Impfdosen bzw. Infektion für den Zweck eines guten Schutzes mindestens 3 Monate betragen. Andererseits sollte bei hohem individuellem Risiko und hoher Inzidenz spätestens nach 6 Monaten eine Auffrischimpfung angeboten werden. Zu beachten ist, dass eine Infektion als immunogenes Ereignis zu werten ist und daher fast wie eine Impfung bewertet werden kann.

Mit Bezug auf die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen hat die STIKO in der 25. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 23. Februar 2023 eine Liste von Grundkrankheiten publiziert, die bei erwachsenen Personen mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verlauf assoziiert sind. Dort sind sowohl Pat. mit angeborener oder erworbener Immundefizienz als auch Pat. mit einer Krebserkrankung unter immunsuppressiver, antineoplastischer Therapie aufgenommen, siehe Tabelle 3 [103]. Es gibt derzeit keine prädiktiven Laborwerte, z. B. erniedrigte Zahl von B-Lymphozyten, die eine Verzögerung der Auffrischimpfungen rechtfertigen [53].

Längerfristig sind Konzepte vorstellbar, bei denen jährliche Auffrischimpfungen mit aktuell wirksamen Anti-SARS-CoV-2-Impfstoffen in Kombination mit Influenza-Impfstoffen angeboten werden.

Tabelle 3: STIKO: Personen mit besonderer Indikation für eine COVID-19-Impfung z. B. aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos oder eines Risikos für einen schweren Verlauf, Stand: 23.2.2023 [103] 

Gruppe B

  • Angeborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Immunsuppression (z. B. HIV-Infektion, Z. n. Organtransplantation mit immunsuppressiver Therapie)

  • Autoimmunerkrankungen, inkl. rheumatologische Erkrankungen

  • Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen

  • Chronische Krankheiten der Atmungsorgane

  • Chronische Lebererkrankungen, inkl. Leberzirrhose

  • Chronische Nierenerkrankungen

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

  • Chronische neurologische Erkrankungen

  • Demenz oder geistige Behinderung

  • Psychiatrische Erkrankungen

  • Stoffwechselerkrankungen, inkl. Adipositas mit Body Mass Index (BMI) > 30 kg/m2 und Diabetes mellitus

  • Trisomie 21

  • Krebserkrankungen unter immunsuppressiver, antineoplastischer Therapie

3.3.6Virus-spezifische Antikörper und T-Zell-Diagnostik

In der Allgemeinbevölkerung gibt es gute Hinweise darauf, dass die Höhe der Titer neutralisierender
Antikörper mit der klinischen Wirksamkeit korreliert [4546], obwohl ein klarer Grenzwert für den Schutz nicht festgelegt worden ist [103]. Insbesondere bei Pat. mit einer Krebserkrankung gibt es jedoch Hinweise, dass die humorale und die T-Zell vermittelte Immunität und der daraus resultierende Schutz nicht direkt übereinstimmen [7282]. Die Messung der Antikörperspiegel erfasst damit nicht die gesamte Immunantwort. Die routinemäßige Bestimmung und klinische Interpretation von T-Zell vermittelte Immunität gegen SARS-CoV-2 ist derzeit nicht etabliert.

In der Allgemeinbevölkerung gibt es gute Hinweise darauf, dass die Höhe der Titer neutralisierender
Antikörper mit der klinischen Wirksamkeit korreliert [4546], obwohl ein klarer Grenzwert für den Schutz nicht festgelegt worden ist [103]. Insbesondere bei Pat. mit einer Krebserkrankung gibt es jedoch Hinweise, dass die humorale und die zelluläre Immunantwort nicht übereinstimmen [7282]. Die Messung der Antikörperspiegel erfasst damit nicht die gesamte Immunantwort.

Die STIKO empfiehlt bei schwer immundefizienten Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort die Durchführung einer quantitativen serologischen Untersuchung auf spezifische Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Spikeprotein [103]. Die Untersuchung soll frühestens 4 Wochen nach der 2. Impfstoffdosis und frühestens 4 Wochen nach der 3. Impfstoffdosis durchgeführt werden [103]. Wir schließen uns der Empfehlung an unter der Maßgabe, dass eine solche Untersuchung nur durchgeführt werden sollte, wenn daraus klinische Schlussfolgerungen gezogen werden [45].

3.4Präexpositionsprophylaxe

Pat. mit einer relevanten Störung des Immunsystems, z.B. durch eine onkologische Erkrankung, Chemotherapie, Immuntherapie oder einem angeborenen bzw. erworbenen Immundefekt haben ein erhöhtes Risiko für ein serologisches Impfversagen. Die sog. Präexpositionsprophylaxe ist eine Option für Pat. mit nicht-ausreichender Impfantwort nach Auffrischimpfungen. Sie ist keine Alternative zur Schutzimpfung.

Eine Zulassung für die EU hatten Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) und Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) erhalten [35]. Die Zulassungsstudien wurden vor der Verbreitung von Omikron-Varianten bzw. Rekombinanten und nicht bei vulnerablen Patientengruppen durchgeführt. Die Wirksamkeit von Casirivimab/Imdevimab ist als sehr eingeschränkt zu bewerten [83108]. Die STIKO schätzt auch die Wahrscheinlichkeit einer protektiven Wirkung der PrEP mit Tixagevimab/Cilgavimab in Anbetracht der derzeit zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten als gering ein [103].

Die unter Beteiligung der DGHO erstellte 25. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 23. Februar 2023 empfiehlt den Einsatz von Casirivimab/Imdevimab in PrEP nicht [103]. Die Empfehlung zum Einsatz von Tixagevimab/Cilgavimab wurde weiter eingegrenzt. Es wird empfohlen, die Gabe auf begründete Einzelfälle zu beschränken, dann in der Dosierung von 300mg/300mg [40]. Noch kritischer äußert sich die FDA, die sich Anfang März 2023 basierend auf der US-amerikanischen Epidemiologie gegen den Einsatz von monoklonalen Antikörpern oder anderen Substanzen als Prä- oder Post-Expositionsprophylaxe ausgesprochen hat [40]. Begründete Einzelfälle zur Präexpositionsprophylaxe im Sinne der STIKO können Hochrisikopersonen mit schwerer Immundefizienz und einer erwartbaren oder nachgewiesenen, starken Einschränkung der Immunantwort auf die COVID-19-Impfung sein. Dazu gehören Pat.

  • nach autologer oder allogener Stammzelltransplantation vor immunologischer Rekonstitution,

  • unter oder nach Therapie mit Anti-B-Zell-Antikörpern, wenn keine Rekonstitution der B-Zell-
    Kapazitäten erfolgt ist,

  • unter CAR-T-Zell-Therapie,

  • unter starker Immunsuppression, z. B. nach Transplantation eines soliden Organs, oder un-
    ter laufender Chemotherapie,

  • mit genetisch bedingten Immundefekten, die die antivirale Immunität beeinträchtigen.

Die Präexpositionsprophylaxe mit Antikörpern wird bei diesen Pat. empfohlen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Virusmutanten auf die Antikörper ansprechen bzw. keine Resistenz vorliegt.

Derzeit werden lang wirkende Antikörper der nächsten Generation entwickelt, die auch Varianten mit Resistenz gegen andere monoklonale Antikörper, erfassen. Zulassungen liegen bisher nicht vor.

4Klinisches Bild

4.1Symptome

COVID-19-Infektionen zeichnen sich durch einen relativ protrahierten Verlauf aus und lassen den Höhepunkt der Krankheitsschwere mit einer Zunahme der Entzündung in der zweiten Woche erwarten. Die häufigsten Symptome sind trockener Husten, erhöhte Temperatur >38°C, Schnupfen, Halsschmerzen, Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Weitere Symptome sind Müdigkeit, Myalgie, Kopfschmerzen, gelegentlich Diarrhoe und Übelkeit. Die mediane Inkubationszeit beträgt 3-5 Tage und ist bei den jeweiligen Varianten unterschiedlich. Die meisten Krankheitsverläufe sind leicht. Die aktuelleren Studien zeigen, dass bei 1% der Pat. eine Hospitalisierung erforderlich ist [15]. Hier ist darauf hinzuweisen, dass auch bei Pat. mit einem subjektiv geringen Krankheitsgefühl eine relativ schlechte Sauerstoffsättigung vorliegen kann („happy hypoxics“).

Bei vulnerablen, insbesondere bei immunsupprimierten Pat. ist eine prolongierte Ausscheidung von SARS-CoV-2 (Shedding) zu beobachten. Dieses Phänomen ist von anderen CARV (Community Acquired Respiratory Virus) bekannt und betrifft insbesondere Pat. mit schwerer Immunsuppression [45]. Es kann auch zum Wiederauftreten eines positiven Tests nach einer effektiven antiviralen Therapie auftreten.

Eine generelle Indikation zu spezifischen therapeutischen Maßnahmen bei prolongierter Ausscheidung von SARS-CoV-2 lässt sich aus den aktuell verfügbaren Daten nicht ableiten [3045]. Bei Pat. mit hohen Ct-Werten (>30) und Symptomfreiheit kann in Abwägung der vordringlichen medizinischen Probleme eine kausale Therapie ihrer onkologischen oder hämatologischen auch trotz der persistierenden Positivität durchgeführt werden.

4.2Ko-Infektionen

Der wichtigste Risikofaktor für eine CARV-assoziierte Mortalität generell ist die Superinfektion mit Bakterien oder Pilzen [110]. Bei SARS-CoV-2 Infektionen spielt dies ebenfalls eine Rolle, allerdings nicht so ausgeprägt. Im Gegensatz zu Gesunden haben immundefiziente Pat. besonders häufig Doppelinfektionen mit anderen CARV, deren Relevanz nicht eindeutig klar ist.

4.3Venöse Thrombembolien

Bei Pat. mit COVID-19 wird eine übermäßige Gerinnungsaktivierung beobachtet. Die COVID-19 induzierte Koagulopathie ist mit einem erhöhten Risiko für die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung und Beatmungspflichtigkeit sowie einer Steigerung der Mortalität assoziiert [1464245].

5Diagnose

5.1Diagnostik

5.1.1Nachweis von SARS-CoV-2

Die Diagnostik auf SARS-CoV-2 ist in der Nationalen Teststrategie festgelegt [14].

PCR/NAT-Tests sind der Goldstandard. Sie werden bei klinischem Verdacht auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 veranlasst, auch unabhängig von einem vorherigen Antigentest. Im Rahmen einer Krankenhausbehandlung bei V. a. COVID-19 kann ärztlicherseits eine PCR/NAT-Testung veranlasst werden. Dies gilt unabhängig von dem Vorliegen eines positiven Antigentests. Die Abrechnung erfolgt hier nicht nach der Testverordnung, sondern im Rahmen der Krankenbehandlung zu Lasten der Krankenkasse der Pat. Der Anspruch auf einen PCR/NAT-Test außerhalb der Krankenbehandlung besteht seit dem 1. März 2023 nicht mehr. Die Probenentnahme erfolgt durch Personen, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung haben und in das anzuwendende Medizinprodukt eingewiesen sind (§ 4 MPBetreibV). Die anschließende Auswertung der Proben erfolgt durch Labore.

PoC-NAT-Tests (Point of Care-NAT) sind in Situationen geeignet, in denen ein zuverlässiges Testergebnis innerhalb kurzer Zeit benötigt wird. Die Spezifität von PoC-NAT-Tests ist hoch, die Sensitivität nur wenig geringer als bei den PCR/NAT-Tests. Ein positiver PoC-NAT-Test muss nicht durch einen im Labor durchgeführten PCR/NAT-Test bestätigt werden.

Antigen-Schnelltests wurden in der Hochphase der Pandemie flächendeckend angeboten, auch als Selbsttests. Sie beruhen auf dem Nachweis viraler Antigene. Sensitivität und Spezifizität sind hoch, aber niedriger als in den PCR/NAT-Tests. Bei korrekter Abstrichnahme und hohen Viruslasten sind Ergebnisse von Selbsttests genauso verlässlich wie durch geschultes Personal vorgenommene Antigen-Schnelltests. Allerdings können Varianten vermehrt zu falsch-negativen Ergebnissen führen [65]. Im klinischen Kontext ist deshalb ein PCR/NAT vorzuziehen.

Ansprüche auf kostenlose Testung bestanden in Deutschland bis einschließlich zum 28. Februar 2023. Seitdem bestehen keine Ansprüche mehr auf kostenlose COVID-19-Testungen. Die bundeseinheitliche Verpflichtung beim Betreten von Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen einen Testnachweis vorzulegen, wurde zum 1. März 2023 insgesamt ausgesetzt.

5.1.2Virusdiagnostik bei Symptomen einer Atemwegsinfektion

Für immundefiziente Pat. mit den Symptomen einer Atemwegsinfektion wird dringend eine Multiplex-NAT Diagnostik (NAT – Nukleinsäureamplifikationstechniken) aus respiratorischem Material empfohlen. Diese sollte mindestens Influenza und RSV, idealerweise auch andere respiratorische Viren wie Parainfluenza, Metapneumo-, Adeno- oder humane Coronaviren beinhalten. Da immungeschwächte Pat. eine mitigierte klinische Präsentation und ein höheres Risiko für Doppelinfektionen haben, sollte die Indikation für die Paneldiagnostik plus SARS-CoV-2 großzügig gestellt werden, im Rahmen der RKI-Empfehlungen.

Antigen-Schnelltests haben eine niedrigere Sensitivität als NAT und sind daher zur gezielten Diagnostik nicht geeignet [1445]. Beim Vergleich mit der PCR/NAT trifft das vor allem auf Proben zu, die erst nach einer hohen Zahl von Amplifikationszyklen positiv sind (hohe Cycle Threshold, Ct >30). Da auch diese Pat. infektiös sein und ein klinisches Rezidiv erleiden können, ist die Wahl der Methodik klinisch relevant.

Die Testung auf SARS-CoV-2 soll sich an klinischem und epidemiologischem Verdacht orientieren. Das schließt die wiederholte Testung bei persistierender Symptomatik ein.

In vielen Apotheken werden derzeit Kombinationstests angeboten, mit denen nicht nur auf SARS-CoV-2, sondern zusätzlich auf Influenza A/B und RSV getestet werden kann. Diese Testung ist prinzipiell zu begrüßen, weil im Falle eines positiven Testes wegen der hohen Spezifität rasch reagiert werden kann. Das Bundesministerium für Gesundheit bereitet aktuell eine entsprechende Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) vor. Für Pat. mit Krebserkrankungen muss allerdings beachtet werden, dass ein negatives Ergebnis weder die Infektion an sich noch die Infektiosität ausschließt. Daher sind in diesem Kollektiv die NAT-Tests für die Festlegung von Therapie und Hygienemaßnahmen indiziert.

5.1.3Serologie und neutralisierende Antikörper

Die am häufigsten verwendete Methode zur Bestimmung der individuellen Immunität ist die serologische Bestimmung neutralisierender Antikörper. Tests nutzen einen internationalen WHO-Standard zur Kalibrierung. Ergebnissen werden in Binding-Antibody-Units (BAU)/ml angegeben [45].

Diese Methode hat einige Defizite. Es gibt bisher keinen Grenzwert, der eine nicht ausreichende Immunität anzeigt und damit prädiktiv für die Durchführung weiterer Schutzimpfungen wäre. Hintergrund ist vor allem, dass die Immunität nicht nur durch die B-Zell- sondern auch durch die T-Zell-Antwort bestimmt wird, siehe auch Kapitel 3.3.6.

Wir empfehlen die Bestimmung neutralisierender Antikörper nur, wenn das Ergebnis Therapie-steuernd ist, siehe Abbildung 4.

5.2Klassifikation der Krankheitsstadien

Die Klassifikation der Erkrankung (WHO Ordinal Scale 0 - 10) und der klinischen Besserung orientiert sich an den WHO-Skalen [118].

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Primäres Ziel der Therapie von COVID-19 bei Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen ist die Verhinderung schwerer oder sogar tödlicher Verläufe. Ein Algorithmus zum Management von COVID-19 bei Pat. mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf ist in Abbildung 6 dargestellt.

Abbildung 6: Management von COVID-19 bei Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen  
1 innerhalb von 5 Tagen nach Symptombeginn; unter Berücksichtigung der Wirksamkeit gegenüber den aktuell dominierenden Varianten; in vitro hemmt Molnupiravir die Virusreplikation der Omikron-Variante, zeigte aber in der klinischen Studie geringere Aktivität gegenüber der Delta- als gegenüber der Gamma-Variante;
2 https://www.awmf.org/die-awmf/awmf-aktuell/aktuelle-leitlinien-und-informationen-zu-covid-19/covid-19-leitlinien.html

6.1.1Leichter Krankheitsverlauf, kein zusätzlicher Sauerstoffbedarf

Kritisch ist die Beachtung aller Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Infektionen im Umfeld der Betroffenen. Auch allgemeine Maßnahmen zur Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe sollen beachtet werden.

Bei Pat. mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 stehen jetzt mehrere medikamentöse Optionen zur Verhinderung eines schweren Verlaufs zur Verfügung. Daten randomisierter Studien sind in Tabelle 4 zusammengestellt.

Tabelle 4: Wirksamkeit von Arzneimitteln zur Verhinderung schwerer Verläufe von COVID-19  

Studie1

Pat.2

Kontrolle

Neue Therapie

N3

Hospitalisierung / Tod 4

EMA Status

Monoklonale Antikörper

Sotrovimab [5152]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung

erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Placebo

Sotrovimab 500 mg (Xevudy®)

i.v. als Einmalgabe

583

(1:1)

7 vs 1

p = 0,002

Zulassung 17. 12. 2021

Tixagevimab/Cilgavimab [74]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung

erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Placebo

Tixagevimab 300mg/ Cilgavimab 300 mg

i.m. als Einmalgabe

910

(1:1)

9 vs 4

p = 0,0096

Zulassung 25. 3. 2022

Virostatika

MOVe-OUT [11]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung

erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Placebo

Molnupiravir 800 mg bid (Lagevrio®)

p.o. über 5 Tage

1433

(1:1)

9,7 vs 6,8

p = 0,0218

(NNT 35)

vom BMG zentral beschafft, nicht mehr verfügbar

PANORAMIC [15]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung (symptomatische Erkrankung, ambulant)

relevante Komorbidität

sympto-matische Therapie

Sympto-matische Therapie

und

Molnupiravir 800 mg bid p.o. über 5 Tage

 26.411

(1:1)

1,0 vs 1,0

n. s.

EPIC-HR [54]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung

erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Placebo

Nirmatrelvir 150 mg bid + Ritonavir 100 mg bid (Paxlovid®)

p.o. über 5 Tage

2246

(1:1)

6,5 vs 0,78

p < 0,0001

(NNT 18)

Zulassung 28. 1. 2022

PINETREE [48]

leichte/moderate COVID-19 Erkrankung

erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Placebo

Remdesivir Tag 1: 200 mg Tag 2+3: 100 mg i.v.

562

(1:1)

5,3 vs 0,7

p = 0,008

(NNT 22)

Zulassungs-erweiterung 20. 12. 2021

1Name der klinischen Studie;
2 Kurzcharakteristik;
3 N - Anzahl Pat., Randomisierung in Klammern;
4 Composite Endpoint aus Hospitalisierung oder Tod jeder Ursache, an Tag 29, als Rate in %;
5 Definition nach den Einschlusskriterien der Studie;
6 Ergebnis für Kontrolle, Ergebnis für neue Therapie;
7 Ergebnisse bei Behandlung innerhalb von 3 Tagen; bei Auswertung der Behandlung innerhalb von 5 Tagen betrugen die Raten 6,7 vs 1,0%, p<0,0001;
8 Ergebnisse bei Behandlung innerhalb von 3 Tagen; bei Auswertung der Behandlung innerhalb von 5 Tagen betrugen die Raten 6,3 vs 0,8%, p<0,0001;
9 NNT, number needed to treat, Anzahl zu behandelner Pat., damit der Studienendpunkt verhindert wird;
6.1.1.1SARS-CoV-2-spezifische, monoklonale Antikörper

Die bisher zugelassenen, monoklonalen Antikörper binden an das Spike-Protein von SARS-CoV-2, allerdings an unterschiedliche Epitope. Entsprechend können sie ihre klinische Wirksamkeit beim Auftreten von Varianten und/oder Veränderung des Krankheitsbildes verlieren.

Die zuerst in Deutschland zur Verfügung gestellte Antikörperkombination Bamlanivimab/Etesevimab (LY-CoV555) ist aufgrund Rücknahme des Zulassungsantrags des pharmazeutischen Unternehmens nicht mehr verfügbar. Unter Berücksichtigung der o. g. Einschränkungen zu Unterschieden in den Zulassungsstudien können die aktuell zur Verfügung stehenden Daten folgendermaßen zusammengefasst werden:

Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) führte in der Zulassungsstudie COV-2067 zur signifikanten Reduktion der Rate schwerer und tödlicher Verläufe [113]. Allerdings hat diese Kombination in vitro nur eine geringe Wirksamkeit gegenüber der Omikron-Variante [83108] und wird derzeit nicht empfohlen, weder in der Therapie noch in der Präexpositionsprophylaxe.

Sotrovimab (VIR-7831, Xevudy®) hat als Zielstruktur ein hochkonserviertes Epitop des Spike-Proteins, das auch auf SARS-CoV-2 einschl. Varianten wie Delta und Omikron eine Bindung des Antikörpers erlaubt [5152]. In der COMET-ICE-Studie reduzierte Sotrovimab das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs von 6% (30/529) auf 1% (6/528). Schwere unerwünschte Ereignisse traten seltener unter Sotrovimab (2%) als im Placebo-Arm (6%) auf. Allerdings ist die Wirksamkeit von Sotrovimab von der jeweiligen Omikron-Variante abhängig [101] und dem Risiko der raschen Entstehung von resistenten Virusstämmen bei immunsupprimierten Pat. unter Therapie mit Sotrovimab [47]. In den aktuellen Empfehlungen von COVRIIN, der Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin am Robert-Koch-Institut, wird Sotrovimab nicht mehr empfohlen. Für Einzelfälle kann ein Off-Label-Use im Rahmen von Kombinationstherapien erwogen werden [90].

Die Antikörper Tixagevimab/Cilgavimab (AZD7442, Evusheld®) binden an zwei nicht überlappende Regionen des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Beide wurden aus dem Serum von COVID-19-Pat. identifiziert. Aufgrund einer Modifikation des Fc-Rezeptors haben sie eine verlängerte Halbwertszeit und eine mögliche Wirksamkeit von bis zu 6 Monaten. Tixagevimab/Cilgavimab wird in einer Dosierung von 300 mg Tixagevimab und 300 mg Cilgavimab als zwei separate, aufeinanderfolgende intramuskuläre Injektionen angewandt. In der TACKLE-Studie wurden 910 Personen ≥18 Jahre mit leichtem Verlauf einer COVID-19-Infektion und erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf für Tixagevimab/Cilgavimab oder Placebo randomisiert. Hier führte Tixagevimab/Cilgavimab zur Senkung der Rate an Hospitalisierungen oder Tod von 9% im Kontroll- auf 4% im Therapiearm [74]. In vitro ist die Wirksamkeit von Tixagevimab/Cilgavimab gegenüber der Omikron-Variante und Rekombinanten reduziert [84108].

6.1.1.2Virostatika

Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) wird als fixe Kombination mit der gleichzeitigen Einnahme von 2 Filmtabletten verwendet. Nirmatrelvir ist ein Inhibitor der 3CL-Protease. Ritonavir ist ein Cytochrom P450 (CYP) 3A- und P-Glykoprotein-Inhibitor, der die Exposition von Nirmatrelvir erhöht und es damit ausreichend oral bioverfügbar macht. Die CYP 3A-Hemmung hält über 4-5 Tage nach Beendigung der Einnahme an. In der EPIC-HR-Studie reduzierte Nirmatrelvir/Ritonavir bei einem Therapiebeginn innerhalb von 3 Tagen nach Symptombeginn die Hospitalisierungs-/Sterberate gegenüber Placebo von 6,5% auf 0,7% [54]. Bei Therapiebeginn innerhalb von 5 Tagen nach Symptombeginn war die Wirksamkeit mit 6,3 vs 0,8% vergleichbar. Durch die Kombination mit Ritonavir besteht das Risiko von kritischen Arzneimittelinteraktionen durch Inhibition oder Induktion verschiedener Stoffwechselenzyme, vor allem mit Substraten von Cytochrom P450 (CYP) 3A4 und P-Glykoprotein. Zur Orientierung bezüglich der relevanten Arzneimittelinteraktionen stehen verschiedene Quellen zur Verfügung, u. a. der Interaktionschecker der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), https://www.dgiin.de/paxlovid/index.html#/ .

Remdesivir (Veklury®) ist ein Prodrug. Es wirkt als Nukleotid-Analogon des Adenosintriphosphats (ATP) und konkurriert mit dem natürlichen ATP-Substrat um die Integration in die neu entstehenden RNA-Ketten RNA-abhängigen RNA-Polymerase von SARS-CoV-2. Remdesivir war bereits zur Therapie der sauerstoffpflichtigen COVID-19-Pneumonie zugelassen [35]. In PINETREE, einer Studie zum Einsatz von Remdesivir bei symptomatischen, nicht-hospitalisierten Pat. mit COVID-19 zeigte sich bei den 562 Pat. eine Reduktion der Ereignisrate von 5,3% (15/283 Pat.) im Placebo- auf 0,7% (2/279 Pat.) im Remdesivir-Arm [48]. Die Rate unerwünschter Ereignisse lag mit 46,3% vs 42,3% und die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse mit 6,7% vs 1,8% jeweils im Placebo-Arm höher als im Remdesivir-Arm. Remdesivir wird intravenös über 3-5 Tage appliziert.

Molnupiravir (Lagrevio®) ist das orale Prodrug eines synthetischen Nukleosid-Analogons (N4-Hydroxycytidin, NHC). Es hemmt die virale RNA-Replikation durch Akkumulation von Mutationen im viralen Genom (letale Mutagenese). Molnupiravir wird oral appliziert. Inzwischen liegen Daten von randomisierten Studien vor. In der Zulassungsstudie MOVe-OUT mit 1.433 Pat. reduzierte die Gabe von Molnupiravir über 5 Tage (2x800mg/Tag) die Hospitalisierungs- und/oder Sterberate gegenüber Placebo von 9,7 auf 6,8% [11]. Die Daten der im Januar 2023 publizierten Studie PANORAMIC mit 26.411 Pat. bestätigten diese Ergebnisse bei überwiegend mehrfach geimpften Pat. und einer insgesamt geringen Rate von Hospitalisierungen oder Tod nicht. In dem kombinierten Endpunkt war Molnupiravir einer symptomatischen Therapie mit 1,0% versus 1,0% nicht überlegen (Odds Ratio 1,06). Die Viruslast wurde unter Molnupiravir schneller gesenkt. Auch die Zeit bis zur Rückbildung von Symptomen war kürzer [14]. Aufgrund eines Mutagenitätsrisikos soll Molnupiravir nicht bei Schwangeren und nicht in der Stillperiode eingesetzt werden. Molnupiravir wurde für die EU nicht zugelassen. Die FDA hat im Dezember 2021 eine Emergency Use Authorisation ausgesprochen. Die zwischenzeitliche, zentrale Bereitstellung von Molnupiravir in Deutschland über das Bundesministerium für Gesundheit wurde im Februar 2023 beendet.

6.1.1.3Weitere Arzneimittel

Zahlreiche Wirkstoffe mit sehr unterschiedlichen Angriffspunkten wurden bei Pat. mit COVID-19 eingesetzt und auch in randomisierten, klinischen Studien getestet. Hierzu gehören antiinflammatorisch wirksame Arzneimittel wie Kortikosteroide [112], Anti-IL-6-Antikörper, Januskinase-Inhibitoren, eine passive Immuntherapie mit Rekonvaleszentenplasma [61] oder Immunglobulinsubstitution u. v. m. Diese haben sich in der Versorgung von ambulanten Pat. bisher nicht etabliert.

Ansätze wie die einmalige Gabe von pegyliertem Interferon bei selektierten Pat. mit genetisch definierter, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind eher zukunftsweisend [1086].

6.1.1.4Allgemeine Maßnahmen zur Therapie und Prophylaxe von Begleiterkrankungen

Da vor allem Menschen mit Begleiterkrankungen schwere Verläufe einer SARS-CoV-2 Infektion haben, erscheint es sinnvoll, besonders auf eine gute generelle Gesundheit zu achten. Deswegen sollte unbedingt auf einen ausreichenden Ernährungsstatus (Behandlung einer Tumorkachexie, Ausgleich potenzieller Mangelzustände wie Vitamin D und Eisen-Mangel) und auf eine ausreichende Mobilität u.a. als Pneumonieprophylaxe (Physiotherapie, Atemtherapie) geachtet werden.

Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken reduzieren das Risiko von weiteren, potenziell kritischen Infektionen. Daten aus Kohortenvergleichen von Personen, die mit einer rekombinanten und einem Adjuvanz versehenen Herpes-zoster-Vakzine geimpft wurden, deuten darüber hinaus auf die Relevanz einer Vakzine-induzierten, unspezifischen Immunität hin [13].

Auch Nichtrauchen ist dringend empfohlen.

6.1.2Schwerer Krankheitsverlauf, zusätzlicher Sauerstoffbedarf, Hospitalisierung

6.1.2.1Stationäre Behandlung, Intensivstation

In dieser Phase der Erkrankung unterscheidet sich das Vorgehen bei Pat. mit onkologischen oder hämatologischen Erkrankungen nicht grundlegend vom Vorgehen bei anderen Pat. Wir verweisen deshalb auf die bereits publizierten, interdisziplinären oder von einzelnen Fachgesellschaften publizierten Leitlinien [6101118]. Neue Ansätze werden in randomisierten Studien getestet. Der Anti-C5a Antikörper Vilobelimab senkte bei beatmeten Pat. die 28-Tage-Sterblichkeit von 42 auf 32% (HR 0,73; p=0,027) [109]. Vilobelimab wurde Anfang April 2023 von der FDA in dieser Indikation mit einer Emergency Use Authorisation zugelassen.

Auf der Basis der bisher publizierten Daten zu COVID-19 und Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen gibt es derzeit keinen Grund, von den publizierten Empfehlungen zur Intensivtherapie von COVID-19 abzuweichen, siehe auch „Consensus statement for cancer patients requiring intensive care support“ [2962].

6.1.2.2Antikoagulation

Das SARS-CoV-2-Virus ist prokoagulatorisch wirksam und kann die Bildung von Thrombosen und Embolien fördern [1106]. Die Empfehlungen sind:

  • Hospitalisierte Pat. mit COVID-19 sollen in Abwesenheit von Kontraindikationen eine standardmäßige medikamentöse Thromboembolieprophylaxe mit niedermolekularem Heparin erhalten [4]. Die Dosierung soll sich nach dem Risikoprofil sowohl für venöse Thrombembolien (VTE) als auch für Blutungskomplikationen richten. Bei einer GFR <30 ml/min sind unfraktionierte Heparine zu bevorzugen [4642].

  • Bei erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (z.B. D-Dimere ≥2 mg/l) kann bei nicht intensivpflichtigen Pat. frühzeitig eine therapeutische Antikoagulation erwogen werden, nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung [4642].

  • Bei intensivpflichtigen Pat. sollte eine therapeutische Antikoagulation außerhalb der klassischen Indikationen wie VTE oder ECMO nicht routinemäßig eingesetzt werden.

  • Eine prophylaktische Antikoagulation sollte nicht routinemäßig nach der Entlassung fortgeführt werden: Bei niedrigem Blutungsrisiko und weiterhin hohem VTE-Risiko (z.B. anhaltende Immobilität) soll darüber im Rahmen einer individuellen Falldiskussion entschieden werden.

  • Thrombozytopenie und eine verlängerte aPTT oder Prothrombinzeit ohne Blutungssymptome stellen per se keine Kontraindikation zur Durchführung einer medikamentösen VTE-Prophylaxe dar.

6.1.3Long COVID

Long COVID beschreibt einen Komplex von Symptomen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion über mindestens 3 Monate persistieren oder neu auftreten, unabhängig vom Status der Infektion, und nicht durch andere Erkrankungen erklärbar sind [2494]. Das Krankheitsbild ist sehr vielfältig. Symptome sind Müdigkeit (Fatigue), Husten, thorakales Engegefühl, Thoraxschmerzen, Kurzatmigkeit, Pharyngitis, Veränderungen von Geruchs- und Geschmackssinn, Palpitationen, Myalgie, Gelenkschmerzen, Taubheitsgefühl, Exanthem, Alopezie, Diarrhoe, urologische Probleme, Kopfschmerzen, neurokognitive Störungen einschl. Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, Gangunsicherheit, psychische Probleme wie Angst, posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen. Die Symptome können kontinuierlich, aber auch rezidivierend auftreten. Als Risikofaktoren gelten höheres Alter, weibliches Geschlecht, Diabetes mellitus Typ 2, EBV-Reaktivierung, Bindegewebserkrankungen, der Nachweis von Autoantikörpern und psychische Erkrankungen. Allerdings hat etwa ein Drittel der Pat. keinen dieser Risikofaktoren.

Die Pathophysiologie ist bisher nur unzureichend aufgeklärt. In vielen Aspekten zeigen sich Ähnlichkeiten zur myalgischen Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Long COVID kann die Symptome anderer chronischer Erkrankungen verstärken.

Es gibt bisher keine Hinweise, dass Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für Long COVID haben.

6.1.4Sicherung der Versorgung der Patient*innen mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen

6.1.4.1Antineoplastische Therapie während einer SARS-CoV-2-Infektion

In einer Kohortenstudie ergaben sich Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für einen Zytokinsturm (Cytokine Release Syndrome) bei immunsupprimierten Pat. unter Therapie mit immunologisch oder nicht-immunologisch wirksamer, systemischer Therapie im Vergleich mit nicht-immunsupprimierten Pat. Diese Pat. hatten eine schlechtere Prognose [9]. Dies ist bei einer Notwendigkeit zur Durchführung systemischer, antineoplastischer Threrapien während einer SARS-CoV-2-Infektion zu beachten.

6.1.4.2Organisatorische Maßnahmen

Auch angesichts von Schutzmaßnahmen für die Gesamtbevölkerung muss die unmittelbare, qualitätsgesicherte Versorgung der Pat. sichergestellt werden, insbesondere bei aktiven und lebensbedrohlichen Erkrankungen, bei kurativen Therapien, bei hohem Rezidivrisiko und bei belastenden Symptomen. Das betrifft die gesamte Versorgungskette von der Diagnostik über alle Formen der Therapie (Operation, Strahlentherapie, systemische Therapie, supportive Therapie, Symptomlinderung) bis zur Rehabilitation) [107].

Durch die organisatorischen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die Prognose von Pat. mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen durch eine SARS-CoV-2 Infektion nicht verschlechtert wird. Die Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass die Therapie bei der großen Mehrzahl der Pat. weiter unverändert nach gültigen Therapiestandards durchgeführt werden kann und wird [56].

6.1.4.3Vorsorge und Früherkennung

Eine aktuelle Analyse des Statistischen Bundesamtes ergab in den Jahren 2021 und 2022 einen Rückgang der Klinikbehandlungen wegen einer Krebserkrankung gegenüber dem Jahr 2019. Dies kann ein Effekt der geringeren Nutzung von Krebsvorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen während der Pandemie sein [102]. Die deutschen Daten bestätigen frühere Berichte aus anderen europäischen Ländern [71].

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

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  2. Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES); https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/sars-cov-2-varianten-in-oesterreich/

  3. Alves K, Plested JS, Galbiati S et al.: Immunogenicity of a Fourth Homologous Dose of NVX-CoV2373. N Engl J Med 388:857-859, 2023. DOI:10.1056/NEJMc2215509

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  5. Andrews N, Stowe J, Kirsebom Fiech et al.: Covid-19 Vaccine Effectiveness against the Omicron (B.1.1.529) Variant. N Engl J Med 386:1532-1546, 2022. DOI:10.1056/NEJMoa2119451

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10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

PD Dr.med. Nicola Giesen
Robert-Bosch-Krankenhaus
Auerbachstr. 110
70376 Stuttgart
Prof. Dr. med. Hildegard Greinix
Medizinische Universität Graz
Klinische Abteilung für Hämatologie
Auenbruggerplatz 38D
A-8036 Graz
Prof. Dr. Hans H. Hirsch
Universitätsspital Basel
Klinische Virologie
Petersplatz 10
CH-4051 Basel
Prof. Dr. med. Florian Langer
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Med. Klinik II
Abteilung Hämatologie/Onkologie
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Prof. Dr. med. Il-Kang Na
Charité, Campus Virchow CVK
Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
PD Dr. med. Michael Sandherr
MVZ Penzberg
Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie
Filialpraxis Weilheim
Röntgenstr. 4
82362 Weilheim
PD Dr. Urs Schanz
Universitätsspital Zürich
Klinik für Hämatologie
Rämistr. 100
CH-8091 Zürich
Prof. Dr. med. Marie von Lilienfeld-Toal
Ruhr-Universität Bochum
Medizinische Fakultät
Institut für Diversitätsmedizin
Universitätsstr. 105
44789 Bochum
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann
Amb. Gesundheitszentrum der Charité
Campus Virchow-Klinikum
Med. Klinik m.S. Hämatologie & Onkologie
Augustenburger Platz 1
13344 Berlin

16Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

Autor*in Anstellung1 Beratung / Gutachten2 Aktien / Fonds3 Patent / Urheberrecht / Lizenz4 Honorare5 Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen6 Andere finanzielle Beziehungen7 Persönliche Beziehung zu Vertretungsberechtigten8
von Lilienfeld-Toal, Marie
Klinik für Innere Medizin II, Abteilung für Hämatologie und internistische Onkologie, Universitätsklinikum Jena
Ja
Celgene, Gilead, Oncopeptides, MSD, 4DPharma, Janssen, Shionogi, Pfizer
Nein
Nein
Ja
Celgene, Gilead, Chugai, Janssen, Novartis, Amgen, Takeda, BMS, Medac, Oncopeptides, Merck, CDDF, abbvie, AstraZeneca, Pfizer, Thermofisher, GSK
Ja
BMBF, Deutsche Jose Carreras Leukämie-Stiftung, IZKF Jena, DFG, Novartis, Gilead, Deutsche Krebshilfe, Celgene, Oncopeptides
Ja
Janssen, Celgene
Nein
Giesen, Nicola
Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart ehemals Universitätsklinikum Heidelberg
Ja
Advisory Board/Beratertätigkeit AstraZeneca, MSD, Takeda
Nein
Nein
Ja
Honorare für Vortragstätigkeiten: abbvie, MSD, AstraZeneca, Hexal, GSK
Nein
Nein
Nein
Greinix, Hildegard
Medizinische Universität Graz
Ja
Mitglied von Advisory Boards und Vorträge bei wissenschaftlichen Veranstaltungen der Firmen Novartis, Gilead, Mallinckrodt, Takeda, Sanofi, Abbvie
Nein
Nein
Ja
Vorträge bei wissenschaftlichen Veranstaltungen der Firmen Novartis, Gilead, Mallinckrodt, Takeda, Sanofi, Abbvie
Nein
Nein
Nein
Hirsch, Hans H.
Universität Basel und Universitätsspital Basel
Ja
Molecular Partners Advisory consultant Roche Diagnostics Advisory Board Panel Moderna Advisory Board Panel Allovir Advisory Board Panel
Nein
Nein
Ja
Biotest speaker honorary Gilead speaker honorary VeroTx speaker honorary
Nein
Nein
Nein
Langer, Florian
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Ja
Beratertätigkeit für Alexion, Aspen, AstraZeneca, Bayer, BioMarin, Bristol Myers Squibb, Chugai, CSL Behring, Daiichi Sankyo, LEO Pharma, Mitsubishi Tanabe Pharma, Novo Nordisk, Pfizer, Roche, SOBI, Takeda, Viatris
Nein
Nein
Ja
Vortragstätigkeit Alexion, Aspen, AstraZeneca, Bayer, Bristol Myers Squibb, Chugai, CSL Behring, Daiichi Sankyo, Grifols, Janssen-Cilag, LEO Pharma, Mitsubishi Tanabe Pharma, Novo Nordisk, Pfizer, SOBI, Viatris, Werfen
Ja
Forschungsförderung durch Bayer, Chugai, CSL Behring, Intersero, Novo Nordisk, Pfizer, SOBI
Nein
Nein
Na, Il-Kang
Charité
Nein
Nein
Nein
Ja
Takeda: Firmen-interne Schulung Astrazenica: Vortrag im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums Novartis: von der Firma organisiertes wissenschaftliches Symposium
Ja
Octapharma, Takeda, BMS, Novartis, Sangamo
Nein
Nein
Sandherr, Michael
MVZ Penzberg, Starnberger Kliniken GmbH
Ja
Roche, BMS, Lilly, Novartis, Gilead
Nein
Nein
Ja
Roche, BMS, Lilly, GSK
Nein
Nein
Nein
Schanz, Urs
Universitätsspital Zürich Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Wörmann, Bernhard
DGHO, Charité Universitätsmedizin Berlin
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
1 - Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre (Institution/Ort)
2 - Tätigkeit als Berater*in bzw. Gutachter*in oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat / Advisory Board eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie, Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
3 - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
4 - Betrifft Arzneimittel und Medizinprodukte
5 - Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autor*innen oder Koautor*innenschaften im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
6 - Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeiter*innen der Einrichtung von Seiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftrags-instituts oder einer Versicherung
7 - Andere finanzielle Beziehungen, z. B. Geschenke, Reisekostenerstattungen, oder andere Zahlungen über 100 Euro außerhalb von Forschungsprojekten, wenn sie von einer Körperschaft gezahlt wurden, die eine Investition im Gegenstand der Untersuchung, eine Lizenz oder ein sonstiges kommerzielles Interesse am Gegenstand der Untersuchung hat
8 - Persönliche Beziehung zu einem/einer Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft

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