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Inhaltsverzeichnis

Aplastische Anämie

ICD-10 D61.-
Stand September 2024
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1Zusammenfassung

Die Aplastische Anämie (AA) (Synonyma: Panmyelopathie, Panmyelophthise) umfasst eine heterogene Gruppe seltener Erkrankungen, die zu Knochenmarkinsuffizienz führen. Abzugrenzen sind die häufigeren erworbenen Aplastischen Anämien von den ‚Inherited Bone Marrow Failure Syndromes“. Klinisch dominieren bei der Aplastischen Anämie die Symptome der Bi- oder Trizytopenie mit Anämie, Granulozytopenie, Thrombozytopenie in unterschiedlichen Kombinationen und in variablem Ausmaß.

Die Therapie orientiert sich an der Ätiologie und vor allem an der klinischen Ausprägung. Bei nicht schwerer /moderater Aplastischer Anämie (nSAA/MAA) wird abwartendes Verhalten empfohlen oder, bei Therapieindikation, eine immunsuppressive Therapie (IST). Bei schwerer (SAA) oder sehr schwerer Aplastischer Anämie (VSAA) ist die allogene Stammzelltransplantation kurativ. Wenn nicht durchführbar, ist auch bei diesen Fällen die immunsuppressive Therapie mit Anti-Thymozyten-Globulin (ATG) vom Pferd plus Ciclosporin A (CSA) in Kombination mit dem Thrombopoietin-Rezeptor-Agonist Eltrombopag Goldstandard in der Primärtherapie.

Da es sich bei der aplastischen Anämie um eine sehr seltene Erkrankung handelt und neben der zügigen Therapieeinleitung einschließlich der Prüfung der Option einer allogenen Stammzelltransplantation oft noch spezialdiagnostische Schritte wie z.B. einer Telomerlängenmessung erforderlich sind, sollte vor Einleitung einer Therapie unmittelbar Kontakt mit einem Expertenzentrum (z.B. unter: Behandlungszentren - Stiftung lichterzellen - Stiftung zur Hilfe bei PNH und Aplastischer Anämie) aufgenommen werden, um unter anderem zu klären, ob eine Behandlung im Rahmen einer klinischen Studie möglich ist.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Als erworbene Aplastische Anämie (AA) (Synonyma: Panmyelopathie, Panmyelophthise) wird eine Gruppe pathogenetisch uneinheitlicher Knochenmarkinsuffizienzen zusammengefasst. Diese sind gekennzeichnet durch eine Bi- oder Trizytopenie (Anämie, Granulozytopenie, Thrombozytopenie in unterschiedlichen Kombinationen), die durch eine hämatopoetische Insuffizienz infolge Hypo- oder Aplasie des hämatopoetischen Knochenmarks entsteht [1]. Bei einem relevanten Anteil der Patientinnen und Patienten (Pat.) mit erworbener aplastischer Anämie sind auch hämatopoietische Zell-Populationen mit fehlender Expression Glykosylphosphatidyl-Inositol-(GPI-) verankerter Proteine nachweisbar (PNH-Klon), man spricht dann von einem AA/PNH-Syndrom. Eine durchflusszytometrische Untersuchung auf GPI-defiziente Populationen sollte in der Initialdiagnostik immer durchgeführt werden, ist jedoch für ein AA/PNH-Syndrom nicht beweisend und kann auch bei Patienten mit MDS (siehe Onkopedia-Leitlinie Myelodysplastische Neoplasien) nachgewiesen werden.

Neuere Studien zeigen, dass ein relevanter Teil der Pat. mit scheinbar erworbener Aplastischer Anämie an einer sich spät und häufig klinisch atypisch („kryptisch“) manifestierenden, angeborenen Form eines Knochenmarkversagen-Syndroms („inherited bone marrow failure syndromes“, IBMFS) leidet. Insbesondere bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen ist der breitere Einsatz von Screening Tests wie Chromosomenbrüchigkeit oder einer Durchflusszytometrie basierten Analyse Mitomycin C abhängiger Arretierung der Zellen in der G2-Phase des Zellzykluses für Fanconi Anämie (FA) und Telomerlängenbestimmung für eine Dyskeratosis congenita (DKC) und von gezielter molekularer Diagnostik bzgl. seltener IBMFs (z.B. GATA2-Defizienz, SAMD-9 oder MECOM-Syndrom) sinnvoll [2].

Knochenmarkinsuffizienzen infolge von Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen oder obligat myelotoxischen Substanzen werden nicht als Aplastische Anämie im engeren Sinne bezeichnet. Ebenso muss die Aplastische Anämie streng von der sog. „pure red cell aplasia“ (PRCA,) abgegrenzt werden. Letztere manifestiert sich in der erythrozytären Zellreihe und unterscheidet sich in Pathogenese und therapeutischem Vorgehen.

2.2Definition und Basisinformationen

Die Inzidenz der AA beträgt in Mitteleuropa ca. 2–3/106/Jahr. Eine erworbene Aplastische Anämie kann in jedem Lebensalter auftreten. Die Altersverteilung zeigt zwei Gipfel, einen zwischen 10 und 25 Jahren und einen zweiten bei über 60-Jährigen. Es besteht keine Geschlechtsprädilektion.

3[Kapitel nicht relevant]

4Klinisches Bild

Symptome der Aplastischen Anämie ergeben sich aus der Bi- oder Panzytopenie [1]:

  • Anämie

  • neutropenische Infektion (Mund- und Rachenulzera, nekrotisierende Gingivitis oder Tonsillitis, Pneumonien, Phlegmone)

  • Blutungen vom thrombozytopenischen Blutungstyp.

Wegen konstitutioneller Formen (Dyskeratosis congenita (DKC), Fanconi Anämie und verwandte Formen) sollte insbesondere auf Pigmentanomalien an der Haut, Leukoplakien der Mundschleimhaut, Dystrophien von Finger- und Zehennägeln, Dyskeratosen sowie klinische Zeichen der Lungenfibrose oder Leberzirrhose geachtet werden, siehe auch Kapitel 5. 2. 1 [3]. Diese können gerade bei den kryptischen Formen einer DKC auch als sehr diskrete klinische Zeichen bestehen.

Lymphknotenvergrößerungen, Hepato- oder Splenomegalie sprechen eher gegen eine Aplastische Anämie. In der Zählung der Blutzellen findet sich eine Bi-, meist jedoch Trizytopenie unterschiedlicher Ausprägung.

5Diagnose

5.1Diagnosekriterien

Kriterien für die Diagnose sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Kriterien für die Diagnose einer Aplastischen Anämie 

Parameter

Beschreibung

Anmerkungen

Blutbild

Bi-/Panzytopenie

  • Anämie häufig durch inadäquaten Retikulozytenproduktionsindex (RPI), respektive Retikulopenie (niedrige Absolutwerte) gekennzeichnet und mit unauffälliger Erythrozytenmorphologie

  • Leukozytopenie durch Granulozytopenie und Monozytopenie, häufig keine unreifen granulozytären Vorstufen im Blut

  • Fehlen von Riesenthrombozyten im Blutausstrich

Knochenmark

  • Bild eines toxischen Knochenmarkschadens

  • Oft Nachweis von T-Lymphozyten ohne Klonalitätsnachweis

  • Aplasie oder HypoplasieKM-Hypoplasie mit < 25% altersadaptierter KM-Zellularität oder mäßig hypoplastisch (25–50 % altersadaptiert) und < 30 % Hämatopoese (für SAA oder VSAA)

  • ohne Infiltration mit neoplastischen Zellen

  • ohne Fibrose

  • Knochenmarkaspirat und Knochenmarkbiopsie obligat

  • Biopsielänge mindestens 15 mm

  • nicht selten fleckförmige Verminderung der Markzelldichte, „fleckförmige Panmyelopathie“, erythropoetische „hot spots“

5.2Diagnostik

5.2.1Erstdiagnose

Die diagnostischen Maßnahmen bei Erstdiagnose dienen der Sicherung der Diagnose, Klärung der Ätiologie, des Schweregrades und der Prognose. Diagnostische Maßnahmen bei Verdacht auf Aplastische Anämie einschl. Untersuchungen auf ein ‚Inherited Bone Marrow Failure Syndrome‘ sind in Tabelle 2, ergänzende Untersuchungen bei nachgewiesener Aplastischer Anämie und geplanter Therapie in Tabelle 3 zusammengefasst. Bei aplastischer Anämie wurden rekurrierende Mutationen in verschiedenen Genen und zytogenetische Aberrationen beschrieben, welche auch prognostische Implikationen haben können [4]. Der Nachweis solcher Mutationen ist entgegen früherer Einschätzungen nicht zwingend als Hinweis auf das Vorliegen eines MDS oder einer schlechten Prognose zu interpretieren. Vielmehr existieren Mutationen (z.B. in BCOR) die sowohl eine günstige Prognose per se als auch ein gutes Ansprechen auf IS (im Sinne eines günstigen Prädiktors) anziehen können

Tabelle 2: Diagnostik bei Verdacht auf Aplastische Anämie 

Maßnahme

Anmerkungen

Eigenanamnese

  • Beginn der Zytopenie;

  • schwere, wiederkehrende oder atypische Infektionen oder Blutungen

Familienanamnese

  • unklare Zytopenien, unklare persistierende Makrozytose, AA, MDS, Leukämien, solide Tumoren (v.a. Kopf-Hals-Tu, anogenitale Tumoren, GI-Tumoren bzw. Tumorerkrankungen in frühem Lebensalter), Organfibrosen; Emphysem in frühem Lebensalter, Autoimmunerkrankungen; frühes Ergrauen von Familienangehörigen.

Medikamentenanamnese

  • ausführlich, umfassend

Klinische Untersuchung

  • insbesondere ist zu achten auf: Infektion, Blutungszeichen, Ikterus, Splenomegalie, Hepatomegalie, Lymphadenopathie, Nageldystrophien, Leukoplakien, Pigmentanomalien, graue Haare (in frühem Lebensalter), Kleinwüchsigkeit, Skelettanomalien (v.a. Daumen, Radius), kardiale oder renale Mißbildungen, Zahnanomalien

Blutbild

  • handgezähltes Differenzialblutbild

  • Retikulozyten absolut in zweimaliger Messung

Knochenmarksdiagnostik

  • obligat:

  • Aspirationszytologie, Eisenfärbung, Knochenmarkhistologie (mindestens 15 mm Biopsielänge),
    Zytogenetik;

  • fakultativ:

  • Next-Generation-Sequencing (NGS):
    im Rahmen klinischer Forschung/Studien

Durchflusszytometrie

Hämolyse-Parameter

  • LDH, Haptoglobin, Bilirubin, optional Hämosiderin im Urin

Weitere Laboranalysen

  • Gerinnung: Quick-Wert, PTT, Fibrinogen

  • CRP

  • Gesamteiweiß, Elektrophorese, GOT/GPT (ALT, AST), AP, Kreatinin, Harnsäure, Blutzucker

  • Ferritin

  • Folsäure, evtl. Methylmalonat

  • Vitamin B12, optional Homotranscobalamin

  • Antinukleäre Antikörper, anti-DNS-Antikörper

  • quantitative Immunglobuline

  • Blutgruppe, direkter Antiglobulin-Test

Ausschuss Inherited Bone Marrow Failure Syndrome

  • Telomerlängenuntersuchung zum Ausschluss Telomeropathie, z.B. mittels Flow-FISH-Technik

  • Chromosomenbrüchigkeit zum Ausschluss Fanconi-Anämie,

  • Zytogenetik (zwecks DD: MDS bzw. Therapierelevanz bei AA)

  • exokrine Pankreasfunktion bei V. a. Shwachman-Bodian-Diamond-Syndrom

Bildgebung

  • Röntgenbild des Thorax

  • Sonographie des Abdomens

Infektionsserologie

  • EBV

  • CMV

  • Hepatitis A

  • Hepatitis B

  • Hepatitis C, Hepatitis E

  • HIV

  • Parvovirus B19

Tabelle 3: Gezielte ergänzende Diagnostik bei spezieller Indikation 

Maßnahme

Anmerkungen

bei Verdacht auf Fanconi-Anämie

  • Mutationsanalyse der Fanconi-Anämie-Gene

bei Verdacht auf Telomeropathie

  • bei Verkürzung der Telomerlänge (im Lymphozytengate) unter die 1.-10. Perzentile einer altersentsprechenden Kontrollgruppe oder bei eindeutigem klinischem Hinweis [56]

  • Mutationsanalyse von TERT, hTERC, DKC1, NHP2, NOP10, RTEL1, CTR1, TIN2, TTP, TCAP, CTC1, PARN ggf. weitere Komponenten des Telomerasekomplexes [237]

bei Verdacht auf Shwachman-Bodian-Diamond-Syndrom

  • Mutationsanalyse im SBDS-Gen

Bei Verdacht auf sonstige angeborene aplastische Anämie (Pat. <30 Jahre; bei Hinweisen auf IBMFS (Familienanamnese), konstitutionelle Aufälligkeiten)

  • GATA2, RUNX1, SAMD9, SAMD9L, MECOM/EVI1, ERCC6L2 [2]

bei Indikation zur allogenen Stammzeltransplantation

  • HLA Klasse I und II-Typisierung

bei ungenügendem Thrombozytenanstieg bei Thrombozytensubstitution

  • HLA-A und HLA-B-Typisierung zur Auswahl HLA-passender Thrombozytenspender

bei signifikant verkürzter Telomerlänge oder Nachweis einer DKC-typischen Mutation des Pat. und einem Familienspender als Stammzellquelle

  • zusätzliche Testung der Telomerlänge beim Familienspender

Bei sonstigen angeborenen Knochenmarkversagenssyndromen

  • bei geplanter Transplantation von Familienspendern: genetische Untersuchung des Spenders

5.3Klassifikation

Die Unterteilung der AA erfolgt auf der Basis der Blutbildwerte in drei Subklassen:

  • mäßig schwere / nicht-schwere Aplastische Anämie = MAA oder nSAA („non-severe AA“)

  • schwere Aplastische Anämie = SAA

  • sehr schwere Aplastische Anämie = vSAA („very severe AA“)

Grenzwerte sind in Tabelle 4 zusammengefasst (zwei von drei Blutkriterien müssen erfüllt sein) [8].

Tabelle 4: Klassifikation der Aplastischen Anämie (zwei von drei Kriterien müssen erfüllt sein) 

nSAA/MAA3

SAA2

vSAA1,2

neutrophile Granulozyten

<1,2 G/L

<0,5 G/L

<0,2 G/L

Thrombozyten

<70 G/L

<20 G/L

<20 G/L

Retikulozyten

<60 G/L

<60 G/L4

<60 G/L4

1 für die Klassifikation als vSAA muss das Granulozytenkriterium <0,2 G/L obligat erfüllt sein.
2 für die SAA und vSAA muss zusätzlich ein hypozelluläres Knochenmark (histologisch ermittelte Zellularität <25% oder 25-50% bei einem Anteil von <30% hämatopoetischen Zellen im Knochenmark) erfüllt sein,
3 für die nSAA/MAA genügt der Nachweis eines hypozellulären Knochenmarks (DD: MDS)
4 bei maschinellem BB beträgt der Retikulozytengrenzwert <60/nl [69]

Diese Unterscheidung hat prognostische Bedeutung und beeinflusst das therapeutische Vorgehen, siehe Kapitel 6.

Eine weitere Einteilung berücksichtigt die vermutete Ätiologie [10]:

  • sog, idiopathische (immunologische) Fälle (>80 %), hinter der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird eine (auto-)immunologische Pathophysiologie vermutet

  • Auslösung durch Medikamente (<20 %), d. h. idiosynkratische Reaktion; die vorhersehbare Induktion einer Zytopenie/Aplasie durch Zytostatika oder gezielte Arzneimittel wird nicht als Aplastische Anämie klassifiziert.
    Bei Verdacht auf Auslösung einer AA durch Medikamente müssen diese abgesetzt werden und lebenslang eine Reexposition vermieden werden. Medikamente, für welche die Auslösung einer AA nachgewiesen wurde oder zumindest vermutet wird, sind unter anderem antiinflammatorische Substanzen (Gold, Penicillamine, Phenylbutazone, Diclofenac, Indomethacin), Antikonvulsiva (Phenytoin, Carbamazepin), Thyreostatika (Carbimazol, Thiouracil), Antidiabetika (Tolbutamid), Malariamittel (Chloroquin), Antibiotika (Sulphonamide, Cotrimoxazol, Chloramphenicol). Für eine ausführlichere Darstellung wird auf Spezialliteratur verwiesen [1011].

  • postinfektiös, vor allem nach Hepatitis mit bisher nicht identifiziertem Erreger (<5 %)

  • im Erwachsenenalter sich erstmanifestierende hereditäre Formen („late onset inherited bone marrow failure syndromes“ (5-15%); Anteil durch Identifikation neuer mit BMFS assoziierter Gene und breiterem Einsatz genetischer Diagnostik steigend, z. B. im Rahmen einer Dyskeratosis congenita (DKC) oder verwandten Telomeropathien,[56]

  • einer Fanconi Anämie (FA) bzw. im Rahmen von homozygoten Thrombopoetinrezeptor- (MPL) Mutationen (<1 %) [2, 12-14].
    Bei Nachweis einer DKC oder FA oder sonstigen hereditären Formen, die sich selten auch bis in die 5.-6. Lebensdekade als AA erstmanifestieren können, unterscheidet sich insbesondere das Vorgehen im Hinblick auf eine allogene Stammzelltransplantation sowohl im Hinblick auf den Empfänger (Konditionierungsregime, zu erwartende Toxizität, etwaige zusätzliche Vorbehandlungsoptionen, zugrunde liegende Multisystemerkrankung s.u.) als auch auf den Spender (Spenderauswahl, Screening von Familienspendern) von demjenigen bei erworbener aplastischer Anämie.

5.4[Kapitel nicht relevant]

5.5Differenzialdiagnose

Folgende Erkrankungen sind differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen bzw. mittels gezielter Diagnostik auszuschließen:

  • hypoplastische akute Leukämie

  • (hypoplastisches) myelodysplastisches Syndrom

  • Haarzell-Leukämie und Lymphome

  • Knochenmarkinfiltration durch solide Tumoren

  • Osteomyelofibrose

  • Hypersplenismus

  • schwere megaloblastäre Anämie

  • Anorexia nervosa

  • systemischer Lupus erythematodes

  • paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

  • isolierte sog. "pure red cell aplasia" (PRCA)

  • Aplasie nach Chemotherapie oder Strahlentherapie oder (transiente) Zytopenien nach Infektionen mit Parvovirus B19, CMV.

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Ziel ist die Induktion einer Remission und damit Verhinderung der Gefährdung durch Blutungen und durch Infektionen in Neutropenie, sowie Vermeidung von chronischer Transfusionsbedürftigkeit mit dem Risiko der Eisenüberladung und der Allosensibilisierung. Der Therapiealgorithmus ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Therapie-Algorithmus bei Aplastischer Anämie  
etablierte Therapie, experimentelle Therapie
1 für Kinder wird auf Protokolle und Leitlinien der pädiatrischen Studiengruppe Aplastische Anämie verwiesen;
2 siehe Kapitel 6.3
3 nSAA - mäßig schwere Aplastische Anämie (non-severe AA); SAA - schwere Aplastische Anämie, vSAA - sehr schwere Aplastische Anämie (very severe AA)
4 siehe Kapitel 6.3.1
5 siehe Kapitel 6.32
6 siehe Kapitel 6.1.1
7 die Altersangabe ist eine Orientierung; entscheidend ist das biologische, nicht das chronologische Alter; dies gilt insbesondere auch bei Personen ≥50 Jahre, die nicht auf die medikamentöse Therapie ansprechen
8 MUD – Matched Unrelated Donor (nicht verwandter Spender); siehe Kapitel 6.1.3.2.1
9 medikamentöse Therapie: bei vSAA / SAA ist die Kombination von ATG – Antithymozytenglobulin, CsA - Ciclosporin A und Eltrombopag die Standardtherapie in der Erstlinientherapie, falls aufgrund dieses Algorithmus keine allogene Stammzelltransplantation in Frage kommt. Eltrombopag ist in dieser Indikation in Deutschland nicht zugelassen. Die Empfehlung basiert auf der aktuellen Evidenzlage (siehe Kapitel 6.1.4) für nSAA/MAA: ATG/CSA, siehe Kennzeichnung 13 und 14.
10 allo SZT: allogene Stammzelltransplantation; Cy200 - Cyclophosphamid 200 mg/kg; FluCy/ATG – Fludarabin, niedrig-dosiertes Cyclophosphamid und ATG, MTX – Methotrexat, TBI-Ganzkörperbestrahlung
11 allo SZT mit haploidentem Spender; siehe Kapitel 6.1.3.2.1
12 Eltrombopag bei refrakträren Pat., außer bei bereits in vorangegangener Therapiesequenz dokumentierter Refraktärität auf Eltrombopag-haltige Vortherapie – trotz ausreichend langer Therapiedauer (mindestens 24 Wochen) und in ausreichender Dosis (150 mg/Tag).
13 Eltombopag ist in der Primärtherapie der nSAA/MAA weder zugelassen noch hinreichend durch Evidenz gestützt. Für die Kombination ATG/CsA/Eltrombopag in der Primärtherapie der nSAA/MAA fehlen bisher Daten, insbesondere auch zur klonalen Evolution. Daher keine Empfehlung für die Primärtherapie der nSAA/MAA außerhalb klinischer Studien.
14 Entsprechend den Onkopedia-Empfehlungen allogene Transplantation – Spenderauswahl (auch Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Immungenetik (DGI) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation (DAG-KBT); siehe Onkopedia Leitlinie Allogene Stammzelltransplantation - Spenderauswahl)
Entscheidungen zur Wahl der Erstlinientherapie sowie auch bei der Umstellung der Therapie von Patienten mit erworbenen und angeborenen Aplastischen Syndromen sind oft schwierig und müssen aufgrund der Seltenheit teils auf begrenzter Datenlage erfolgen. Daher empfehlen die Autoren der Leitlinie eine vierwöchentlich stattfindende virtuelle Onlinekonferenz zum Thema PNH, Knochenmarkversagens-Erkrankungen und Aplastische Anämie (Teams-basierte Online-Konferenz. Bei Interesse Kontaktaufnahme mit Frau Jana Küpper; Tel.: 0241-80-80732; jkuepper@ukaachen.de). Ebenso sollten die Patienten mit PNH im Internationen IPIG-Register und Patienten mit erworbener oder hereditärer AA und anderen Aplastischen Syndromen des Erwachsenenalterns, innerhalb des neu etablierten deutschen AABMF-Register, geführt werden.

Die Wahl der Behandlung ist abhängig von der Schwere der Erkrankung, dem Alter der Pat. den Begleiterkrankungen sowie vom Grad der HLA-Übereinstimmung potentieller verwandter oder unverwandter Knochenmarkspender. Insbesondere bei der Knochenmarktransplantation (aber auch bei der Einleitung einer IST) hat das Intervall zwischen Diagnose und Therapie einen signifikanten Einfluss auf die Prognose [8]. Daher soll bereits bei hinreichendem Diagnoseverdacht eine Vorstellung in einem hämatologischen Zentrum mit Erfahrung in der Therapie von Pat. mit Aplastischer Anämie erfolgen. Dies gilt in besonderem Maße für Pat. mit sich spät manifestierenden hereditären Erkrankungen wie FA und DKC.

Für die Entscheidung über den therapeutischen Pfad ist die Kenntnis entscheidend, ob ein Stammzellspender verfügbar ist und welcher Grad der Übereinstimmung vorliegt. Daher soll bei Pat., welche aufgrund von Alter, Allgemeinzustand und Schweregrad der Erkrankung für eine Transplantation in Frage kommen, unmittelbar die Stammzellspendersuche eingeleitet werden (siehe auch Empfehlungen zur Allogene Stammzelltransplantation - Spenderauswahl).

Es sollte immer auch geprüft werden, ob eine Therapie im Rahmen einer klinischen Prüfung möglich ist.

6.1.1Therapieindikation

Eine Therapieindikation besteht, wenn eine Gefährdung durch die Erkrankung gegeben ist:

  • immer bei schwerer aplastischer Anämie, i.e. SAA oder vSAA

  • nSAA/MAA mit schwerer Zytopenie mindestens einer Zellreihe, welche regelmäßigen Transfusionsbedarf bedingt oder zu einer Gefährdung durch Infekte oder Blutungen führt; in anderen Situationen Einzelfallbeurteilung, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verlaufes

  • Progression einer nSAA/MAA in eine SAA.

6.1.2Supportive Therapie

Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach immunsuppressiver Therapie der AA ist in den letzten 30 Jahren kontinuierlich verbessert worden. Dies gilt aber nicht nur für Pat., die auf die Therapie der Grunderkrankung mit einer Rekonstitution der Hämatopoese ansprechen, sondern auch für Pat. die nicht oder unzureichend ansprechen [15]. Dies zeigt die besondere Bedeutung der supportiven Therapie für das Überleben der Pat.. Wichtige Säulen hierfür sind die Infektionsprophylaxe und -behandlung, eine restriktive Transfusionsstrategie und die Chelator-Therapie einer Eisenüberladung.

6.1.2.1Infektprophylaxe

Allgemein

Diese Empfehlungen basieren auf Untersuchung neutropenischer Pat. im Kontext maligner Erkrankungen und Chemotherapie [1617] und wurden auf Pat. mit AA übertragen; da es kaum aussagekräftigen Untersuchungen zum Effekt der o.g. Maßnahmen auf die Infektionsrate und infektionsbedingte Mortalität spezifisch bei AA gibt.

Besondere Situationen

6.1.2.2Blutungsprophylaxe
  • Menolyse

  • strikte Vermeidung/Anpassung aller Thrombozytenaggregationshemmer in Abhängigkeit vom Thrombozytenwert

  • bei schwerer Thrombozytopenie und klinisch relevanten Blutungen insbesondere Schleimhautbereich eventuell Einsatz von Tranexamsäure, insbesondere bei unzureichendem Anstieg nach Thrombozytensubstitution

  • Bei Ciclosporin-Therapie Beachtung von Interaktionen mit anderen Medikamenten

  • Thrombozytentransfusion, siehe Kapitel 6. 1. 2. 3

6.1.2.3Transfusionen
  • Transfusionen sind bei vielen Pat. zur Sicherung einer ausreichenden körperlichen Belastbarkeit und Lebensqualität sowie zur Vermeidung von Blutungskomplikationen erforderlich. Andererseits können häufige Erythrozyten-Tranfusionen zur Alloimmunisierung gegen erythrozytäre und andere Antigene und zu Eisenüberladung führen. Thrombozytentransfusionen können eine Immunisierung gegen HLA- und Humane Thrombozyten-Antigene (HPA) auslösen. Frühere Studien (vor Einführung der Leukozytendepletion) zeigten einen negativen Zusammenhang zwischen Anzahl der Transfusionen vor allogener Stammzelltransplantation und dem Überleben [1819]. Ob dieser Zusammenhang auch bei effizient leukozytendepletierten Präparaten, welche eine geringe Alloimmunisierungsrate aufweisen [20], noch gilt, ist unklar[21]. Trotzdem ist eine restriktive Transfusionsstrategie zu empfehlen. Diese soll sich an der Symptomatik (Anämiesymptome, potentiell gefährliche Spontanblutungen) sowie an der Möglichkeit zur Überwachung und kurzfristigen Transfusion (ambulant/stationär) orientieren [22].

  • Bei AA müssen konsequent leukozytendepletierte Blutprodukte transfundiert werden [23]. In Deutschland bedarf dies jedoch keiner spezifischen Auswahl durch den transfundierenden Arzt, da seit 2001 nur noch leukozytendepletierte zelluläre Blutprodukte in Verkehr gebracht werden dürfen (<1,0x106 Leukozyten/Einheit) [23].

  • Erythrozytenkonzentrate sollten bei symptomatischer Anämie transfundiert werden. Die Transfusionsindikation muss sich an objektiver Belastbarkeit, subjektiven Beschwerden und Komorbidität orientieren [22].

  • Bei stabilen ambulanten Pat. ohne begleitende Risiken, welche die Blutungsgefahr erhöhen wie z.B. Fieber und Infektionen, sollten prophylaktisch Thrombozyten bei Werten unter 5x109/l transfundiert werden [2224]. Obligate Voraussetzungen für die Anwendung dieses niedrigen Transfusionstriggers sind regelmäßige und engmaschige Kontrollen (z. B. mindestens einmal pro Woche), Fehlen von Blutungszeichen, und die Möglichkeit einer raschen Transfusion bei Blutungszeichen. Bei Pat. mit Fieber >38°C, Infektionen, Blutungszeichen, oder einer Anamnese schwerer Blutungen (WHO Grad 3 oder 4) sowie bei Alloimmunisierung soll der Transfusionstrigger auf 20x109/l angepasst werden [24]

  • Sofortige Transfusion ist erforderlich bei Pat. mit Grad 3 oder Grad 4 Blutungen.

  • Viele Pat. haben einen stabilen Grenzwert, bei dessen Unterschreiten stärkere Blutungszeichen auftreten. Dieser Pat.-individuelle Grenzwert ist in das Gesamtbild einzubeziehen, insbesondere, wenn es bei einem Pat. bei einem Thrombozytenwert über 5x109/l schon einmal zu einer schwerwiegenden Blutung Grad 3 oder Grad 4 gekommen ist.

  • Vor und während der ATG-Therapie soll der Thrombozytenwert auf 30x109/l angehoben werden, da es unter ATG-Infusion zu einem raschen Thrombozytenabfall kommen kann [25].

  • Vor invasiven Eingriffen soll eine Thrombozytentransfusion erfolgen, um die jeweils empfohlenen Grenzwerte zu erreichen [22].

  • Die restriktive Transfusionsstrategie gilt vor allem für Pat., bei welchen eine allogene Stammzelltransplantation geplant ist [1819]. Keinesfalls sollen gerichtete Transfusionen von Blutprodukten von Angehörigen erfolgen.

  • Bei lebensbedrohlichen Infektionen und schwerer Neutropenie kann zur kurzfristigen Überbrückung der Einsatz von Granulozytenkonzentraten in Betracht kommen [26].

  • Zur Vermeidung einer transfusionsassoziierten GvHD besteht in folgenden Situationen eine Indikation für eine Bestrahlung der Blutprodukte mit 30 Gy [27]:

    • während ATG-Therapie und bis zur Rekonstitution der Lymphozytenzahl auf mindestens 1x109/l müssen alle Blutprodukte bestrahlt sein [2227]

    • bei anderen intensiv immunsuppressiven Therapien, z.B. Alemtuzumab, Fludarabin [28]

    • Pat., welche eine allogene Stammzelltransplantation erhalten, spätestens ab Einleitung der Konditionierung [22]

    • Zur Vermeidung einer Alloimmunisierung geben einige Zentren bei allen Pat. mit der Diagnose AA unabhängig vom Behandlungskontext nur bestrahlte Blutprodukte [27]

    • HLA-ausgewählte Thrombozytapherese-Spenden [27]

    • Granulozytenkonzentrate [26]

6.1.2.4Chelattherapie

Bei AA besteht die Gefahr der transfusionsbedingten Eisenüberladung, insbesondere bei Pat., welche nicht auf Immunsuppression ansprechen und langfristig transfundiert werden müssen. In der Regel sind in den ersten Monaten nach Diagnose noch keine Ferritin- bzw. Lebereisenwerte erreicht, welche eine sofortige Chelatortherapie erfordern. Man sollte daher mindestens 4-6 Monate nach Einleitung der Immunsuppression abwarten. Bei Erreichen einer Remission kann eine Eisenüberladung mit Aderlässen behandelt werden. Bei andauernder regelmäßiger Transfusionsbedürftigkeit ist bei Serumferritin-Spiegeln über 1.000 ng/ml eine Chelat-Therapie zu empfehlen [15]. Dies gilt insbesondere auch für Transplantationskandidaten, da eine Hyperferritinämie und Eisenüberladung mit höherer Transplantations-assoziierter Mortalität und schlechterem Überleben belastet ist [2930]. Empfohlen werden Deferasirox [31] und Deferoxamin. Bei Deferipron besteht Zurückhaltung aufgrund der potenziellen Nebenwirkung einer Agranulozytose.

Eltrombopag hat neben seiner stimulierenden Wirkung auf den Thromopoietin-Rezeptor und einer Hemmung der TET-Dioxygenase-Aktivität auch eine chelierende Wirkung auf Polykationen [32]. Unter Langzeittherapie mit Eltrombopag kann dadurch eine klinisch relevante Eisendepletion (bis hin zum therapiebedürftigen Eisenmangel) erfolgen [33].

6.1.2.5Fertilitätsprotektion

Bei allogener Transplantation kann es trotz des Einsatzes von Konditionierungsschemata mit reduzierter Toxizität zu Beeinträchtigungen der Fertilität kommen. Daher sollte bei Pat. mit Kinderwunsch die Möglichkeit einer Kryokonservierung von Oozyten und Spermien geprüft und mit den Pat. besprochen werden [3436].

6.1.3Allogene Stammzelltransplantation

6.1.3.1HLA-idente Geschwister
6.1.3.1.1Indikation

Eine Indikation für eine allogene Knochenmarktransplantation von einem HLA-identen Geschwisterspender besteht bei der erworbenen aplastischen Anämie in folgenden Situationen:

  • als Primärtherapie [128]:

    • bei vSAA / SAA und Alter <50 Jahren. Grundsätzlich ist das biologische und nicht das chronologische Alter für die Indikation entscheidend. Hier sind sorgfältige Untersuchung und Bewertung von Komorbiditäten erforderlich, deren Gewichtung für die Therapieentscheidung mit dem Alter zunimmt, siehe Abbildung 1.

    • bei vSAA eventuell auch noch bei älteren Pat. in Abhängigkeit von der klinischen Gesamtbeurteilung.

  • als Sekundärtherapie [128]: bei schwerer oder sehr schwerer AA nach Versagen von mindestens einem Zyklus immunsuppressiver Kombinations-Therapie mit Pferde-ATG, Ciclosporin A, Eltrombopag. Dies gilt für Pat., welche trotz Spenderverfügbarkeit keine initiale Geschwisterspendertransplantation erhalten hatten, aber auch für Pat. >50 Jahre, bei denen eine allogene Transplantation bei Beachtung der Komorbidität in Betracht kommt.

6.1.3.1.2Stammzellquelle

Als Stammzellquelle soll bei Aplastischer Anämie Knochenmark verwendet werden, da die Transplantation mit peripheren Blutstammzellen (PBSZ) mit einer signifikant höheren Inzidenz von akuter GvHD, schwerer chronischer GvHD und signifikant schlechterem Überleben assoziiert ist [3738]. Empfehlungen zum Vorgehen bei hereditären Fällen von AA sind in Kapitel 6. 3 dargestellt.

6.1.3.1.3Konditionierung

Bei Geschwisterspender-Transplantation bei jungen Pat. (≤30 Jahren) ist das Standardregime für die Konditionierung Cyclophosphamid (Gesamtdosis von 200 mg/kg KG verteilt auf 4 Gaben an aufeinanderfolgenden Tagen) [128]. Zusätzlich sollte eine in-vivo Depletion durch ATG oder Alemtuzumab erfolgen. Eine randomisierte Studie zeigte keinen signifikanten Einfluss von ATG auf die Abstoßungsrate, auf die Inzidenz schwerer akuter GvHD oder das Gesamtüberleben [39]. Analysen einzelner Zentren und eine retrospektive Analyse der EBMT zeigten jedoch ein signifikant besseres Überleben mit ATG in der Konditionierung. Eine Ganz- oder Teilkörperbestrahlung im Rahmen der Konditionierung ist für eine GeschwisterspenderTransplantation nicht indiziert.

Wesentliche prognostische Variablen für das Überleben nach Geschwisterspendertransplantationen sind Alter, Performance Status, Intervall zwischen Diagnose und Transplantation sowie Stammzellquelle [373840]. Da die Überlebenswahrscheinlichkeit mit dem Alter abnimmt, besonders deutlich bei über 50-Jährigen [40] wurden für diese Altersgruppe neue Konditionierungsprotokolle untersucht. Eine Kombination mit niedrig-dosiertem Cyclophosphamid, Fludarabin und ATG erbrachte bei Pat., welche älter als 30 Jahre waren, in einer Pilotstudie gute Ergebnisse [28]. In einer retrospektiven Analyse der CIBMTR hatten Pat. mit Kaninchen-ATG im Konditionierungsregime eine signifikant niedrigere Inzidenz einer akuten GvHD an Tag 100 und eine geringere Inzidenz einer chronischen GvHD als Pat. mit Pferde-ATG-haltigen Konditionierungsregimen [41]. Als Alternative zu ATG kommt in dieser Kombination mit Niedrig-Dosis Cyclophosphamid und Fludarabin auch Alemtuzumab in Frage [42]. Entsprechend wird bei Pat. ≥30 Jahre empfohlen, als Konditionierungsregime vor allogener Geschwisterspendertransplantation entweder Fludarabin, niedrig-dosiertes Cyclophosphamid und ATG (FCA) oder Fludarabin, niedrig-dosiertes Cyclophosphamid und Alemtuzumab (Campath) (FCC) einzusetzen [43].

6.1.3.1.3.1GvHD-Prophylaxe

Das Standardregime für die GvHD-Prophylaxe ist die Kombination von Ciclosporin und Methotrexat (MTX). Eine randomisierte Studie verglich GvHD-Prophylaxe mit Ciclosporin allein (Beginn Tag -1) mit Ciclosporin (ab Tag -1) und MTX (15 mg/m2 an Tag +1 und 10 mg/m2 an Tag +3, +6 und +10). Die Kombinationstherapie Ciclosporin und MTX war mit einem signifikanten Überlebensvorteil assoziiert und wird als Standard für die GvHD-Prophylaxe bei Geschwisterspendertransplantation der AA gesehen [144]. Studien bei unverwandten Spendern setzten auch niedrigere MTX Dosierungen ein (10 mg/m2 an Tag +1, +3,+6, +10) [45].

Nach Transplantation besteht ein erhebliches Risiko für ein spätes Transplantatversagen, insbesondere bei Pat. mit zunehmendem gemischten Chimärismus [46]. Kompletter Spenderchimärismus oder stabiler gemischter Chimärismus ist mit geringer Rate an chronischer GvHD und gutem Überleben assoziiert [45]. Es besteht eine Korrelation zwischen zunehmendem, gemischtem Chimärismus, Transplantatverlust und Absetzen des Ciclosporins. Deswegen wird empfohlen, Ciclosporin mindestens 9 Monate in therapeutischer Dosis zu geben und langsam, d. h. über mindestens 3 Monate unter Überwachung des Chimärismus-Status auszuschleichen [4647].

6.1.3.2Allogene Stammzelltransplantation von einem unverwandten Spender
6.1.3.2.1Indikation für eine unverwandte Transplantation

Die Indikation für eine unverwandte Transplantation besteht in folgenden Situationen:

  • Primärtherapie [43]:
    Es gibt bisher noch keinen eindeutigen Konsens über den Einsatz unverwandter Transplantation als Primärtherapie der erworbenen Aplastischen Anämie. Gute Ergebnisse mit modifizierten Konditionierungsregimen können den Einsatz der unverwandten Transplantation als Primärtherapie bei jungen Pat. mit vSAA rechtfertigen, wenn ein Spender mit 10/10 Match (mindestens 9/10 Match) auf Allelebene verfügbar ist (HLA-A,-B,-C und HLA-DRB1 und DQB1) [4852].

  • Sekundärtherapie [143]:
    bei SAA / vSAA und Alter ≤40 Jahren nach Versagen von mindestens einem Zyklus immunsuppressiver Kombinations-Therapie mit Pferde-ATG Ciclosporin A und Eltrombopag und keine Verfügbarkeit eines geeigneten Geschwisterspenders; eventuell auch bei Pat. >40 Jahre, wenn andere Therapieoptionen ausgeschöpft sind und ein guter Allgemeinzustand besteht.

Bei Pat., welche aufgrund von Alter, Allgemeinzustand und Schweregrad der Erkrankung für eine unverwandte Transplantation als Zweitlinien-Therapie in Frage kommen, soll die Suche nach einem unverwandten Spender bald nach Diagnosestellung eingeleitet werden.

Für Pat., die aufgrund von Alter und Komorbidität für eine allogene Transplantation in Betracht kommen, auf mindestens eine Pferde-ATG und Eltrombopag-haltige immunsuppressive Therapie nicht angesprochen haben und über keine geeigneten unverwandten Spender verfügen, kann eine haploidente Transplantation erwogen werden [4153]. Die Ergebnisse der haploidenten Transplantation sowohl in der Primärtherapie als auch bei „Salvage“ bei refraktären Pat. sind heterogen (siehe Übersicht in [51, 54-56]. Es wurden sehr gute Ergebnisse mit Überlebenswahrscheinlichkeit über 80% nach einem Jahr und einer kumulativen Inzidenz einer akuten GvHD ≥ Grad 2 an Tag 100 zwischen 7 und 16% nach haploidenter Transplantation berichtet (mit Konditionierung reduzierter Intensität und intensiver GvHD-Prophylaxe (ATG, Fludarabin, Cyclophosphamid vor Transplantation, 2 Gy Ganzkörperbestrahlung, Post-Transplantations-Cyclophosphamid (50 mg/kg pro Tag an Tag +3 und +4 nach KMT) und Mycophenolat oder zusätzlich Tacrolimus [545557]. Trotz der Verbesserungen der haploidenten Transplantation ist bei Verfügbarkeit ein HLA-identer unverwandter Spender vorzuziehen [58].

6.1.3.2.2Stammzellquelle

Bei der unverwandten Transplantation soll Knochenmark als Stammzellquelle bevorzugt werden. Sowohl EBMT als auch CIBMTR Auswertungen zeigten einen signifikanten Überlebensvorteil der Knochenmarktransplantation gegenüber peripheren Blutstammzellen [5960].

Ein Einsatz von peripheren Blutstammzelltransplantation kommt bei Zweittransplantation aufgrund von Transplantat-Abstoßung in Betracht.

6.1.3.2.3Konditionierung

Bei unverwandter Transplantation soll ein gegenüber der Geschwisterspendertransplantation modifiziertes dosisreduziertes Konditionierungsschema angewandt werden, welches bei Pat. >14 Jahren auch eine niedrig-dosierte Ganzkörperbestrahlung enthält. In mehreren Studien [45], darunter auch prospektiv-randomisierten Studien [6162], wurde die Dosis von Cyclosphosphamid und Bestrahlung untersucht. Die EBMT empfiehlt die Kombination aus Niedrig-Dosis Cyclophosphamid (300 mg/m2 an Tag -6, -5, -4 und -3), Fludarabin (30 mg/m2 an Tag -6, -5, -4 und -3), ATG (an Tag -6, -5, -4 und -3) oder Alemtuzumab [6364]. Bei Pat. >14 Jahren ist dieses Schema wegen einer hohen Abstoßungsrate in folgender Weise angepasst worden: 2 Gy Ganzkörperbestrahlung und Halbierung der ATG-Dosis (nur 2 Tage statt 4 Tage) [6364]. Im Falle einer Ganzkörperbestrahlung als Komponente einer Konditionierung soll eine hereditäre Erkrankung, z.B. Telomeropathien oder Fanconi Anämie, auf Grund der zu erwartenden deutlich erhöhten Toxizität im Vorfeld ausgeschlossen werden.

Als T-Zellantikörper kann in diesem Regime sowohl ATG als auch Alemtuzumab eingesetzt werden [426364]. In einer retrospektiven Analyse der CIBMTR hatten Pat. mit Kaninchen-ATG im Konditionierungsregime eine signifikant niedrigere Inzidenz einer akuten GvHD an Tag 100 und signifikant besseres Gesamtüberleben als Pat. mit Pferde-ATG-haltigen Konditionierungsregimen [41]. Als GvHD-Prophylaxe werden in diesem Protokoll Ciclosporin A und Methotrexat (10 mg/m2 an Tag 1 und 8 mg/m2 an Tag +3 und +6) gegeben.

Ein alternativer Ansatz ist die konventionelle Cyclophosphamid-Konditionierung (200 mg/kg) mit ATG und niedrig-dosierter Ganzkörperbestrahlung (2 Gy) [4561] oder die Kombination einer reduzierten Cyclophosphamid-Dosis (120 mg/kg) mit 8 Gy Ganzkörperbestrahlung [65].

6.1.4Immunsuppressive oder andere medikamentöse Therapie

6.1.4.1Indikation

Eine Indikation für eine immunsuppressive Therapie besteht bei

  • Pat. mit vSAA oder SAA >40 - 50 Jahre oder bei Pat. ohne HLA-identen Geschwisterspender

  • Pat. mit nSAA mit Gefährdung durch schwere Zytopenie in mindestens einer Zellreihe und/oder Transfusionsbedarf

  • Zur Therapie der nSAA/MAA wird auf die ausstehenden Ergebnisse der EMAA-Studie verwiesen (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02773225) (siehe Kapitel 10).

Für die immunsuppressive Therapie gibt es keine Altersbegrenzung, jedoch nimmt die Erfolgsrate mit zunehmendem Alter ab [66].

6.1.4.2Erstlinientherapie

Die Standardtherapie der vSAA/SAA bei Pat. ohne Indikation oder ohne verfügbaren Spender für eine allogene Stammzelltransplantation ist außerhalb von Studien die Kombination von Pferde-ATG, Ciclosporin und Eltrombopag, zur Reduktion unerwünschter Wirkungen des ATG obligat für einen Zeitraum von 4 Wochen mit Kortikosteroiden kombiniert [6768]. Eine Kombinationstherapie von ATG und Ciclosporin ist in der Ansprechrate und dem Therapie-versagensfreien Überleben der Therapie mit ATG oder Ciclosporin alleine überlegen – dies gilt auch für die nSAA [69]. Die entsprechenden Studien, welche diese Kombination als Goldstandard etabliert hatten, waren sämtlich mit Pferde-ATG durchgeführt worden [6770].

Im Jahr 2007 wurde das einzige in Europa zugelassene Pferde-ATG-Präparat (Lymphoglobulin®) vom Markt genommen. Die Kombinationstherapien wurden daraufhin mit Kaninchen-ATG durchgeführt. Eine publizierte randomisierte Studie zeigte im Vergleich von Kaninchen-ATG (Thymoglobulin®) und Pferde-ATG (ATGAM®), dass die Ansprechrate und das Gesamtüberleben mit Pferde-ATG signifikant besser ist als mit Kaninchen-ATG [71]. Die Ansprechrate nach 3 Monaten betrug mit Pferde-ATG 62% verglichen mit nur 33% in der Kaninchen-ATG Gruppe. Das Gesamtüberleben war mit 85% nach Pferde-ATG signifikant besser als nach Kaninchen-ATG basierter Therapie (55%) [72]. Weitere, allerdings nicht-randomisierte Studien, welche Kaninchen-ATG-Therapie in der Erstlinien-Therapie untersuchen, kommen teilweise zu diskrepanten Ergebnissen [7378]. Fünf dieser Studien berichten ebenfalls über schlechteres Ansprechen und Gesamtüberleben mit Thymoglobulin im Vergleich zu historischen Kontrollen [7475]. Die übrigen Studien zeigen gleiche Ansprechraten mit Pferde- und Kaninchen-ATG [7677], jedoch teilweise längere Zeit bis zum Ansprechen nach Kaninchen-ATG im Vergleich zu Pferde-ATG [7677]. Keine Studie berichtet über bessere Ansprechraten in der Primärtherapie mit Kaninchen-ATG. Die Frage, ob die schlechteren Ergebnisse mit Kaninchen-ATG von der Dosierung abhängig sind und durch Modifikation des Dosierungsschemas verbessert werden kann, bedarf noch kontrollierter, prospektiver Prüfung [79]. Eine im Mai 2017 erschienene Metaanalyse der bisherigen Vergleichstudien von Pferde-ATG und Kaninchen-ATG bestätigte die auch klinisch signifikant höhere Ansprechrate mit Pferde-ATG [80]. Die Ansprechrate der Kombinationstherapie ist besser als bei Ciclosporin-Monotherapie [70].

Der in Deutschland seit 2007 bis zum Bekanntwerden der oben zitierten Daten praktizierte Wechsel von Pferde-ATG auf Kaninchen-ATG war nicht Evidenz-basiert, sondern durch die mangelnde Verfügbarkeit bedingt. Seit 2022 ist Pferde-ATG (ATGAM) in Deutschland für die Therapie der aplastischen Anämie zugelassen.

In einer randomisierten Studie der EBMT SAA Working Party wurde die Kombination Eltrombopag, Pferde-ATG (ATGAM) und Ciclosporin A mit der bisherigen Standardtherapie Pferde-ATG und Ciclosporin A in der Primärtherapie bei Pat. mit vSAA/SAA verglichen (RACE Trial) [81]. Die Ansprechrate (partielles und komplettes Ansprechen) nach 3 Monaten bzw. 6 Monaten war in der Eltrombopag-Gruppe höher (59% vs. 31% nach 3 Monaten, 68% vs. 41% nach 6 Monaten) – mit einem höheren Anteil an komplettem Ansprechen (22% vs. 10% nach 3 Monaten; p=0.01). Die mediane Zeit bis zum ersten Ansprechen war in der Eltrombopag-Gruppe kürzer (3.0 Monate vs 8.8 Monate). Beide Gruppen hatten ähnliches Gesamtüberleben. Das Ereignis-freie Überleben (d.h. Überleben mit Ansprechen auf die Therapie ohne Stammzelltransplantation, weitere Behandlung, klonale Evolution, Rezidiv oder Tod) war in der Eltrombopag-Gruppe höher (nach 2 Jahren 46% (95%-CI: 36-57%) in der Eltrombopag-Gruppe und 34% (95% CI. 24-44%) in der Kontrollgruppe) [81]. Die Rate unerwünschter Ereignisse war in den Therapiegruppen nicht unterschiedlich, insbesondere gab es in der Eltrombopag-Gruppe in der bisherigen Nachbeobachtung keinen höheren Anteil von Pat. mit somatischen Mutationen in der Hämatopoiese oder klonalen Evolutionen [81].

In dieser Studie wurde Eltrombopag in einer Dosierung von 150 mg/Tag ab Tag 14 nach ATG-Start mindestens 6 Monate gegeben. Dieser Zeitpunkt wurde zur möglichen Abgrenzung einer Lebertoxizität von Eltrombopag gegenüber ATG gewählt, ggf. kann Eltrombopag auch früher gestartet werden. Pat., welche nach 3 Monaten nicht oder nur partiell angesprochen hatten, erhielten Eltrombopag für 3 weitere Monate [81].

Diese randomisierte Studie bestätigte Ergebnisse einer Studie am NIH (Phase-II) einer Kombination Eltrombopag, Pferde-ATG (ATGAM) und Ciclosporin in der Primärtherapie, welche im Vergleich zu historischen Kontrollen ebenfalls ein rasches Ansprechen und eine bessere Ansprechrate mit einem höheren Anteil kompletten Ansprechens berichtet hatte [8283]. Eine Subgruppenanalyse zeigte allerdings keinen Vorteil der Kombination mit Eltrombopag in der pädiatrischen Kohorte (<18 Jahre) in dieser Studie [84].

Die Kombination von Pferde-ATG, Ciclosporin A und Eltrombopag ist aufgrund der aktuellen Evidenzlage der Standard in der Primärtherapie der vSAA/SAA bei Erwachsenen [818285]. Bereits auf der Basis der nicht-randomisierten NIH Phase-II Studie hatte die FDA die Zulassung von Eltrombopag auf die Erstlinientherapie in Kombination mit Standard-Immunsuppression für Erwachsene und Kinder aber 2 Jahre erweitert. In Europa ist Eltrombopag für die Primärtherapie der aplastischen Anämie bisher nicht zugelassen, wird aber inhaltlich von dieser Expertenkommission empfohlen.

Andere immunsuppressive Mehrfachkombinationen (z.B. Mycophenolat oder Sirolimus) haben keine Verbesserung der Ansprechrate erbracht. Mit Mycophenolat statt Ciclosporin trat eine hohe Rate früher Rezidive auf [698687].

6.1.4.3Zweitlinientherapie

Bei der Zweitlinientherapie ist zu trennen zwischen:

  • Refraktärität

  • Rezidiv.

Bei Versagen der Erstlinientherapie mit Immunsuppression kommen folgende Therapien in Frage, siehe Abbildung 1:

  • Stammzell-Transplantation von HLA-identem Geschwisterspender, siehe Kapitel 6. 1. 3. 1

  • Stammzell-Transplantation von unverwandtem Spender, siehe Kapitel 6. 1. 3. 2

  • Wiederholung der immunsuppressiven Therapie, ggf. mit Wechsel des ATG-Präparates, siehe Kapitel 6. 1. 4. 3. 1

  • Einsatz von Eltrombopag, siehe Kapitel 6. 1. 4. 3. 2

  • alternative Immunsuppression: Alemtuzumab [8889] oder Hochdosis-Cyclophosphamid [9091], siehe Kapitel 6. 1. 4. 3. 3

  • Androgentherapie, z. B. mit Danazol, [92].

6.1.4.3.1Wiederholung der ATG-Therapie

Eine Wiederholung der Immunsuppression ist möglich. Bei Rezidiven ist die Chance auf erneutes Ansprechen hoch [9394]. Bei Versagen der ersten Therapie kann ein zweiter Kurs Immunsuppression durchgeführt werden, welcher bei 30-60% der Pat. noch ein Ansprechen induzieren kann [9495]. Es gibt keine eindeutigen Daten, dass ein Wechsel des ATG Präparates die Ansprechrate einer Wiederholungstherapie verbessert [96]. Allein im Hinblick auf eine Serumkrankheit ist jedoch bei Therapiewiederholung der Wechsel auf ein Präparat aus einer anderen Spezies üblich. Wurde in der Primärtherapie Kaninchen-ATG verwendet und stellt ein Nichtansprechen auf die Ersttherapie die Indikation für die Wiederholungstherapie dar, sollte auf Pferde-ATG gewechselt werden, siehe Kapitel 6. 1. 4. 2

Ein direkter prospektiver Vergleich eines 2. ATG-Zyklus mit unverwandter Transplantation bei Kindern, welche auf die erste ATG-Therapie nicht angesprochen hatten, zeigte eine Ansprechrate auf die ATG-Therapie von lediglich 11% und bessere Überlebenswahrscheinlich mit unverwandter Transplantation [97].

Ein dritter Zyklus kann bei Pat. mit Rezidiv sinnvoll sein. Dagegen wird von einem 3. Zyklus ATG-Therapie bei Nichtansprechen auf 2 vorangegangene Zyklen abgeraten, da die Ansprechraten dann sehr gering sind [98].

6.1.4.3.2Eltrombopag-Monotherapie

Bei Pat. mit refraktärer AA ohne Ansprechen auf Standardimmunsuppression wurde bei einer Monotherapie mit Eltrombopag in 40% der Fälle ein Ansprechen erreicht [99101]. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 2 Monate, bei einem Teil der Pat. jedoch bis zu 6 Monaten. Eltrombopag ist zur Behandlung der refraktären SAA bei Pat. zugelassen, bei welchen eine allogene Stammzelltransplantation nicht in Betracht kommt.

Eine Phase-II-Studie mit kleiner Fallzahl berichtet auch für Pat. mit nSAA ein Ansprechen auf Eltrombopag-Monotherapie. Die Mehrzahl dieser Pat. zeigte nach Absetzen des Eltrombopag erneut fallende Werte und Bedarf für erneute Therapie [102].

Weitere kleinere Studien und Erhebungen von „real-word Daten“ bestätigen die Studienergebnisse bei nicht vorbehandelten und bei refraktären Pat. [41, 53, 103-105]. Auch Metaanalysen zeigten eine bessere Ansprechrate [105106], aber keinen Unterschied in der Rezidivrate und unerwünschte Wirkungen einer Kombination von Eltrombopag mit ATG im Vergleich zu ATG allein [106].

6.1.4.3.3Andere hämopoietische Wachstumsfaktoren

Die Gabe von G-CSF in Kombination mit der Immunsuppression führt zu einem beschleunigten Anstieg der neutrophilen Granulozyten und einer Verminderung der Infektionen und Hospitalisierungsdauer [72]. Das trilineäre Ansprechen, das ereignisfreie Überleben, die Rezidivrate und das Gesamtüberleben werden durch Gabe von G-CSF nicht verbessert [68]. In einer Studie wurde in der G-CSF-Gruppe eine signifikant geringere Rezidivrate im Vergleich zu kombinierter Immunsuppression ohne G-CSF beobachtet [107]. In einer weiteren klinischen Studie wurde dies jedoch nicht bestätigt [94]. In einer retrospektiven Analyse der EBMT war der Einsatz von G-CSF mit einer höheren Rate von MDS/AML assoziiert [108]. Außerhalb von klinischen Studien wird die Gabe von G-CSF bei Aplastischer Anämie nicht empfohlen [109].

6.1.4.3.4Andere Formen der Immunsuppression

Alemtuzumab erreichte in einer randomisierten Studie in der Primärtherapie eine geringere Ansprechrate als ATG [88]. Bei Pat. mit refraktärer Erkrankung wurden jedoch Ansprechraten von 37%-54% berichtet [89], allerdings auch eine prolongierte iatrogene Immunsuppression [110].

Die Hochdosis-Cyclophosphamid-Therapie ist sehr umstritten. Positiven Berichten [111112] steht eine klinische Studie gegenüber, welche wegen hoher Toxizität im Hochdosis-Cyclophosphamid-Arm vorzeitig abgebrochen wurde [91]. Eine neuere Studie aus China schlug eine Modifikation des Hochdosis-Cyclophosphamid-Protokolls mit einer kumulativen Dosis über 4 Tage von 120 mg/kg Körpergewicht (KG) statt 160 mg/kg/KG im Baltimore-Protokoll vor und berichtete über eine Ansprechrate von 73% nach 12 Monaten und einer Überlebenswahrscheinlichkeit von 81% nach 5 Jahren. In einer aktuellen Studie des NIH konnte dies nicht bestätigt werden. Erneut wurde eine lange Neutropenie, eine hohe Rate infektiöser Frühtodesfälle und ein Zweijahresüberleben von lediglich 72% beobachtet [113].

Pat., welche auf mindestens eine Standard-Immunsuppression nicht angesprochen haben oder rezidiviert sind und nicht eindeutig für eine allogene Stammzelltransplantation in Frage kommen, sollten spätestens zu diesem Zeitpunkt in einem spezialisierten Zentrum vorgestellt werden, um auch experimentelle Immunsuppressions- oder Transplantationsprotokolle, z. B. haploidente Transplantation oder Nabelschnurbluttransplantation in die Entscheidungsfindung einzubeziehen [5154114].

Diese Protokolle werden in der Regel aufgrund der Seltenheit der Erkrankung in europaweiter Kooperation durchgeführt werden. Information zu aktuellen Therapiestudien der EBMT finden sich unter www.ebmt.org.

In einem europäischen Register der EBMT (Working Party Aplastic Anemia) erfolgen Analysen zur Therapieoptimierung bei dieser seltenen Erkrankung. Die Teilnahme an diesem Register, welche Pat. unabhängig von der Therapieform erfasst, ist zu empfehlen.

6.2Therapiemodalitäten

6.2.1Medikamente

Details zum Zulassungsstatus und zu Dosierungen sind in den Anhängen Aplastische Anämie – Therapieprotokolle und Aplastische Anämie - Zulassungsstatus zusammengefasst.

6.2.1.1Anti-Thymozyten-Globulin (ATG)

Details zum Zulassungsstatus und zu Dosierungen sind in den Anhängen Medikamentöse Therapie – Protokolle und Zulassungsstatus zusammengefasst.

Die empfohlenen Dosierungen für ATG sind nach Produkt sehr verschieden (Thymoglobulin 2,5 – 3,75 mg/kg KG und Tag, an 5 aufeinanderfolgenden Tagen; ATGAM 40 mg/kg und Tag an 4 aufeinanderfolgenden Tagen) [718182]. Eine retrospektive Untersuchung aus einem einzelnen Zentrum berichtet über eine bessere Ansprechrate, wenn die gleiche kumulative Dosis von Thymoglobulin (17.8 mg) über 9 Tage statt über 5 Tage gegeben wird, d.h. 1,97 mg/kg/Tag [79].

Nur begleitend zur ATG-Therapie ist die Gabe von Kortikosteroiden erforderlich (z.B. Prednisolon, initial mindestens 1 mg/kg KG i.v. vor ATG-Infusion; nach Ende der ATG-Therapie Fortsetzung mit 1 mg/kg KG p.o.). Anschließend rasches Ausschleichen bis Tag 28, falls keine Serumkrankheitssymptome bestehen. Bei akuten allergischen Reaktionen auf ATG oder Serumkrankheit ist eine individuelle Anpassung der Kortikosteroid-Dosis nach Schweregrad und Dauer der Symptome erforderlich [71].

6.2.1.2Ciclosporin

Ciclosporin soll initial in einer Dosierung von 5 mg/kg KG/Tag p.o. gegeben werden; danach erfolgt die Dosierung spiegeladaptiert (Vollblutkonzentration Talspiegel 150-250 ng/ml) [1]. Ciclosporin sollte mindestens 4 Monate fortgesetzt werden, danach weitere Steuerung der Therapie nach Ansprechen und Verlauf. In der Praxis resultiert in der Regel eine Therapiedauer von 12 Monaten oder länger. Viele Pat. haben nach 4 Monaten angesprochen, zeigen aber noch einen langsam kontinuierlichen Anstieg der Blutbildwerte [115]. Dann sollte Ciclosporin fortgesetzt werden bis dokumentiert über 6-8 Wochen keine weitere Verbesserung der Blutbildwerte eintritt. Dann kann ein langsames (!) Ausschleichen eingeleitet werden (Dosisreduktion um 0.3 mg/kg KG und Monat). Schnelleres Ausschleichen ist mit einer höheren Rezidivgefahr assoziiert [116]. Die Häufigkeit von Ciclosporin-abhängigen Remissionen liegt bei bis zu 14-18% [68116].

Kleine Fallserien und retrospektive Analysen sprechen dafür, dass bei Patienten mit Ciclosporin-A-Unverträglichkeit auch Tacrolimus eingesetzt werden kann [117].

6.2.1.3Eltrombopag

Eltrombopag soll bereits initial in einer Dosierung von 150 mg/Tag p.o. gegeben werden. Eine Dosisanpassung (Reduktion um 50% ist bei Pat. asiatischer Herkunft erforderlich). In der Fachinformation ist eine schrittweise Dosissteigerung ab 50 mg/Tag vorgesehen. In Studien zu refraktärer aplastischer Anämie hat sich jedoch gezeigt, dass ein Ansprechen erst bei 150 mg/Tag einsetzt [101]. In einer Zustellung von „Real World-Evididence“ wurde bei refraktären Pat. über Ansprechen erst bei Tagesdosen >150 mg (bis zu 300 mg) berichtet. Entsprechend wurde diese Dosis auch in den Studien zum Einsatz in der Primärtherapie in Kombination mit Pferde-ATG und Ciclosporin A eingesetzt (siehe Kapitel 6.1.4.2) [8182]. Pat. mit refräktärer aplastischer Anämie können auch erst nach erheblicher Latenz auf Eltromopag ansprechen. Eine Therapiedauer von 24 Wochen kann erforderlich sein, um das Ansprechen zu beurteilen [101]. Das hämatologische Ansprechen blieb bei einem Teil der Pat. auch erhalten nachdem Eltrombopag nach einer Therapiedauer von mindestens 6 Monaten und stabilen Blutbildwerten beendet wurden. Pat. mit fallenden Blutbildwerten sprachen erneut auf Eltrombopag an [101103]. In der RACE-Studie wurde Eltrombopag erst ab Tag 14 nach Start der Immunsuppression (zum Ausschluss einer möglichen Überlappung mit unerwünschten Wirkungen des ATG) für mindestens 6 Monate gegeben bzw. 3 Monate bei Pat., welche eine komplette Remission erreichten. In der NIH-Studie wurde Eltrombopag bereits an Tag 1 parallel zur Immunsuppression begonnen und für 6 Monate gegeben [82].

Bei vSAA/SAA ist Eltrombopag aufgrund der Studienlage (siehe Kapitel 6.1.4 und Abbildung 1) Teil der Standardtherapie in der Primärtherapie und bei refraktären Pat. Der Einsatz von Eltrombopag in der Primärtherapie der nSAA/MAA wird derzeit in der randomisierten klinischen Studie EMAA (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02773225; siehe Kapitel 10) geprüft. Bisher gibt es keine Zulassung für Eltrombopag in der Primärtherapie der nSAA/MAA und keine ausreichende Evidenz für einen off-label use in dieser Indikation.

6.3Sonderformen

6.3.1Telomeropathien (syn. Dyskeratosis congenita, DKC, kryptische DKC, late onset DKC)

Telomeropathien sind hereditäre Störungen der Telomerhomöostase, die zum überwiegenden Teil ausgelöst werden durch Mutationen im Telomerase-Komplex, in Shelterin-Proteinen oder DNS-Helikasen. Als Konsequenzen dieser Mutationen, welche homozygot oder heterozygot vorliegen können, kommt es zu einer vorzeitigen Telomerverkürzung und zur Telomer-assoziierten replikativen Seneszenz. Klinisch finden sich altersabhängig bei diesen Pat., insbesondere im Kindesalter, die typischen Hautveränderungen z.B. Nageldystrophie, Leukoplakien, Pigmentierungsstörungen, dazu interstitielle Lungenveränderungen sowie Leberfibrose/-zirrhose. Bei 95% der Betroffenen tritt bis zum 40. Lebensjahr eine Aplastische Anämie auf [118]. Insbesondere im jungen und höheren Erwachsenenalter sind mono- oder oligosymptomatische Verläufe typisch, welche sich durch eine alleinige Manifestation z.B. im Knochenmark als Aplastische Anämie manifestieren und dann klinisch zunächst nicht von einer erworbenen Form unterschieden werden können [3].

Für die Aplastische Anämie wird die Häufigkeit einer Telomererkrankung auf ca. 5% geschätzt. Die Diagnosestellung erfolgt mittels Bestimmung der Telomerlänge in den Lymphozyten und ggf. einer genetischen Bestätigung bekannter Mutationen mittels Next-Generation Sequencing (NGS). Diese Diagnostik wird an spezialisierten Zentren angeboten und systematisch erfasst, z. B. im internationalen Aachener Telomeropathieregister.

Klinisch ist die Diagnosestellung mit weitreichenden Konsequenzen für den Pat. verbunden. Zum einen sprechen die Pat. auf Grund der zugrundeliegenden Pathophysiologie typischerweise nicht auf immunsuppressive Therapie an, können aber stattdessen präferentiell von einer dann zielgerichteten Androgentherapie mit z.B. Danazol zur Reaktivierung der Telomeraseaktivität profitieren [6790]. Zum anderen ist die Diagnosestellung wichtig, da Pat. mit einer Telomeropathie zu deutlich erhöhten Komplikationen wie lebenslimitierenden Lungenfibrosen nach allogener Stammzelltransplantation, insbesondere nach Bestrahlung im Rahmen der Konditionierung, neigen. Dies führt zu einer 5-Jahres-Überlebensquote von nur 50% und einer 10-Jahres-Überlebensquote von nur 25%. Zusätzlich ist die korrekte Diagnosestellung wichtig im Rahmen einer Familienspende für eine allogene Stammzelltransplantation, da aufgrund des hereditären Charakters klinisch asymptomatische Geschwister mitbetroffen sein können, was zu einem primären oder sekundären Graft-Failure nach Transplantation führen kann. Im Falle des Vorliegens einer Telomeropathie sollte Kontakt mit einem entsprechend spezialisierten Zentrum aufgenommen werden und der Pat. in ein entsprechendes Register aufgenommen werden (siehe Kapitel 5.2.1 und Kapitel 10). Bzgl. des Vorgehens bei Pat. mit Erstmanifestation einer DKC im Kindesalter bzw. bei FA wird auf die entsprechende pädiatrische Literatur bzw. Leitlinien verwiesen.

6.3.2Fanconi Anämie

Die Fanconi Anämie ist eine nach dem Schweizer Pädiater Guido Fanconi benannte, hereditäre Erkrankung [119]. Sie ist phänotypisch und genotypisch heterogen. Ursache sind Mutationen in unterschiedlichen Genen, u. a. FANCA, FANCB, FANCC , aber auch BRCA1, BRCA2 und RAD1. Die meisten Aberrationen werden autosomal rezessiv vererbt. Die Mutationen führen zu Störungen der zellulären Reparatur von DNS-Crosslinks. Viele Fanconi-Anämie-Pat. haben angeborene Fehlbildungen z. B. von Daumen oder Radius, Minderwuchs, endokrine Störungen, Osteoporose u. a.

In Abhängigkeit von der genetischen Aberration ist das klinische Bild variabel. Bei den meisten Pat. wird es durch eine progrediente Knochenmarksinsuffizienz bis zum Bild einer Aplastischen Anämie dominiert. Pathognomonisch ist eine vermehrte Chromosomenbrüchigkeit in der zytogenetischen Analyse des Knochenmarks. Alle hämatologischen Zellreihen sind betroffen, erste Laborauffälligkeit ist oft eine hyperchrome makrozytäre Anämie. Durch den DNS-Reparaturdefekt haben Pat. mit Fanconi Anämie ein stark erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines myelodysplastischen Syndroms (MDS, siehe Onkopedia Myelodysplastisches Syndrom), einer akuten myeloischen Leukämie (AML, siehe Onkopedia Akute Myeloische Leukämie) und von Plattenepithelkarzinomen.

Die meisten Pat. mit Fanconi Anämie werden im Kindesalter diagnostiziert. Einige haben einen milden Verlauf und benötigen keine Therapie. Andere mit intermediärem oder schwerem Verlauf sprechen auf eine Androgentherapie an [120]. Eine kurative Option ist die allogene Stammzelltransplantation [121]. Begrenzend ist das erhöhte Risiko für exzessive Toxizität bei Verwendung einer Standard-Konditionierung aufgrund des DNS-Reparaturdefektes. Wenn indiziert, sollte eine allogene Stammzelltransplantation im Kindesalter durchgeführt werden.

Viele Fälle von Fanconi-Anämie erreichen heute das Erwachsenenalter. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen in Transitionsprogramme der Hämatologie integriert werden und mit Risiko-adaptierten Verlaufsprogrammen überwacht werden. In Abhängigkeit vom Genotyp gehören hierzu auch Krebsfrüherkennungsuntersuchungen für Malignome der Haut und der Schleimhäute im Kopf-Hals-Bereich, gynäkologisch sowie anal.

7 Psychosoziale Betreuung und Rehabilitation

Die Mehrzahl der betroffenen Pat. steht im Berufsleben, hat eine Lebenserwartung von Jahrzehnten vor sich und steht vor der Herausforderung, diese chronische Krankheit in ihr Leben zu integrieren. Zur Unterstützung gehören auch Maßnahmen im psychosozialen Bereich. Diese schließen nicht nur die direkt von der Krankheit Betroffenen, sondern auch die Angehörigen und das soziale Umfeld mit ein. Professionelle Gespräche mit Psychologen erleichtern die Verarbeitung der Diagnose und den Umgang mit der Krankheit. Pat. sollen auf Angebote der Patientenorganisationen hingewiesen werden, siehe Kapitel 14.

Die Pat. sollen über die Möglichkeiten ambulanter und stationärer Rehabilitationsmaßnahmen sowie weiterer Ansprüche, die sich aus dem Sozialrecht ergeben, frühzeitig informiert werden. Hinsichtlich der Rehabilitationsklinik sollen die Wünsche der Pat. berücksichtigt werden (§9 SGB IX). 

Eine weitere Herausforderung sind die sozialen und finanziellen Belastungen einer AA. Entlastungen und Umstrukturierungen am Arbeitsplatz, Härtefallregelungen, steuerliche Erleichterungen u.a. können wirksam helfen. AA-Pat. steht ein Schwerbehindertenausweis zu. Besonders relevant bei der Festlegung des Grads der Behinderung sind die Auswirkungen der Erkrankung und der aktuelle Therapiebedarf.

8Verlaufsbeobachtung

Unter Therapie mit ATG sollten täglich Thrombozyten, zweimal wöchentlich Differenzialblutbild und Gerinnung, ggf. Ciclosporinspiegel bestimmt werden. Danach in der Regenerationsphase ein- bis zweiwöchentliche Blutbildkontrollen bzw. nach Substitutionsbedarf.

Statuskontrollen, Zellzählung, Differenzialblutbild mit Retikulozyten einmal pro Monat, PNH-Diagnostik (siehe auch Onkopedia – Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie). Knochenmarkuntersuchung (mit Zytogenetik, bzw. Untersuchung klonaler Marker, falls solche aus der Basisdiagnostik bekannt sind) jährlich oder bei auffälligen Blutbildveränderungen.

Das Ansprechen auf immunsuppressive Therapie tritt verzögert ein, im Median dauert es 3-4 Monate [6770]. Die Bewertung des Therapieerfolgs ist in der Regel erst nach drei bis vier Monaten möglich [122]. Häufig wird keine vollständige Normalisierung der peripheren Blutwerte erreicht. Das Ansprechen auf Eltrombopag bei refraktären Pat. kann bis zu 6 Monaten in Anspruch nehmen [101].

Die Rezidivrate nach erfolgreicher Therapie beträgt 30% bis 40% [93115]. Es besteht bei den Pat. ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von MDS, AML und klinisch symptomatischer PNH sowie von soliden Tumoren [108123124]. Die Entwicklung klonaler Populationen und sekundärer klonaler Erkrankungen wurde mit Zytogenetik und Next-Generation-Sequenzing klonaler Marker insbesondere in den Eltrombopag-Therapiestudien untersucht. Eine erhöhte Rate von klonaler Evolution bei einer Subgruppe von Pat. in zeitlichem Zusammenhang zur Therapie spricht für die Expansion präexistenter Klone unter Eltrombopag-Therapie [101]. Eine erhöhte Inzidenz sekundärer klonaler Erkrankungen wurde bei Pat. mit Eltrombopag-Therapie bisher jedoch nicht nachgewiesen [83101]. Die Zeit bis zum Auftreten von Rezidiven oder der Entwicklung einer klonalen Erkrankung ist allerdings nach kombinierter Therapie mit Eltrombopag kürzer als nach Immunsuppression alleine [83]. Eine langfristige Nachsorge ist generell, insbesondere auch bei Eltrombopag-Therapie erforderlich.

Hinweise zu COVID-19 finden Sie in der Onkopedia COVID-19-Leitlinie. Hinsichtlich der Therapie bzw. der Kontroll- und Nachsorgeuntersuchungen ergeben sich keine Veränderungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie.

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10Aktive Studien und Register

Studien der Working Party Aplastische Anämie der EBMT unter www.ebmt.org

11Medikamentöse Therapie-Protokolle

12Studienergebnisse

13Zulassungsstatus

15Anschriften der Verfasser

Univ.-Prof. Dr. med. Tim Henrik Brümmendorf
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Pascale Olivia Burmester
Stiftung lichterzellen
Oppenheimstraße 11
50668 Köln
Dr. med. Hans Joachim Deeg
Ulrike Göbel
Aplastische Anämie & PNH e.V.
Postfach 52 03 25
12593 Berlin
Dr. med. Britta Höchsmann
Universitätsklinik Ulm
Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
Dr. Sigrid Machherndl-Spandl
Ordensklinikum Linz Elisabethinen
Interne 1 - Hämatologie mit
Stammzelltransplantation, Hämostaseologie
und medizinische Onkologie
Fadingerstr. 1
A-4020 Linz
PD Dr. med. Jens Panse
Universitätsklinikum RWTH Aachen
Medizinische Klinik IV
Klinik für Onkologie, Hämatologie,
Hämostaseologie und Stammzelltransplantation
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Prof. Dr. med. Jakob Passweg
Universitätsspital Basel
Hämatologie
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
Prof. Dr. med. Alexander Röth
Universitätsklinikum Essen
Klinik für Hämatologie
Westdeutsches Tumorzentrum
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier
Universitätsklinikum Ulm
Institut für klinische Transfusionsmedizin
Helmholtzstr. 10
89081 Ulm
Prof. Dr. med. Jörg Schubert
Elblandklinikum Riesa
Innere Medizin II
Hämatologie/Onkologie & Gastroenterologie
Weinbergstr. 8
01589 Riesa
Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann
Amb. Gesundheitszentrum der Charité
Campus Virchow-Klinikum
Med. Klinik m.S. Hämatologie & Onkologie
Augustenburger Platz 1
13344 Berlin

16Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

Autor*in Anstellung1 Beratung / Gutachten2 Aktien / Fonds3 Patent / Urheberrecht / Lizenz4 Honorare5 Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen6 Andere finanzielle Beziehungen7 Persönliche Beziehung zu Vertretungsberechtigten8
Brümmendorf, Tim Henrik Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Burmester, Pascale Olivia
Stiftung lichterzellen
Ja
Patient Advisory Board Pfizer Inc. Patient Advisory Board Novartis Pharma AG (alle Vergütungen gehen an die Stiftung Lichterzellen)
Nein
Nein
Ja
Swedish Orphan Biovitrum GmbH Swedish Orphan Biovitrum AB (publ.) Novartis Pharma GmbH Novartis Pharma AG Alexion Pharma GmbH Pfizer Inc. Pfizer Pharma GmbH Alexion Pharmaceutical Inc. Florio GmbH Roche Pharma AG F. Hoffmann-La Roche Ltd. HCD Economics Bionical Ernas Ltd. (alle Vergütungen gehen an die Stiftung Lichterzellen)
Nein
Nein
Nein
Deeg, Hans Joachim Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Göbel, Ulrike
Commerzbank AG (angestellt) Aplastische Anämie & PNH e.V. (Vorstand, ehrenamtlich) Leukämie- & Lymphom-Selbsthilfe Berlin e.V. (Vorstand, ehrenamtlich) PNH Global Alliance (Vorstand, ehrenamtlich)
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Höchsmann, Britta Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Machherndl-Spandl, Sigrid
Ordensklinikum Linz Elisabethinen I.Interne Abteilung für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation Fadingerstrasse 1 4020 Linz Österreich
Ja
Advisory board: Celgene/BMS, Novartis, Jazz, Pfizer, Amgen, Abbvie, Servier
Nein
Nein
Ja
Honorar für Coatuorenschaft von Jazz Pharma GmbH
Nein
Ja
Reisekostenerstattung von Gilead
Nein
Panse, Jens
Uniklinik RWTH Aachen Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Stammzelltransplantation Pauwelsstrasse 30 72074 Aachen
Ja
Gutachter/Advisory Board: Alexion, Amgen, Apellis, AstraZeneca, Blueprint Medicines, BMS, Boehringer Ingelheim, Cogent, Gilead, MSD, Novartis, Pfizer, Roche, Samsung Bioepis, Sanofi, Sobi
Nein
Nein
Ja
Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten: Alexion, Apellis, BMS, Boehringer Ingelheim, Gilead, MSD, Neopharm Israel, Novartis, Pfizer, Roche, Sobi, SwixxBiopharma
Nein
Ja
Reisekostenerstattung: Alexion, Amgen, Apellis, AstraZeneca, Blueprint Medicines, BMS, Boehringer Ingelheim, Gilead, MSD, Novartis, Pfizer, Sobi
Nein
Passweg, Jakob
Universitätsspital Basel
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Röth, Alexander Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Schrezenmeier, Hubert Eine Erklärung liegt noch nicht vor
Schubert, Jörg
Elblandklinikum Riesa
Ja
Alexion, Roche, SOBI, Pfizer
Nein
Nein
Ja
Alexion, Roche, SOBI, Pfizer
Nein
Nein
Nein
Wörmann, Bernhard Eine Erklärung liegt noch nicht vor
1 - Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre (Institution/Ort)
2 - Tätigkeit als Berater*in bzw. Gutachter*in oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat / Advisory Board eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie, Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
3 - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
4 - Betrifft Arzneimittel und Medizinprodukte
5 - Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autor*innen oder Koautor*innenschaften im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
6 - Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeiter*innen der Einrichtung von Seiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftrags-instituts oder einer Versicherung
7 - Andere finanzielle Beziehungen, z. B. Geschenke, Reisekostenerstattungen, oder andere Zahlungen über 100 Euro außerhalb von Forschungsprojekten, wenn sie von einer Körperschaft gezahlt wurden, die eine Investition im Gegenstand der Untersuchung, eine Lizenz oder ein sonstiges kommerzielles Interesse am Gegenstand der Untersuchung hat
8 - Persönliche Beziehung zu einem/einer Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft

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Reference:

Quellenangabe:

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