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Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

ICD-10 C91.00
Stand Mai 2022
Dies ist die aktuell gültige Version des Dokuments

1Zusammenfassung

Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) ist eine seltene maligne, hämatologische Erkrankung. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Kindesalter. Diese Empfehlungen beziehen sich auf die ALL im Erwachsenenalter.

Das klinische Bild der ALL ist charakterisiert durch die Proliferation und Akkumulation maligner entarteter, unreifer lymphatischer Blasten in Knochenmark, Blut, lymphatischem und nicht-lymphatischem Gewebe. Unbehandelt führt die Erkrankung innerhalb weniger Monate zum Tod.

Biologisch ist die ALL heterogen. Genetische und immunphänotypische Marker haben prognostische Bedeutung und sind inzwischen auch prädiktiv für eine Subgruppen-spezifische Therapie.

Der Therapieanspruch ist kurativ. Der Standard wird durch die Studien und Expertenempfehlungen der GMALL (German Multicenter Study Group for Adult Acute Lymphoblastic Leukemia) etabliert. Die Langzeitüberlebensraten bei Erwachsenen haben sich in den letzten Jahrzehnten verbessert und liegen mit dem aktuellen Konzept für Patient*innen bis zum Alter von 55 Jahren bei etwa 60-70% mit großer Variationsbreite je nach Alters- und Risikogruppe.

2Grundlagen

2.1Definition und Basisinformationen

Die ALL ist durch die Proliferation und Akkumulation maligner entarteter, unreifer lymphatischer Zellen der Hämatopoese, so genannter Blasten in Knochenmark und Blut charakterisiert [1]. Auch alle anderen lymphatischen (z.B. Lymphknoten, Milz) und nicht lymphatischen Organe (z.B. Leber, ZNS, Hoden, Haut, Knochen etc.) können befallen sein. Die leukämischen Blasten verdrängen das normale blutbildende Knochenmark und es kommt zu Zytopenien aller drei Zellreihen (Anämie, Thrombozytopenie, Granulozytopenie).

2.2Epidemiologie

Die Gesamtinzidenz der ALL liegt bei 1,1/100.000 im Jahr. Der absolute Häufigkeitsgipfel liegt im Kindesalter unter 5 Jahren (5,3/100.000). Danach fällt die Inzidenz kontinuierlich ab. Bei über 50-jährigen Patient*innen steigt sie erneut langsam an und erreicht einen zweiten Häufigkeitsgipfel im Alter über 80 Jahren (2,3/100.000). Man findet eine leichte Prädominanz des männlichen Geschlechts (1,4:1,0).

2.3Pathogenese

Die Entartung kann auf verschiedenen Ebenen der lymphatischen Zellreifung stattfinden. In der Folge weisen die Leukämiezellen unterschiedliche phänotypische Merkmale, z.B. Konstellationen von Oberflächenmarkern auf, die mit der Reifungsstufe und auch mit der klinischen Manifestation der Erkrankung in Zusammenhang stehen.

Mehr als 60% der erwachsenen ALL- Patient*innen zeigen zytogenetische Aberrationen, die häufig ebenfalls charakteristisch für bestimmte phänotypische und klinische Ausprägungen sind und z. T. eine prognostische Bedeutung haben. Sie geben außerdem Hinweise auf Gene, die in Zusammenhang mit der Pathogenese der Erkrankung stehen. Bei den von Aberrationen betroffenen Genen bzw. deren Genprodukten handelt es sich um Faktoren, die an Signaltransduktion, Transkriptionsregulation, Zellzykluskontrolle und/oder der Regulation der Apoptose beteiligt sind. Dabei hat die Veränderung einzelner Gene komplexe Konsequenzen für die Expression nachgeordneter Gene und davon abhängiger Regulationsmechanismen. Es ist zudem davon auszugehen, dass mehrere genetische Aberrationen erforderlich sind, um die maligne Entartung lymphatischer Vorläuferzellen auszulösen. In der Folge kommt es zu Störungen der Differenzierung, Zunahme proliferativer Funktionen bzw. Verlust von Mechanismen, die zur Apoptose führen. Letztlich bringen diese Veränderungen einen Überlebensvorteil für den malignen Klon und führen zu einem Differenzierungsblock auf einer bestimmten Reifungsebene, analog zu normalen lymphatischen Progenitorzellen. Wichtigstes Beispiel für die pathogenetische, prognostische und prädiktive Bedeutung einer einzelnen Aberration ist die Translokation t(9;22) (Philadelphia-Chromosom, Ph), die mit der Bildung des BCR::ABL1 Fusionsgens verbunden ist. Als Folge wird ein Protein mit aberranter Tyrosinkinaseaktivität exprimiert, das ursächlich mit der Entstehung der Ph/BCR::ABL1-positiven ALL in Zusammenhang steht. Mit neuen molekulargenetischen Verfahren gelingt es, allein innerhalb der B-Vorläufer ALL mehr als 20 zu identifizieren [2]. Bei einigen Aberrationen wird die prognostische Bedeutung derzeit untersucht; bei anderen Veränderungen wie der BCR::ABL1-like ALL kann es in Einzelfällen möglich sein, potentielle Therapietargets zu identifizieren.

2.4Risikofaktoren

Die pathogenetischen Ursachen der ALL bleiben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unbekannt. Grundsätzlich stehen bestimmte endogene und exogene Faktoren mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer ALL in Zusammenhang. Dazu gehören kongenitale Defekte von DNA-Reparaturmechanismen, z.B. Ataxia teleangiectasia. Auch bei Patient*innen mit Trisomie 21 ist das Risiko einer akuten Leukämie gegenüber Vergleichsgruppen um das 18-fache erhöht. Chromosomenschäden, die durch radioaktive Strahlung ausgelöst werden, begünstigen die Entwicklung akuter Leukämien ebenso wie die Exposition gegenüber myelotoxischen Chemikalien, wie Benzol, Chloramphenicol u.a. Akute Leukämien werden in zunehmendem Umfang auch als Sekundärneoplasien nach Chemotherapie z.B. mit Alkylantien, Toposisomerase II Inhibitoren und nach einer Strahlentherapie beobachtet.

3[Kapitel nicht relevant]

4Klinisches Bild

4.1Symptome

Das klinische Bild der ALL ergibt sich zum einen aus Symptomen, die auf die zunehmende Insuffizienz der normalen Hämatopoese und zum anderen auf die Infiltration von Organen zurückzuführen sind. Symptome der hämatologischen Insuffizienz sind:

  • Anämie: blasse Haut und Schleimhäute, Tachykardie, Dyspnoe, Schwindel, Leistungsminderung

  • Granulozytopenie bei Leukopenie oder Leukozytose (bis zur Hyperleukozytose > 100 G/l) oder normal hohe
    Gesamtleukozytenzahlen im Blutbild: Fieber, Infektneigung

  • Thrombozytopenie: Blutungsneigung, Hämatomneigung, Petechien.

Ein Drittel der Patient*innen leidet bei Diagnosestellung unter Infektionen oder Blutungen. Fast 60% weisen Lymphknotenvergrößerung auf. Ebenso häufig liegt eine Splenomegalie vor. Ein Mediastinaltumor findet sich in 14% der Fälle von ALL insgesamt, aber bei 60% der Patient*innen mit T-ALL. 7% der Patient*innen zeigen initial einen ZNS-Befall. Der ZNS-Befall wird meist im Rahmen einer Routineuntersuchung des Liquors diagnostiziert; es können aber auch Symptome auftreten, angefangen von Kopfschmerzen, Erbrechen, Lethargie, Nackensteifigkeit über Nervenausfälle (insbesondere Hirnnerven) bis hin zu Querschnittsymptomen bei Befall des Rückenmarks. In 9% der Fälle von ALL liegt ein anderer extramedullärer Organbefall vor. Bei 60% der ALL- Patient*innen findet man eine Leukozytose. Das Fehlen von Leukozytose, Anämie, Thrombozytopenie oder auch das Fehlen von Blasten im Blut schließen eine ALL nicht aus.

In der Regel entwickeln sich die Krankheitssymptome innerhalb von Tagen und gehen mit einem raschen Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit einher.

5Diagnose

Beispiele der mikroskopischen Diagnostik finden Sie unter eLearning Curriculum Hämatologie (eLCH), https://ehaematology.com/.

5.1[Kapitel nicht relevant]

5.2Diagnostik

Bei Verdacht auf eine ALL ist die Durchführung einer Knochenmarkuntersuchung obligatorisch. Bei einigen Patient*innen, insbesondere solchen mit massiver Infiltration oder Fibrose des Knochenmarks, gelingt die Knochenmark-Aspiration nicht (Punctio Sicca). Dann muss eine Stanzbiopsie erfolgen und ggf. zusätzlich die Diagnostik mit Blasten aus dem peripheren Blut durchgeführt werden. Bei fast allen der Patient*innen weist das Knochenmark eine massive leukämische Infiltration mit entsprechender Einschränkung von Erythropoese, Thrombopoese und Granulopoese auf.

Bei lymphoblastischen Lymphomen (LBL) wird die Diagnose häufig im Rahmen einer histologischen Untersuchung gestellt. Die Abgrenzung von ALL und LBL erfolgt anhand eines prozentualen Blastenanteils im Knochenmark von 20-25% (Knochenmarkzytologie oder -histologie). Die Diagnosebestätigung durch einen Referenzpathologen ist zu empfehlen.

5.2.1Erstdiagnose

5.2.1.1Allgemeine Diagnostik und Therapievorbereitung

Zur Sicherung der Diagnose, zur Durchführung des Stagings und der Erfassung möglicher Begleiterkrankungen sind mindestens folgende Untersuchungen notwendig:

  • Anamnese und körperliche Untersuchung

  • Allgemeinzustand und Evaluierung von Komorbiditäten

  • Blutbild, Differentialblutbild, klinische Chemie einschließlich Gerinnungsdiagnostik und Urinanalyse

  • HLA-Typisierung (bei potenzieller Indikation für eine Stammzelltransplantation)

  • Infektiologische Untersuchungen einschließlich Hepatitis-B,-C- und HIV-Serologie

  • Schwangerschaftstest

  • Lumbalpunktion mit zytologischer Liquordiagnostik und intrathekaler Therapie

  • Bildgebende Untersuchungen (minimal Röntgenbild des Thorax, abdominelle Sonographie, ggf. Computertomographie von Thorax und Abdomen oder weitere Untersuchungen nach Symptomatik)

  • EKG und Echokardiographie

  • Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen und Notwendigkeit der Antikonzeption.

Bei allen Patient*innen sollte die Möglichkeit der Biomaterialasservierung z.B. im Rahmen der Studiengruppe angestrebt werden. Dies dient nicht nur späteren wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern schafft auch die Möglichkeit z.B. bei ungünstigem Ansprechen nachträglich weitergehende zyto- oder molekulargenetische Analysen im Hinblick auf mögliche Therapietargets durchzuführen. Solche Untersuchungen sollten insbesondere bei schlechtem Ansprechen, einschließlich molekularem Therapieversagen oder nach Rezidiv erwogen werden.

5.2.1.2Diagnostische Spezialuntersuchungen

Knochenmarkaspirate bzw. blastenreiche Blutproben vor Einleitung einer Therapie sollten zytologisch und immunologisch untersucht werden. Folgende Untersuchungen sollten in einem Referenzlabor durchgeführt werden:

  • Immunphänotypisierung

  • Molekulargenetik BCR::ABL1, KMT2A::AFF1, u. a.

  • Primärdiagnostische Markeridentifikation für die spätere molekulare Quantifizierung der minimalen Resterkrankung (MRD, minimal residual disease; Einsendung von Primärmaterial)

  • Zytogenetik und Molekularzytogenetik zum Nachweis einer t(9;22); t(4;11), u. a.

  • Transkriptom-Sequenzierung (RNA-Seq) zum Nachweis von Fusionsgenen, Treiber-Alterationen und zur Definition der molekularen Subgruppe

Wesentlich ist die Unterscheidung der B- und T-Vorläufer-ALL, der weiteren immunologischen Subtypen sowie prognostisch relevanter immunologischer oder zyto- und molekulargenetischer Subgruppen. Zusätzlich müssen Zielstrukturen für die Therapie identifiziert werden. Dazu gehören derzeit der Nachweis einer BCR::ABL1 Translokation sowie der Expression von CD19, CD20 und CD22 und als weitere Oberflächenmarker mit potenziell therapeutischer Relevanz CD38, CD33 und TSLPR (thymic stromal lymphopoietin receptor) als Hinweis auf eine CRLF2 (cytokine receptor-like factor 2)-Überexpression, wie sie bei der sog. BCR::ABL-like ALL auftritt.

Die genaue und umfassende Definition der molekularen ALL Subgruppen (aktuell sind mehr als 20 verschiedene molekulare ALL Subgruppen bekannt), entsprechend der WHO-Klassifikation (siehe Abschnitt 5.3) und darüber hinaus, ist durch den Einsatz der Transkriptom-Sequenzierung möglich. Die sichere molekulare Subgruppenzuordnung basiert auf der Konkordanz zwischen Treiberalterationen und dem spezifischen Genexpressionsprofil [3]. Dabei werden vor allem für die Situation eines Therapieversagens mögliche Angriffspunkte für zielgerichtete therapeutische Ansätze erfasst (z.B. ABL-Klasse Genfusionen, NTRK1-3-Genfusionen) [45]. Auch bei älteren Patient*innen ist eine vollständige Diagnostik insbesondere wegen der mit dem Alter ansteigenden Inzidenz der Häufigkeit der BCR::ABL1 Translokation unbedingt erforderlich.

5.2.2Krankheitsverlauf

5.2.2.1Bestimmung der minimalen Resterkrankung

Die Nachweisgrenze für leukämische Blasten bei der mikroskopischen Untersuchung von Knochenmarkausstrichen liegt bei 5%. Sehr viel sensitiver ist die Untersuchung des Therapieansprechens mit Hilfe von Methoden, die den Nachweis von leukämischen Blasten weit unterhalb der zytologischen Nachweisgrenze erlauben, die sog. „minimal residual disease“ (MRD). Die Sensitivität dieser Methoden sollte mindestens 10–4 erreichen (entspricht dem Nachweis einer Leukämiezelle in 10.000 normalen Zellen). Damit können bei Patient*innen, die klinisch und zytologisch in kompletter Remission sind, Leukämiezellen nachgewiesen und im Verlauf untersucht werden.

Für die Quantifizierung der minimalen Resterkrankung können verschiedene Verfahren herangezogen werden, z.B. PCR-Analysen von definierten Fusionsgenen oder die Durchflusszytometrie zum Nachweis individueller leukämietypischer Kombinationen von Oberflächenmarkern. Den höchsten Grad der Standardisierung bei gleichzeitig breitester Anwendbarkeit und Sensitivität erreicht der Nachweis individueller, klonaler Gen-Rearrangements von Immunglobulin- (IGH, IGK) oder T-Zell-Rezeptorgenen (TRB, TRG, TRD) mittels real-time PCR [6]. In 90-95% der Fälle gelingt die Etablierung sensitiver klonspezifischer Assays. Für Therapieentscheidungen im Rahmen von Studien und Therapieempfehlungen der GMALL-Studiengruppe wird aktuell bei Ph/BCR::ABL1 negativer ALL die mittels quantitativer PCR individueller, klonaler Rearrangements gemessene MRD hinzugezogen. Bei Ph/BCR::ABL1-positiver ALL wird in der Regel die quantitative Bestimmung von BCR::ABL1 herangezogen. Hier werden im Gegensatz zu der DNA-basierten Messung individueller, klonaler Rearrangements die Fusionstranskripte auf RNA/cDNA-Ebene gemessen. Neue Daten zeigen, dass bei der Ph/BCR::ABL1-positiven ALL beide Verfahren ergänzende Ergebnisse erbringen, da die zugrunde liegende t(9;22) bei einem Teil der Patient*innen nicht auf das ALL-Kompartiment beschränkt ist. Daher ist die parallele MRD-Quantifizierung mit beiden Verfahren sinnvoll. Zusätzlich sollte bei Patient*innen, bei denen kein molekularer Marker nachgewiesen werden kann, die MRD durchflusszytometrisch mittels spezifischer MRD-Vielfarb-Panel bestimmt werden. Alle Verfahren der MRD-Bestimmung müssen in Referenzlaboren durchgeführt werden, die an internationalen Qualitätssicherungsverfahren teilnehmen [78].

Die minimale Resterkrankung wird zur verfeinerten Definition des Therapieansprechens herangezogen. Die molekulare CR, definiert als negativer MRD-Status mit einer Mindestsensitivität der Analyse von 0,01% (10-4), ist ein wichtiger Endpunkt für die Effektivitätsmessung von Induktions- oder Konsolidationstherapien. Dem steht das molekulare Therapieversagen gegenüber, das durch den Nachweis von MRD auf einem Niveau über 0.01% definiert ist. Es gibt darüber hinaus eine Gruppe von Patient*innen mit niedrig positiver MRD oder nicht genau quantifizierbarer MRD. Bei diesen Patient*innen liegt eine intermediäre Prognose vor. Der prognostisch relevanteste Zeitpunkt für die Bestimmung des molekularen Ansprechens und die nachfolgende Therapiestratifikation war in den GMALL-Studien der MRD-Status nach Konsolidation I. Das molekulare Rezidiv wird als erneuter, quantitativer Nachweis von MRD nach Erreichen einer molekularen Remission definiert. Eine standardisierte Terminologie wurde in einer internationalen Konsensuspublikation formuliert [8] und ist auch Bestandteil der aktuellen GMALL-Empfehlungen.

MRD ist zu jedem Zeitpunkt unter und nach Therapie ein hochsignifikanter Prognosefaktor. Das frühe Erreichen einer molekularen CR charakterisiert eine Subgruppe von Patient*innen mit sehr günstiger Prognose, während Patient*innen mit persistierender MRD oder molekularem Rezidiv nach Konsolidation I eine hohe Rezidivrate haben [9]. Dies gilt sogar bei nachfolgender Stammzelltransplantation. Da die Persistenz der MRD auf eine Resistenz gegenüber der konventionellen Chemotherapie hindeutet, ist im Fall eines molekularen Therapieversagens oder molekularen Rezidivs notwendig, eine Therapieumstellung und den Einsatz zielgerichteter Therapien zu erwägen.

Persistenz der MRD ist aktuell der ungünstigste Prognosefaktor bei der ALL des Erwachsenen. Daher muss die MRD-Bestimmung bei allen Patient*innen durchgeführt werden. Die quantitative Messung der minimalen Resterkrankung ist nur nach vorheriger Markeretablierung anhand von diagnostischem blastenhaltigen Material möglich. Daher sollte in jedem Fall Primärmaterial an ein Referenzlabor eingeschickt werden. Bei Punctio sicca muss entweder nach Vorphasetherapie erneut punktiert werden, um Knochenmarkaspirat zu gewinnen, oder es muss ein Knochenmarktrepanat (unfixiertes, natives Biopsiematerial) eingesandt werden. Alternativ kann peripheres Blut zur Etablierung des MRD-Assays verwendet werden, wenn der Blastenanteil im Blut bei mindestens 10% liegt. Falls kein klonaler Marker identifiziert werden kann, sollte die Etablierung eines flowzytometrischen MRD-Assays im Referenzlabor in Auftrag gegeben werden. Auch bei lymphoblastischen Lymphomen kann ein MRD-Assay etabliert werden. Hierfür ist die Einsendung von Biopsaten (ggf. auch formalinfixierte, paraffineingebettete Tumorbiopsate) oder Material aus Ergüssen möglich.

Für die Verlaufskontrollen sollte bei B-Vorläufer-ALL Knochenmark eingesandt werden, da die Sensitivität im peripheren Blut etwa eine Log-Stufe schlechter ist. Bei T-ALL kann wegen vergleichbarer Sensitivität die Verlaufskontrolle auch im peripheren Blut erfolgen. Unter Therapie und im ersten Jahr nach Ende der Erhaltungstherapie sollten die Kontrollen etwa alle 2-3 Monate erfolgen.

5.3Klassifikation

Die aktuelle WHO-Klassifikation 2016 der ALL ist in Tabelle 1 zusammengefasst [10]. Grundsätzlich wird die ALL zusammen mit den lymphoblastischen Lymphomen als lymphatische Vorläufer-Neoplasie (Precursor Lymphoid Neoplasm) vom B- oder T-Zell-Typ eingeordnet. Bei einem Knochenmarkbefall unter 25% spricht man von einem lymphoblastischen Lymphom, bei einem Infiltrationsgrad über 25% von einer Leukämie. Allerdings gibt es keinen internationalen Standard und auch der Grenzwert von 20% wird verwendet.

Die Unterteilung nach zyto- und molekulargenetisch definierten Gruppen entsprechend der WHO-Klassifikation ist für die aktuelle Risikostratifikation und Therapieentscheidung bei der ALL des Erwachsenen nur begrenzt relevant. Die Subentitäten der hypodiploiden ALL, der BCR::ABL1-like ALL und der early T-precursor ALL sollten im Hinblick auf die Diagnosestellung und die prognostische Bedeutung weiter unter modernen Therapiekonzepten evaluiert werden. Die Transkriptom-Sequenzierung ermöglicht in dieser Hinsicht eine sichere molekulare Subgruppen-Zuordnung sowie die Identifikation möglicher Therapie-Zielstrukturen. Darüber hinaus wird jedoch auch die gesamte Breite molekularer Treibersubgruppen erfasst.

Für die klinische Praxis ist die in den GMALL-Studien verwendete, an immunologischen Subtypen orientierte Klassifikation wegweisend, die sich nach EGIL (European Group for the Immunological Characterization of Leukemias) orientiert (siehe Tabelle 2). Sie basiert primär auf dem Immunphänotyp der Blasten. Der größte Teil der Fälle von ALL des Erwachsenen (75 %) sind Leukämien der lymphatischen B‑Zellreihe, die je nach Differenzierungsgrad als pro-B, common-, prä-B und reifzellige B-ALL (Burkitt-Leukämie) klassifiziert werden; 25% der ALL des Erwachsenen gehören zur T-Zellreihe mit den Differenzierungsstufen pro-, prä- thymische und mature T-ALL. Innerhalb der GMALL wird eine leicht modifizierte Einteilung der T-ALLs in early, thymische und mature T-ALL verwendet. Da die Risikoeinstufung in den GMALL-Protokollen auf dieser Einteilung basiert, sollte bei Anwendung dieser Protokolle die Klassifikation entsprechend angewendet werden. Mit den immunologischen Subtypen der ALL sind spezifische klinische und zytogenetische bzw. molekulargenetische Aberrationen assoziiert (siehe Tabelle 2).

Die morphologische Klassifikation nach FAB spielt nur noch für die Identifikation der L3-Morphologie eine Rolle. Dieser Subtyp entspricht der reifzelligen B-ALL bzw. Burkitt-Leukämie/Lymphom. Die Diagnose einer reifzelligen B-ALL soll durch Immunphänotypisierung (Oberflächen-Immunglobulin) und Molekulargenetik (Nachweis einer MYC-Translokation) bestätigt werden. Auf die Unterscheidung zwischen B-Vorläufer- und reifer B-ALL muss unbedingt geachtet werden, da sie relevant für die Therapieentscheidung ist.

Tabelle 1: WHO-Klassifikation der ALL 2016 [10] 

Lymphatische Vorläufer-Neoplasien

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, nicht weiter klassifiziert (NOS)

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit rekurrenten genetischen Anomalien

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit t(9;22)(q34;q11.2); BCR::ABL1

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit t(v;11q23); KMT2A rearrangiert

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit t(12;21)(p13;q22); ETV6::RUNX1

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit Hyperdiploidie

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit Hypodiploidie

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit t(5;14)(q31;q32);IL3::IGH

 

 

B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit t(1;19)(q23;p13.3); TCF3::PBX1

 

 

(provisional entity) B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, BCR::ABL1-like

 

 

(provisional entity) B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom, mit iAMP21

 

T-lymphoblastische Leukämie/Lymphom

 

 

(provisional entity) Frühe T-Zell-Vorläufer Leukämie/Lymphom (Early T-cell precursor lymphoblastic leukemia, ETP)

 

 

(provisional entity) Natürliche Killer (NK)-Zell lymphoblastische Leukämie/Lymphom

Reifzellige B-Zell-Neoplasien

 

Burkitt Lymphom (hier ist die reifzellige „Burkitt“-B-ALL einzuordnen, die nicht als eigenständige Entität aufgeführt wird)

Tabelle 2: Immunologische Subklassifikation der ALL in den GMALL-Studien 

Subgruppe

Immunphänotypisierung

Typische Zyto-/Molekulargenetik

Bezeichnung

Charakteristische Marker

Inzidenz

B- Linien ALL

HLA-DR+, TdT+/-, CD19+ u./o. cyCD79a+ u./o. cyCD22+

76%

B-Vorläufer ALL

  • Pro-B

CD10-

11%

t(v::11); KMT2A-Rearrangements

  • c- (common)

CD10+

49%

t(9;22); BCR::ABL1

IKZF1*

  • Prä-B

cyIgM+

12%

t(1;19); TCF3::PBX1

t(9;22); BCR::ABL1

IKZF1*

Reife B

TdT-, CD34-, sIg+

4%

t(8;14); MYC-Rearrangements

T- Linien ALL

TdT+/-, cyCD3+, CD7+

24%

„Early“ T**

CD2-/(+), sCD3-, CD1a-

6%

PTEN*,

N/K-RAS*

„Thymische“ T

sCD3+/- CD1a+

12%

NOTCH1/FBXW7*

„Mature“ T

sCD3+ CD1a-

6%

* [8]; ** die hier dargestellte Definition der Early T-ALL ist GMALL-spezifisch und deckt sich nicht mit der WHO-Klassifikation und der EGIL-Klassifikation.

5.4Prognostische Faktoren

Prognosefaktoren sind bei der ALL des Erwachsenen seit vielen Jahren etabliert [1112] und international akzeptiert. Dennoch gibt es Unterschiede in der Risikostratifikation der einzelnen Studiengruppen und insbesondere im Hinblick auf die therapeutischen Konsequenzen. Die französische Studiengruppe (GRAALL) hat anhand molekularer Veränderungen eine genetische Klassifikation entwickelt, die bei B-Vorläufer-ALL Aberrationen von IKZF1 sowie KMT2A umfasst sowie bei T-Vorläufer-ALL das Fehlen von NOTCH1-Mutationen und/oder Auftreten von PTEN- oder N/K-RAS-Mutationen als Hochrisiko-Merkmale definiert [11]. Diese Klassifikation wurde retrospektiv anhand einer relativ begrenzten Fallzahl definiert und überschneidet sich in großen Teilen mit der bestehenden o.g. Klassifikation der GMALL, da die NOTCH1-Mutationen überwiegend in der thymischen T-ALL auftreten. Zytogenetische Aberrationen mit Ausnahme von t(9;22) und t(4;11) identifizieren bei der ALL seltene Subgruppen, deren prognostische Wertigkeit unter Anwendung aktueller Therapien nicht geklärt ist.

Weiterhin stark diskutiert wird eine neue Subgruppe der B-Vorläufer ALL, die durch ein der Ph/BCR::ABL1 positiven ALL vergleichbares Genexpressionsprofil charakterisiert ist. In dieser Gruppe der 'Ph-like' oder 'BCR::ABL1-like' ALL sind auch Mutationen und Translokationen im ABL- und JAK/Kinase-Signalweg beschrieben, die potentiell zielgerichtet behandelt werden können [9]. Die Inzidenz der 'Ph-like' ALL innerhalb der BCR::ABL1- und KMT2A-negativen ALL lag in einer deutschen Kohorte insgesamt bei 27% [13]. In einer anderen größeren Kohorte von 692 Patient*innen mit B-Vorläufer ALL (einschließlich BCR::ABL1- und KMT2A-Rearrangement) wurde eine Inzidenz von 24% beschrieben [14]. Eine prospektive, standardisierte Identifikation in der klinischen Routine ist bisher noch nicht möglich [12]. Spezifische molekulargenetische Untersuchungen können herangezogen werden, um Läsionen zu identifizieren, bei denen eine zielgerichtete molekulare Therapie in speziellen Situationen erwogen werden kann. Hierbei wird die RNAseq als neuer Standard der Diagnostik derzeit für GMALL Studienpatienten etabliert und evaluiert. Die Häufigkeit von ABL-class Alterationen (abgesehen von BCR::ABL1 Fusionen) liegt bezogen auf die ALL insgesamt aber unter 5%; die klinische Wirksamkeit von Kinaseinhibitoren in dieser Patientengruppe muss noch in Studien nachgewiesen werden, auch wenn es erste positive Fallberichte dazu gibt [4]. Die gezielte Untersuchung auf Aberrationen bei Patient*innen mit schlechtem Ansprechen, Rezidiv oder molekularer Persistenz sowie der potentiell Off-Label- Einsatz zielgerichteter Substanzen ist im Einzelfall sinnvoll.

Die aktuell gültigen Prognosefaktoren in den GMALL-Studien sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Die Klassifikation aufgrund primärdiagnostischer Marker ist historisch weitgehend unverändert geblieben, weil zusätzlich bei allen Patient*innen eine MRD-Verlaufskontrolle erfolgt, die es ermöglicht ein ungünstiges individuelles Ansprechen zu identifizieren.

Tabelle 3: Ungünstige Prognosefaktoren bei der ALL des Erwachsenen (GMALL-Studie 08/2013) 

Hohe Leukozytenzahl

> 30G/l bei B-Vorläufer-ALL

Subtyp

pro B, early T, reife T

Späte CR

> 3 Wo (nach Induktion II)

Zytogenetische / Molekulare Aberrationen

t(9;22) – BCR::ABL1

t(4;11) - KMT2A::AFF1

Minimale Resterkrankung

MRD-Niveau über 10-4 nach Frühkonsolidation *

MRD-Anstieg über 10-4 nach vorheriger molekularer CR *

* detaillierte Definition nach Therapieprotokoll

Bei jüngeren Patient*innen im Alter von 18-55 Jahren wird in den GMALL-Therapieempfehlungen eine risikoadaptierte Therapiestrategie verfolgt. Die in Tabelle 3 genannten Risikofaktoren führen zur Definition einer Standard- (ohne ungünstige Prognosefaktoren) und einer Hochrisikogruppe (mindestens ein ungünstiger Prognosefaktor). Patient*innen mit Ph/BCR::ABL1-positiver ALL werden zusätzlich mit Imatinib und ggf. anderen Tyrosinkinaseinhibitoren behandelt.

Nach einer einheitlichen Induktions- und ersten Konsolidationstherapie erfolgt die Therapie risikoadaptiert. Patient*innen mit Hoch- und Höchstrisiko werden einer SZT zugeführt, während bei Patienten mit Standardrisiko die Chemotherapie mit alternierenden Konsolidationszyklen über ein Jahr fortgeführt wird. Standardrisiko-Patient*innen mit schlechtem Therapieansprechen, bei denen eine Intensivierung mittels SZT sinnvoll erscheint, werden anhand des MRD-Verlaufs identifiziert. Aufgrund der großen prognostischen Bedeutung der MRD auch für die Stammzelltransplantation soll bei Patient*innen, die nach Konsolidation I ein molekulares Therapieversagen zeigen unabhängig von der Risikogruppe vor der SZT eine möglichst zielgerichtete Therapie durchgeführt werden, um das MRD-Niveau zu senken, ein Frührezidiv zu vermeiden und die Ergebnisse der SZT zu verbessern. Hierfür stehen für B-Vorläufer-ALL bzw. T-ALL die Substanzen Blinatumomab oder Nelarabin zur Verfügung.

5.5Differenzialdiagnose

Bei der überwiegenden Zahl der Patient*innen treten keine diagnostischen Probleme auf, wenn alle unter Abschnitt 5.2.1.2 aufgeführten Spezialuntersuchungen durchgeführt werden. Die immunologische und morphologische Identifizierung lymphatischer Blasten erlaubt die Abgrenzung von akuter myeloischer Leukämie (AML), myelodysplastischem Syndrom (MDS), chronischer lymphatischer Leukämie, lymphatischem Blastenschub bei CML oder anderen Formen chronischer und akuter Leukämien sowie von reaktiven Lymphozytosen, z. B. bei infektiöser Mononukleose. Die Abgrenzung der ALL von T- oder B-lymphblastischen Lymphomen erfolgt anhand des Blastenanteils im Knochenmark.

Bei etwa 29% der Patient*innen zeigen die typischen ALL-Blasten die Koexpression myeloischer Oberflächenmarker wie CD13, CD33 (>20%). Bestimmte Subgruppen der ALL gehen mit einer höheren Inzidenz myeloischer Koexpression einher, z. B. „early“ T-ALL, pro-B-ALL, Ph/BCR::ABL1-positive ALL. Die myeloische Koexpression ist prognostisch nicht relevant. Die Patient*innen werden analog den betreffenden ALL-Protokollen behandelt.

6Therapie

6.1Therapiestruktur

Wegen der anspruchsvollen Diagnostik, der komplexen Therapie, des lebensbedrohlichen Verlaufs und der Seltenheit der Erkrankung ist bei Verdacht auf ALL die notfallmäßige Überweisung an ein hämatologisches Zentrum mit entsprechender Erfahrung dringend zu empfehlen.

In Deutschland erfolgt die Erstlinientherapie bei der ALL des Erwachsenen im Alter bis 55 Jahre in der aktuellen Therapieoptimierungsstudie GMALL 08 [15], die an 80 Kliniken aktiviert ist. Für Zentren, die nicht an dieser Studie teilnehmen, kann eine Expertenempfehlung und ein Registereinschluss bereitgestellt werden. Die Therapieempfehlungen sind über die Studiengruppe erhältlich. Für Patient*innen über 55 Jahre stehen separate Therapieempfehlungen der GMALL zur Verfügung (siehe Abschnitt 6.3.1).

Die Therapie der ALL wird in mehrere Phasen unterteilt: Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie. Ziel der Induktionstherapie ist die Induktion einer kompletten Remission (CR) der Erkrankung. Das Erreichen einer CR ist Grundvoraussetzung für ein Langzeitüberleben bzw. Heilung der Erkrankung. Die Therapieabschnitte Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie dienen der Aufrechterhaltung der kompletten Remission und werden unter dem Begriff der Postremissionstherapie zusammengefasst. Unter dem Begriff der Konsolidationstherapie wird auch die Knochenmark- bzw. Blutstammzelltransplantation (SZT) subsummiert [16]. Die Therapiestruktur ist in den Abbildungen 1 und 2 dargestellt.

Abbildung 1: Therapiestruktur bei Erwachsenen mit Akuter Lymphatischer Leukämie, Ph-negativ 
1 ALL – Akute Lymphatische Leukämie, LBL – Lymphoblastisches Lymphom;
2 MRD – Bestimmung der minimalen Resterkrankung (Minimal Residual Disease);
3 individuelle Entscheidung; 4 Indikationsstellung und Konditionierung abhängig vom biologischen Alter und Allgemeinzustand
Abbildung 2: Therapiestruktur bei Erwachsenen mit Akuter Lymphatischer Leukämie, Ph-positiv 
1 ALL – Akute Lymphatische Leukämie, LBL – Lymphoblastisches Lymphom;
2 MRD – Bestimmung der minimalen Resterkrankung (Minimal Residual Disease);
3 optional, individuelle Entscheidung;
4 Indikationsstellung und Konditionierung abhängig vom biologischen Alter; .
5 TKI nach SZT entweder MRD-basiert oder prophylaktisch

6.1.1Erstdiagnose

6.1.1.1Vorphasetherapie

Bei allen Patient*innen sollte eine Vorphase-Therapie (Dexamethason, Cyclophosphamid) zur Vermeidung eines Tumorlyse-Syndroms durchgeführt werden. Auch bei Patient*innen mit Hyperleukozytose reicht die Vorphase-Therapie im Allgemeinen für eine schonende Zellreduktion aus. Während der 5-tägigen Vorphasetherapie werden auch alle für die Therapiestratifikation notwendigen diagnostischen Befunde zusammengetragen. Dazu gehören insbesondere die CD20-Expression sowie der BCR::ABL1-Status. In der Regel wird auch die erste Liquorpunktion zur Diagnostik und intrathekalen Prophylaxe mit Methotrexat durchgeführt.

6.1.1.2Induktionstherapie bei unter 55jährigen Patient*innen mit ALL oder LBL

Standardmedikamente für die eigentliche Induktionstherapie sind Vincristin und Dexamethason in Kombination mit einem Anthrazyklin-Derivat (meist Dauno-/Doxorubicin). Zusätzlich wird Asparaginase in der Induktionstherapie eingesetzt; die Substanz ist spezifisch bei ALL wirksam und unterscheidet sich im Hinblick auf Wirkungsmechanismus, Resistenz und Nebenwirkungsspektrum von anderen Zytostatika. In den GMALL-Studien wird die pegylierte Form der Asparaginase eingesetzt. Man erreicht damit in Abhängigkeit von der Dosis eine Wirkdauer von 10-20 Tagen. Hierbei gibt es eine erhebliche interindividuelle Variabilität. Um die Wirkdauer exakt zu messen, sollten zumindest in ausgewählten Therapieblöcken wöchentlich Asparaginase-Aktivitätsmessungen durchgeführt werden. Die Messung dient zum einen dazu, Patient*innen mit raschem Aktivitätsabfall ohne klinisch manifeste allergische Reaktion zu identifizieren ('Silent Inactivation'). In solchen Fällen kann als Ersatzpräparat Erwinia-Asparaginase eingesetzt werden. Zum anderen sollte bei Patient*innen mit sehr protrahierter Aktivität und/oder Toxizitäten für nachfolgende Blöcke eine Dosisreduzierung erwogen werden.

Für diese Individualisierung der Asparaginase-Therapie und das Management von Toxizitäten sollten an den teilnehmenden Zentren die entsprechenden GMALL-Empfehlungen berücksichtigt werden, während an anderen Zentren auf publizierte Empfehlungen [17] zurückgegriffen und klinikinterne Vorgehensweisen definiert werden sollten. Weiterhin sind unter Asparaginase-Therapie spezielle Supportivmaßnahmen (Überwachung der Leberwerte (insbesondere Transaminasen und Bilirubin), Serum-Triglyzeride und Cholesterin, Pankreasenzyme, Glucose, Thromboseprophylaxe, Gerinnungsfaktoren, ggf. Substitution von Gerinnungsfaktoren einschl. ATIII) erforderlich. Es gibt zunehmend Daten für die Relevanz metabolischer Entgleisungen z.B. mögliche Korrelation von Hypertriglyzeridämien und Osteonekrosen, so dass die Überwachung und das Management von Toxizitäten wichtig sind. Wegen der möglichen Interaktionen sollte die Gabe von Steroiden unter Asparaginase-Aktivität möglichst vermieden und die Indikation für den zusätzlichen Einsatz von Steroiden z.B. in der Supportivtherapie möglichst streng gestellt werden. Patienten mit einem Body Mass Index über 30 kg/m2 und/oder einer vorbestehenden Steatosis hepatis weisen ein erhöhtes Risiko einer Hepatotoxizität auf. Hier wird in den GMALL-Therapieempfehlungen eine Dosisreduktion in der Induktion auf 500 U/m2 mit späterer schrittweiser Dosissteigerung vorgeschlagen.

Nach Induktionsphase I erfolgt eine Remissionskontrolle mit MRD-Bestimmung. Wird hier nach zytologischem Befund keine komplette Remission (Blastenanteil <5%) erreicht, muss die Patient*in der Hochrisikogruppe zugeordnet werden. Bei grenzwertigen zytologischen Befunden sollte für die abschließende Einordnung der MRD-Befund abgewartet werden. Der alleinige Nachweis CD10/CD19-positiver Zellen in der Flowzytometrie kann weder als eindeutiger Blastennachweis noch als MRD-Nachweis gewertet werden, da es sich gerade im regenerierenden Knochenmark auch um Hämatogonen handeln kann.

Bei initial detektierten extramedullären Befällen sollten diese durch eine entsprechend geeignete Bildgebung nachverfolgt und in die Gesamtbewertung der Remission einbezogen werden.

In Induktionsphase II erfolgt die Zugabe weiterer Medikamente – Cyclophosphamid, Cytosin-Arabinosid, 6-Mercaptopurin sowie die intrathekale Prophylaxe mit Methotrexat. In der Regel bewirkt die Induktionsphase II nochmals einen deutlichen Abfall der minimalen Resterkrankung [9].

Wichtige neue Elemente der Induktionstherapie sind die Intensivierung der Asparaginase-Therapie durch Dosiserhöhung und die Hinzugabe von Anti-CD20-Antikörpern bei CD20-positiver ALL.

Die Induktionstherapie bei Ph-positiver ALL unterscheidet sich und wird im Folgenden beschrieben. Auch für über 55-jährige Patient*innen wird eine alternative Therapie empfohlen, da hier mit erhöhter Frühmortalität und insbesondere mit erhöhter Toxizität der Asparaginase in der Induktion zu rechnen ist (siehe Abschnitt 6.3.1).

6.1.1.3Konsolidationstherapie

Die Durchführung einer intensiven Konsolidationstherapie ist Standard in der Therapie der ALL. Für die Konsolidationstherapie existieren international sehr unterschiedliche Konzepte und die Wirksamkeit der jeweiligen Elemente ist kaum einzeln nachweisbar. Die verfügbaren Daten deuten jedoch darauf hin, dass zyklische Konsolidationstherapie mit wechselnden Substanzen und insbesondere der intensive Einsatz von hochdosiertem Methotrexat, Hochdosis-Cytarabin, die erhöhte Dosisintensität für Asparaginase ebenso wie die Wiederholung der Induktionstherapie (Reinduktion) vorteilhaft ist. Essenziell ist die möglichst zeitnahe Durchführung der Therapieblöcke in der Konsolidationstherapie. Wegen der großen Bedeutung von Hochdosis-Methotrexat für das gesamte Therapiekonzept sollten Standardempfehlungen für Management und Supportivtherapie unter Methotrexat unbedingt beachtet werden.

Bei jüngeren Patient*innen sollte nach der ersten Konsolidation und bei älteren Patienten spätestens nach der zweiten Konsolidation eine abschließende Remissionsbeurteilung erfolgen. Dies schließt die Knochenmarkkontrolle einschließlich MRD-Bestimmung ein, ebenso wie die Beurteilung extramedullärer Befälle. Bei unklaren Restbefällen (CRu oder PR) sollte eine PET-Untersuchung durchgeführt werden. Das weitere Vorgehen bei persistierender MRD ist unter Abschnitt 5.2.2.1 beschrieben.

6.1.1.4Erhaltungstherapie

Für alle ALL- Patient*innen (außer für Patient*innen mit reifer B-ALL/Burkitt-Leukämie), die keine allogene SZT erhalten, ist nach Abschluss der Konsolidations- und Intensivierungszyklen eine Erhaltungstherapie Behandlungsstandard. Alle Studien, in denen auf eine Erhaltungstherapie verzichtet wurde, haben deutlich ungünstigere Gesamtergebnisse gebracht. In der Erhaltungstherapie wird wöchentlich Methotrexat und täglich Mercaptopurin oral appliziert. Die Dosierungen werden an das Blutbild angepasst. Eine Compliance mit der Erhaltungstherapie ist prognostisch relevant [18]. Pädiatrische Studien haben gezeigt, dass die Zielvorgabe einer Leukozytenzahl unter 3000/µl sinnvoll ist [18]. Die GMALL-Studiengruppe empfiehlt derzeit die Durchführung der Erhaltungstherapie bis zu einer Gesamtherapiedauer von 2 1/2 Jahren. Intrathekale Prophylaxen und regelmäßige MRD-Bestimmungen werden unter Erhaltungstherapie fortgeführt.

6.1.1.5Stammzelltransplantation

Die allogene SZT ist bei der ALL des Erwachsenen ein wesentlicher Bestandteil der Postremissionstherapie. Es werden sowohl Familien- als auch Fremdspender eingesetzt, wobei aufgrund der ausgezeichneten Spenderregister inzwischen doppelt so viele Fremd- wie Familienspender-Transplantationen durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind vergleichbar. Eine randomisierte Studie bei der pädiatrischen ALL hat bestätigt, dass eine TBI-basierte Konditionierung einer Chemotherapie-basierten Konditionierung überlegen war [19] und eine kürzliche Metanalyse bei Erwachsenen kam zum gleichen Ergebnis [20].

Die autologe SZT wird nach einer weiteren Konsolidationstherapie nur noch in seltenen Einzelfällen durchgeführt. Wenn kein passender Spender/Spenderin (10/10 oder 9/10) identifiziert werden kann, besteht auch die Möglichkeit einer haploidenten Transplantation. Hier sind Standards für die Konditionierung noch nicht definiert, so dass entweder eine Studienteilnahme oder eine Absprache mit Expertengruppen empfohlen wird. Auch hier sollte eher eine TBI-basierte Konditionierung gewählt werden.

Die Indikationsstellung für eine SZT in erster Remission wird international unterschiedlich gestellt. Die Mehrzahl der Studiengruppen verfolgt wie die GMALL-Studiengruppe eine risikoadaptierte Indikationsstellung für eine SZT in Erstremission [2122]. Bei allen Patient*innen mit Hochrisiko-Merkmalen wird eine Transplantation in erster CR angestrebt. Hierbei handelt es sich in den GMALL-Studien um etwa die Hälfte der Patient*innen. Bei Standardrisiko- Patient*innen wird in Erstremission keine Transplantation angestrebt, da diese auch mit konventioneller Chemotherapie eine Überlebensrate von über 75% erreichen. Die Indikationsstellung für die SZT erfolgt bei Standardrisiko- Patient*innen bei molekularem Rezidiv oder Therapieversagen. Im Rahmen der GMALL-Studie 08/2013 wird aktuell überprüft, ob die Indikation für eine Stammzelltransplantation bei Patient*innen mit initialen Hochrisiko-Merkmalen und gutem molekularen Ansprechen künftig entfallen kann. Bei jüngeren Patient*innen mit Ph/BCR::ABL1-positiver ALL besteht aktuell unabhängig vom molekularen Ansprechen die Indikation für eine Stammzelltransplantation.

Bei der Planung und Durchführung der Stammzelltransplantation hat der MRD-Verlauf eine große Bedeutung. Dies betrifft den Versuch, das MRD-Niveau vor Transplantation zu senken ebenso wie die engmaschige Kontrolle der MRD nach Transplantation.

Die GMALL-Studiengruppe hat eine Expertenempfehlung für die Stammzelltransplantation bei ALL herausgegeben, die über die Studiengruppe erhältlich ist. Ziel ist es durch eine einheitliche Definition von Konditionierung, GvHD-Prophylaxe und anderer transplantationsassoziierter Prozesse die Ergebnisse zu optimieren und gleichzeitig eine bessere Auswertbarkeit der Daten zu erreichen. Wichtig ist hier die aktualisierte Empfehlung, dass bereits ab der Altersgruppe von 45 Jahren eine dosisreduzierte Konditionierung mit 8 Gy TBI durchgeführt werden soll, um die transplantations-assoziierte Mortalität zu senken.

6.1.1.6ZNS-Prophylaxe

Die Durchführung einer effektiven Prophylaxe von ZNS-Rezidiven hat in der Therapie der ALL einen entscheidenden Stellenwert. Risikofaktoren für die Entwicklung von ZNS-Rezidiven sind T-ALL, reife B-ALL/Burkitt-Leukämie sowie eine hohe Leukozytenzahl bei Diagnosestellung. Als Therapiemodalitäten stehen intrathekale Therapie mit Methotrexat, mit einer Dreifach-Kombination (Methotrexat, Cytarabin, Steroid), systemische Hochdosis-Therapie mit Methotrexat und/oder Cytarabin sowie eine Ganzhirnbestrahlung (24 Gy) zur Verfügung. Die besten Ergebnisse im Hinblick auf die Rate von ZNS-Rezidiven (<5%) werden mit einer Kombination aller Modalitäten erzielt, wie sie auch in den laufenden GMALL-Therapieempfehlungen vorgesehen ist. Dennoch ist der potentielle Wegfall der Ganzhirnbestrahlung ein therapeutisches Ziel, v.a. da die parallele Gabe von Chemotherapie und Bestrahlung in der Induktionsphase II zu Therapieverzögerungen durch protrahierte Zytopenien beitragen kann. Die GMALL-Studie 08/2013 versucht die Frage der Notwendigkeit einer Ganzhirnbestrahlung bei B-Vorläufer-ALL und Lymphoblastischem Lymphom randomisiert zu beantworten.

Bei initialem ZNS-Befall muss eine intensivierte intrathekale Therapie mit 2- bis 3-mal wöchentlichen Gaben bis zur Blastenclearance und 1-2 weiteren Konsolidierungsgaben durchgeführt werden. Bei häufiger intrathekaler Instillation von Methotrexat sollte zur Mukositisprophylaxe ein Leukovorin-Rescue durchgeführt werden.

6.1.1.7Therapie der Ph-/BCR::ABL1-positiven ALL

Das Philadelphia-Chromosom bzw. das korrespondierende Fusionstranskript BCR::ABL1 ist mit einer Inzidenz von 30–50% innerhalb der B-Vorläufer-ALL die häufigste wiederkehrende Aberration bei der ALL. Die Inzidenz nimmt mit dem Alter zu. Durch den Einsatz von Tyrosinkinase-(TK-)Inhibitoren, insbesondere Imatinib, hat sich die Prognose dieser Subgruppe deutlich verbessert [23].

Bei jüngeren Patient*innen wird Imatinib in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt. Dabei werden Remissionsraten von über 90% erreicht; die molekulare Remissionsrate liegt bei über 50%. Dadurch konnte auch der Anteil der Patient*innen, die einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden, deutlich erhöht werden. In einer randomisierten Studie der französischen Studiengruppe konnte gezeigt werden, dass eine dosisreduzierte Induktionstherapie mit Dexamethason, Vincristin und Imatinib im Vergleich zu einer intensiven Induktion mit Hyper-CVAD und Imatinib tendenziell bessere Ergebnisse bringt [24]. In der GMALL-Studiengruppe wird in der Therapieempfehlung momentan die Gabe von Imatinib mit einer reduzierten Induktionstherapie empfohlen. Hierbei entfällt sowohl Daunorubicin in der Induktionsphase I als auch die komplette Induktionsphase II. Stattdessen erfolgen wöchentliche Gaben von Vincristin und Dexamethason sowie eine Therapie mit Asparaginase und einem CD20-Antikörper (bei CD20-Positivität). Die Ganzhirnbestrahlung entfällt ebenfalls und die Patienten erhalten ausschließlich intrathekale Prophylaxe.

Wegen der Entwicklung von Resistenzen und Rezidiven unter Chemotherapie in Kombination mit Tyrpsinkinase-Inhibitoren (TKI) scheint die allogene SZT weiterhin als wichtiges Element der kurativen Intention. Randomisierte Studien zum Verzicht auf die Transplantation bei Ph+ ALL liegen nicht vor. Eine weitere Verbesserung scheint durch die Gabe von Imatinib nach Transplantation möglich. Eine randomisierte Studie der GMALL-Studiengruppe hat vergleichbare Ergebnisse einer prophylaktischen versus einer präemptiven Gabe von Imatinib erbracht [25]. Wenn eine regelmäßige MRD-Kontrolle aus dem Knochenmark unter standardisierten Bedingungen und mit ausreichender Sensitivität gewährleistet ist, sollte die präemptive Gabe bei positivem MRD-Nachweis nach SZT ausreichen.

Bei älteren Patient*innen mit Ph+ ALL wurde bisher vorwiegend der Ansatz einer Induktionstherapie mit Imatinib als Monotherapie in Studien geprüft. Diese Therapie, die häufig ambulant durchgeführt werden kann, erzielt bei 90% der Patient*innen eine CR und ist damit einer intensiven Induktionschemotherapie in Kombination mit Imatinib überlegen, wie auch eine randomisierte Studie der GMALL gezeigt hat [26]. Aktuell wird in der GMALL-Therapieempfehlung weiterhin in der Induktion die Gabe von Imatinib in Kombination mit Vincristin/Dexamethason und intrathekaler Prophylaxe empfohlen. Dieses Schema orientiert sich an der europäischen Studie mit Dasatinib [27]. Da ein klarer Vorteil der Gaben von Dasatinib gegenüber Imatinib nicht gezeigt ist, soll weiter Imatinib als in der Regel gut verträglicher TKI für die erste Therapielinie beibehalten werden. Der Einsatz von Nilotinib in der Erstlinie wird derzeit im Rahmen von randomisierten Studien untersucht. Basierend auf ersten, vielversprechenden Daten zur sequenziellen Therapie mit TKI und Blinatumomab [28] sind auch randomisierte Studien zur Prüfung dieses Ansatzes in Vorbereitung.

Entscheidend für die Therapiesteuerung ist die quantitative Messung der MRD sowie bei MRD-Nachweis die Messung von resistenzinduzierenden Mutationen mit möglichst hoher Sensitivität. Bei einem MRD-Niveau über 10-3 empfiehlt die GMALL bei jüngeren Patient*innen nach Konsolidation I eine Umstellung des TKI. Bei älteren Patient*innen ohne Transplantationsoption sollte eine Umstellung bei einem MRD-Niveau über 10-4 spätestens nach Konsolidation II erfolgen. Hierbei ist wichtig, vor und nach der Umstellung zeitnah MRD-Kontrollen im Knochenmark durchzuführen, da weitere sequentielle TKI-Umstellungen oder der Einsatz von Immuntherapien möglich sind, um ein Rezidiv zu vermeiden. Es ist zu empfehlen bei Ph+/BCR::ABL1-positiver ALL die Messung der MRD sowohl BCR::ABL1- basiert als auch mittels Immungen (T-Zell Rezeptor oder Immunoglobulin-Rezeptor-Gene)-PCR durchzuführen. Details zur Umstellung sowie Empfehlungen zum Absetzen der TKI sind in GMALL-Empfehlungen beschrieben.

6.1.2Rezidiv

Die Wahrscheinlichkeit des Rezidivs ist in den ersten beiden Jahren nach Erreichen der CR am höchsten. Frühe Rezidive mit einer primären Remissionsdauer unter 18 Monaten sowie refraktäre Rezidive sind prognostisch ungünstig. Das Gesamtüberleben der ALL nach Rezidiv liegt in publizierten Studien bei unter 10% [2930]. Immer häufiger gelingt es, durch konsequente MRD-Bestimmung, das Ansteigen der Leukämielast vor Auftreten eines zytologischen Rezidivs zu identifizieren und eine Behandlung bereits in der MRD-Situation zu beginnen.

Eine internationale Referenzanalyse hat belegt, dass Patient*innen mit Frührezidiv eine signifikant schlechtere CR-Rate erreichen als Patient*innen mit Spätrezidiv, die häufig gut auf die erneute Standard-Induktionstherapie ansprechen. Patient*innen mit Frührezidiv weisen auch signifikant schlechtere Überlebensraten auf. Weiterhin spielt die Linie der Salvagetherapie eine Rolle, da mit jeder nachfolgenden Salvagetherapie die CR-Rate weiter abnimmt und auch die Überlebensraten abfallen [31]. Standard-Vergleichsarme zweier großer randomisierter Studien mit neuen Substanzen bei rezidivierter ALL bestätigen die Daten und zeigten bei rezidivierter/refraktärer B-Vorläufer-ALL CR-Raten von 30-33% und mediane Überlebenszeiten von 4,0-6,7 Monaten [3234].

Aufgrund der schlechten Prognose und der Komplexität der Therapie sollte jedes Rezidiv einer ALL als medizinischer Notfall betrachtet werden. Die umgehende Überweisung an ein erfahrenes Zentrum ist zu erwägen. Die Sequenz der gewählten Therapien ist relevant für die Prognose, und daher sollte auf Standardempfehlungen zurückgegriffen werden. Die initiale Diagnostik sollte im Rezidiv wiederholt werden. Dies schließt auch Biomaterialasservierung, die Identifizierung möglicher therapeutischer Zielstrukturen z.B. Oberflächenmarker (u.a. CD19, CD20, CD22, CD33, CD38), molekularer Aberrationen (u.a. ABL1-Translokationen), die Bestätigung von MRD-Markern und Veranlassung weiterer Untersuchungen zur molekularen Charakterisierung z.B. Verfahren zur Gensequenzierung ein. Zur initialen Behandlung des Rezidivs kann eine Vorphase-Therapie angesetzt werden. Die weitere Therapieentscheidung hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. Subtyp, Dauer der ersten Remission, Alter, Spenderverfügbarkeit, verfügbare Zielstrukturen, Therapiephase oder Befallsmuster. Bei extramedullären Rezidiven sollte immer, auch wenn primär der Eindruck eines isolierten extramedullären Befalls besteht, sowohl eine Liquorkontrolle als auch eine MRD-Bestimmung im Knochenmark erfolgen.

Hauptziel beim Management von Rezidivpatient*innen ist das Erreichen einer kompletten Remission und die anschließende Stammzelltransplantation, sofern die Patient*innen individuell dafür geeignet sind. Das Erreichen einer CR ist Voraussetzung für die Stabilisierung der Patient*innen mit hämatologischer Remission und in der Regel auch für die nachfolgende Transplantation. Eine molekulare Remission sollte möglichst angestrebt werden, auch wenn die prognostische Bedeutung der MRD nach Rezidiv weniger klar ist, als in der Erstlinientherapie.

Das Gesamtüberleben nach Rezidiv hängt im Wesentlichen von der nachfolgenden Durchführung einer Stammzelltransplantation ab. Bei den meist intensiv vorbehandelten Patient*innen ist mit einer erheblichen Nicht-Rezidiv-Mortalität zu rechnen. Auch das Rezidivrisiko ist im Vergleich zu Patient*innen, die in Erstremission transplantiert werden, erhöht.

In der Behandlung von Frührezidiven und refraktären Rezidiven der B-Vorläufer-ALL bringen Standardchemotherapien signifikant schlechtere Ergebnisse als die neuen Immuntherapien mit Blinatumomab oder Inotuzumab-Ozogamicin. Dies haben zwei internationale, randomisierte Studien belegt [3234].

Blinatumomab

Blinatumomab ist ein bispezifischer, gegen CD19 gerichteter Antikörper, der CD3-positive T-Zellen aktiviert. Blinatumomab wird wegen seiner kurzen Halbwertszeit als 4-Wochen-Dauerinfusion appliziert und bei zytologischem Rezidiv zunächst mit einer niedrigeren Dosis gestartet, um ein Cytokin-Release-Syndrome zu vermeiden. Nach einer Woche erfolgt eine Dosiserhöhung. Blinatumomab wurde in einer Kohorte von prognostisch ungünstigen Frührezidiven bzw. refraktären Rezidiven randomisiert mit einer Standard-Chemotherapie verglichen, die verschiedene Standard-Chemotherapien wie FLAG, HDMTX-, HDAC oder Clofarabine-basierte Regime beinhaltete [34]. Die Rate von Vollremissionen und Remissionen (CR) mit unvollständiger Regeneration (CRi/CRp) lag bei 44% für Blinatumomab und 25% für die Standardtherapie in einer Intent-to-Treat-Auswertung und war damit signifikant besser. 76% der Patienten mit CR oder CRi/CRp erreichten eine molekulare Remission im Vergleich zu 48% der Chemotherapie-Patienten. Die medianen Überlebenszeiten lagen bei 7,7 vs 4,0 Monaten und zeigten für Blinatumomab ein signifikant besseres Ergebnis. Wichtig ist der Effekt der Therapielinie. Patient*innen mit ungünstig definierten Rezidiven erreichten bei Einsatz von Blinatumomab als erste Salvage-Therapie eine CR-Rate von 51% und ein medianes Überleben von 11,1 Monaten [35]. Auch die Verträglichkeit der Antikörpertherapie war in wichtigen Aspekten besser als die der Standardtherapie z.B. im Hinblick auf die Inzidenz schwerer Zytopenien oder Infektionen. Als prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf Blinatumomab kann der Grad der Knochenmarkinfiltration herangezogen werden. Patient*innen mit einem Blastenanteil unter 50% erreichten eine Ansprechrate von 65% im Vergleich zu 34% bei einer Infiltration über 50%. Eine Reduktion der Leukämiezell-Last vor Beginn der Blinatumomabtherapie durch eine ggf. erweiterte Vorphase-Therapie erscheint daher sinnvoll. Eine vergleichbare Wirksamkeit wie bei rezidivierter/refraktärer Ph-negativer ALL wurde mit einer Ansprechrate von 36% auch bei Ph+ ALL gesehen [36]. Blinatumomab ist auch im zytologischen Rezidiv der Ph+ ALL zugelassen.

Als spezielle Risiken sind neben dem Zytokin-Release-Syndrom neurologische Ereignisse relevant für den Einsatz von Blinatumomab. In der randomisierten Studie traten bei 9% der Patient*innen neurologische Ereignisse (≥ Grad III nach CTCAE) nach Blinatumomab im Vergleich zu 8% unter Chemotherapie auf [34]. Die Art der Ereignisse unterschied sich allerdings. Neurologische Events nach Blinatumomab können sich z.B. als Tremor, Symptome einer Encephalopathie wie Aphasie, Verwirrtheit oder selten Krampfanfälle manifestieren. Regelmäßige Schriftproben können zur frühzeitigen Identifikation herangezogen werden. Die Ereignisse sind in der Regel vollständig reversibel. Ein frühzeitiges Eingreifen durch den Einsatz von Dexamethason soll das Auftreten von schweren Events verhindern, die zu einer Therapieunterbrechung führen würden.

Ansprechraten und Langzeitergebnisse mit Blinatumomab sind noch deutlich besser, wenn die Substanz im molekularen Therapieversagen oder molekularem Rezidiv eingesetzt wird. Bei Patient*innen mit MRD über 10-3 in Erstremission oder nachfolgender Remission wurden molekulare Remissionsraten von 78% berichtet. Das mediane Überleben lag bei 36 Monaten und Patient*innen, die molekular auf die Blinatumomab-Therapie ansprachen, hatten eine signifikant bessere Überlebenswahrscheinlichkeit als Patient*innen ohne Ansprechen [3738]. Blinatumomab ist für die Behandlung der MRD ab einem Erkrankungsniveau von 10-3 zugelassen. Der frühzeitige Einsatz von zielgerichteten Therapien wie Blinatumomab bereits bei molekularem Erkrankungsniveau ist auch eine Strategie der GMALL, wobei der Einsatz von Blinatumomab bereits ab einem MRD-Niveau von 10-4 empfohlen wird. Dies schließt auch die Gabe bei molekularem Rezidiv nach Stammzelltransplantation ein. Bei der Gabe von Blinatumomab in der MRD-Situation wird keine schrittweise Dosiserhöhung durchgeführt, sondern mit der Zieldosis begonnen. Bei Auftreten von Toxizitäten ist eine Dosisreduzierung möglich. Auch bei gutem Ansprechen nach Therapie mit Blinatumomab in der MRD-Situation sollte eine konsolidierende allogene Stammzelltransplantation angestrebt werden. Die Indikation muss in Abhängigkeit von Patientenalter, Allgemeinzustand etc. gestellt werden. Wenn keine Stammzelltransplantation möglich ist, sollte eine Fortsetzung der Standardtherapie z.B. Erhaltungstherapie erwogen werden.

Inotuzumab Ozogamicin (Inotuzumab)

Das CD22-Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Inotuzumab Ozogamicin (Inotuzumab) enthält das Zellgift Calicheamicin. Die Substanz wurde in der Zulassungsstudie bei einer Gruppe von Rezidivpatient*innen untersucht, die auch Spätrezidive beinhalteten. Zwei Drittel der Patient*innen wurden in erster Salvage-Situation behandelt und Patient*innen mit hoher peripherer Blastenzahl (>10G/l) wurden ausgeschlossen [3239]. In einer randomisierten Studie wurde Inotuzumab mit Hochdosis-Cytarabin-basierten Chemotherapien verglichen. Auch hier zeigte sich ein signifikanter Vorteil der Antikörpertherapie gegenüber der Standard-Chemotherapie im Hinblick auf die Rate kompletter Remission einschließlich der Remissionen mit inkompletter Regeneration (CR/CRi). Für Inotuzumab wurde mit 81% eine signifikant höhere Rate von CR/CRi als für die Standardtherapie mit 29% erreicht. 78% versus 28% der Patient*innen mit CR/CRi erreichten bei Bestimmung mit Flow-Zytometrie einen negativen MRD-Status. Während sich das mediane Überleben (7.7 versus 6.7 Monate) nicht signifikant unterschied, erreichten Patient*innen nach Inotuzumab ein signifikant höheres Überleben von 23% nach 2 Jahren im Vergleich zu 10% mit der Chemotherapie. Ein höherer Anteil der Patient*innen nach Inotuzumab konnte einer nachfolgenden Stammzelltransplantation zugeführt werden (41% vs 11%) [32]. Die Ansprechraten waren bei Ph-negativer und Ph+ ALL vergleichbar. Die Therapie mit Inotuzumab war gegenüber der Standardtherapie z.B. im Hinblick febrile Neutropenien in einigen Aspekten besser verträglich. Als spezifische Nebenwirkung wurde das Risiko einer Veno-occlusive Disease (VOD, Synonym SOS sinusoidal obstructive syndrome) beschrieben, die bei 9% (≥ Grad III CTCAE) der Patient*innen entweder direkt nach Therapie oder nachfolgender Stammzelltransplantation beobachtet wurde, während die Inzidenz nach Standardtherapie bei 1% lag [32]. Mögliche Risikofaktoren für das Auftreten von VOD waren in einer studienübergreifenden Multivariat-Analyse die Konditionierung mit zwei alkylierenden Substanzen und eine erhöhte Bilirubinkonzentration vor Transplantation [39]. In der Fachinformation wird darauf verwiesen, dass vor SZT in der Regel nur zwei Zyklen Inotuzumab empfohlen werden. Inotuzumab ist auch für die Behandlung zytologischer Rezidiv der Ph+ ALL zugelassen.

Vor Therapiebeginn und auch im Intervall sollte sowohl unter Blinatumomab als auch Inotuzumab eine intrathekale Prophylaxe durchgeführt werden.

Die klinische Entscheidung für eine der beiden Substanzen muss im Fall eines Rezidivs individuell gefällt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Rezidiventitäten und Definitionen des Ansprechens sind die Zulassungsstudien im Hinblick auf die Ansprech- und Überlebensraten nicht vergleichbar. Mit beiden Substanzen wurden mediane Überlebensraten von 7,7 Monaten erreicht und dies lässt einen weiteren Verbesserungsbedarf erkennen. Grundsätzlich wurden mit den Antikörpertherapien bessere Ergebnisse als mit der Standardtherapie erzielt und ein früher Einsatz in der ersten Rezidivtherapie bringt ebenfalls Vorteile. Die Mortalität bei nachfolgender SZT ist z. T. erheblich. Empfehlungen z.B. zur Vermeidung von Doppel-Alkylantien nach Inotuzumabtherapie und zu generellen Standards bei der Konditionierung sollten beachtet werden. Es gibt bisher keine verwertbaren Daten zum Einsatz beider Substanzen bei extramedullären Rezidiven und auch keine Hinweise zu einer Überlegenheit der Immun- und Antikörpertherapie bei Spätrezidiven. Ebenso gibt es keine ausreichenden Daten zu Frührezidiven nach Stammzelltransplantation, weil in klinischen Studien immer ein Abstand von 3-4 Monaten eingehalten wurde. Bei Patient*innen, die keine Stammzelltransplantation erhalten können, sollte eine Erhaltungstherapie - auch mit konventionellen Substanzen - erwogen werden.

Auch Therapiestrategien mit einer Sequenz von Immuntherapien z.B. Inotuzumab Ozogamicin gefolgt von Blinatumomab werden derzeit untersucht.

Chimeric-Antigen-Receptor-T-Zell (CAR-T)-Therapie

Weiterhin wurden vielversprechende Daten für den Einsatz gentechnisch veränderter T-Zellen berichtet. Diese sog. Chimeric-Antigen-Receptor-T-Zellen (CAR-T) werden aus T-Zellen der Patient*innen ex-vivo hergestellt und dabei mit einem Antigen-Rezeptor gegen Oberflächen-Marker von Leukämiezellen sowie verschiedenen Signaltransduktions-Elementen versehen [40]. Erste Ergebnisse mit gegen CD19 gerichteten CAR-Ts, die überwiegend an pädiatrischen Patienten und gemischten Kollektiven von Patient*innen mit zytologischem Rezidiv und molekularem Rezidiv erhoben wurden, sind vielversprechend, basieren aber meist nicht auf Intent-to-Treat-Analysen. Die Ansprechraten sind daher mit den Ergebnissen der o.g. Antikörpertherapien methodisch nicht vergleichbar. Nunmehr liegen Daten einer ersten internationalen Zulassungsstudie mit CD19-gerichteten CAR-Ts bei pädiatrischen und adoleszenten ALL- Patient*innen (bis 25 Jahre) vor. Die CR-Rate bei den tatsächlich infundierten Patient*innen lag bei 83%. 21% bzw. 24% der Patient*innen entwickelten ein schweres Zytokin-Release-Syndrom (CRS) und 21% ein Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) vom Grad III-IV [41]. Tisagenlecleucel (CTL019) wurde für die Behandlung der rezidivierten und refraktären ALL bei Patient*innen mit bis 25 Jahre zugelassen. Für eine Anwendung bei älteren Patient*innen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Kostenübernahme beantragt werden. Ein weiteres CAR-T-Zell Präparat wurde zwischenzeitlich in den USA für die Anwendung bei erwachsenen Patient*innen mit rezidivierter/refraktärer ALL zugelassen [42]. Diese Behandlung ist hoch spezialisierten Zentren vorbehalten v.a. um ein adäquates Management der Nebenwirkungen zu gewährleisten (siehe auch Onkopedia Leitlinie CAR-T Zellen: Management von Nebenwirkungen).

T-ALL

Bei T-ALL ist für die Rezidivtherapie das T-Zell-spezifische Purinanalogon Nelarabin zugelassen. Auch hier sollte der Einsatz bereits im molekularen Rezidiv oder Therapieversagen erwogen werden.

Bei Spätrezidiven der B- und T-Linien ALL steht als erste Therapieoption eine Wiederholung der initial wirksamen Induktionstherapie zur Verfügung.

Bei weiteren Linien der Rezidivtherapie d.h. Therapieversagen auf die erste Salvage-Therapie kann die Anwendung weiterer zielgerichteter Substanzen z.B. Venetoclax, CD38-Antikörper in Kombination mit Chemotherapie erwogen werden. Als Möglichkeit der Therapieoptimierung kann bei T-ALL auf eine mit Bortezomib kombinierte Induktionstherapie zurückgegriffen werden.

Auch extramedulläre Rezidive der ALL (z.B. ZNS, Hoden) werden mit intensiver systemischer Therapie gefolgt von einer SZT behandelt. Es gibt hier keine belastbaren Daten für den primären Einsatz der Substanzen Blinatumomab oder Inotuzumab. Bei Patient*innen mit einem molekularen Rezidiv sind ebenfalls eine Salvagetherapie und eine Stammzelltransplantation indiziert. Generell gilt, dass auch in der Rezidivtherapie lange therapiefreie Intervalle vermieden werden sollten. Bei Patienten, die keine Stammzelltransplantation erhalten können, sollte eine Konsolidations- und Erhaltungstherapie erwogen werden. Im Rezidiv sollte das Markerprofil für die MRD-Bestimmungen erneut etabliert werden. MRD-Kontrollen nach und unter Rezidivtherapie sind dringend zu empfehlen. Bei Transplantation nach Rezidiv liegt ein erhöhtes Rezidivrisiko vor und auch nach der Transplantation sollten MRD-Kontrollen durchgeführt werden und bei MRD-Nachweis über 10-4 mögliche therapeutische Maßnahmen erwogen werden. Auch über strahlentherapeutische Maßnahmen sollte in dieser Situation nachgedacht werden.

Die GMALL-Studiengruppe bietet eine Therapieempfehlung für die Durchführung der Rezidivtherapie an und steht für Beratungsanfragen zur Verfügung. Aktuelle Studien mit neuen Substanzen werden im Studienregister des Kompetenznetzes Leukämien (https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/home/) annonciert.

6.2[Kapitel nicht relevant]

6.3Besondere Situationen

6.3.1Therapie älterer Patient*innen mit ALL

Die Remissionsraten nehmen wegen der erhöhten Induktionsmortalität mit zunehmendem Alter ab und liegen bei >65-jährigen bei 60-80% [4344]. Das Gesamtüberleben liegt in publizierten Studien mit mäßig intensiver, altersadaptierter Therapie bei 20-40%. Wichtig ist die Entscheidung, ob den einzelnen Patient*innen aufgrund ihres biologischen Alters eine mäßig intensive Chemotherapie verabreicht werden kann oder ob eine palliative Behandlung, z. B. nach dem GMALL-Protokoll für ‚Frail‘ Patient*innen durchgeführt werden soll. Bei Therapie mit zumindest mäßig intensiver Chemotherapie sind die Heilungschancen besser und die Frühmortalität geringer [45]. Deshalb sollten auch ältere Patient*innen nach prospektiven Therapiestudien bzw. aktuellen Therapieempfehlungen behandelt werden.

Für ältere Patient*innen mit ALL oder LBL ab dem Alter von 56 Jahren steht eine aktuelle GMALL-Therapieempfehlung zur Verfügung, die neben einer dosisreduzierten Chemotherapie molekulare Therapie (Imatinib) und Antikörpertherapie (z.B. anti-CD20) enthält. Die Empfehlung sieht ein adaptiertes Protokoll für ältere Patient*innen ab der Altersgrenze von 55 Jahren vor. Wesentlich ist dabei, dass in der Induktionstherapie keine Asparaginase eingesetzt wird und dass die intensive Konsolidation I durch zwei weniger toxische Zyklen mit intermediär dosiertem Methotrexat und Asparaginase sowie intermediär dosiertem Cytarabin ersetzt wird. Die SZT-Indikation wird in der Regel ausschließlich MRD-basiert gestellt und ist in dieser Altersgruppe stark vom individuellen Zustand abhängig.

Voraussetzung ist, dass auch bei älteren Patient*innen eine vollständige, hochwertige Initialdiagnostik durchgeführt wird. Entsprechend sollte auch engmaschig die MRD kontrolliert werden, um bei MRD-Persistenz eine Therapieumstellung durchzuführen.

Derzeit stehen an insgesamt ca. 40 Zentren in Deutschland zwei innovative Studien für ältere Patienten zur Verfügung, die Inotuzumab in Kombination mit Chemotherapie und Blinatumomab in Sequenz mit dosisreduzierter Chemotherapie untersuchen [4647].

Für Patient*innen, bei denen aufgrund von Komorbiditäten auch eine mäßig intensive Chemotherapie nicht möglich ist, kann eine Behandlung nach der GMALL-Therapieempfehlung für Frail- Patient*innen erfolgen. Bei alten Patient*innen mit Ph+ ALL kann häufig auch mit einer Imatinib-, Dasatinib- oder Nilotinib-Monotherapie bei guter Lebensqualität eine länger anhaltende Remission erreicht werden. Bei Therapieversagen kann eine Umstellung auf Dasatinib passager erfolgreich sein. Auch der Einsatz von Immuntherapien sollte bei fortgesetztem molekularen Versagen oder zytologischem Rezidiv erwogen werden. Hierzu sollte zuvor eine Untersuchung auf mögliche Mutationen der BCR::ABL1 Kinasedomäne erfolgen, da diese entscheidend die Ansprechwahrscheinlichkeit beeinflussen.

6.3.2Therapie lymphoblastischer Lymphome

Lymphoblastische Lymphome entsprechen in ihrem Phänotyp der ALL, weisen allerdings einen Knochenmarkbefall unter 25% auf. LBL können sehr erfolgreich mit adaptierten Schemata für die ALL behandelt werden [48]. Die Therapie ist in die aktuellen Protokolle und Empfehlungen für die ALL integriert und beinhaltet in der Regel keine Erhaltungstherapie. Bei lymphoblastischen Lymphomen und generell bei extramedullären Befällen der ALL, hat die Remissionskontrolle mittels Bildgebung eine zentrale Bedeutung. Wenn spätestens nach Konsolidation I keine komplette Remission erreicht ist, sollten Restbefunde (CRu oder PR) mittels einer PET-Untersuchung evaluiert werden.

6.3.3Therapie der reifzelligen B-ALL

Die reifzellige B-ALL wird nach der neuen WHO-Klassifikation der Gruppe der Burkitt-Leukämien/Lymphome zugeordnet. Sie zeigt eine rasche Progredienz und häufig große Tumormasse mit erhöhter Inzidenz von ZNS- (12%) und Organbefall (34%) [49]. Die Therapieergebnisse wurden mit Therapieschemata aus der Pädiatrie, mit rascher Abfolge kurzer, intensiver Chemotherapieblöcke deutlich verbessert; wesentliche Elemente sind Hochdosis-Methotrexat und fraktioniertes Cyclophosphamid bzw. Ifosfamid. Die Therapiedauer beträgt nur 21 Wochen. In der Therapie der B-ALL und Burkitt-Lymphome wird standardmäßig ein monoklonaler Antikörper gegen CD20 eingesetzt. In 80-90% der Fälle weisen diese Leukämien/Lymphome eine CD20-Expression auf. Die Gabe von Rituximab vor den Chemotherapiezyklen hat zu einer deutlichen Verbesserung der Therapieergebnisse geführt [49].

6.3.4Therapie der ALL während der COVID19-Pandemie

Da bei der ALL ein kurativer Ansatz mit guten Heilungschancen verfolgt wird, werden keine übergreifenden Änderungen des Therapiekonzepts empfohlen. ALL- Patient*innen bedürfen jedoch ebenso wie andere immunsupprimierte Patient*innen besonders intensive Beratung und Überwachung während der Pandemie. Die GMALL-Studiengruppe hat eine Empfehlung zum Management, während der COVID-Pandemie herausgegeben, die regelmäßig aktualisiert wird. Grundlage ist die Empfehlung der DGHO auf dem jeweils aktuellen Stand. Bei ALL- Patient*innen unter Therapie ist mit einem erhöhten Risiko eines Impfversagens und von einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf auszugehen. Daher wird empfohlen die verfügbaren prophylaktischen Maßnahmen einschließlich allgemeine Verhaltensregeln, Impfung und Boosterung, Postexpositionsprophylaxe und antivirale Therapie möglichst auszuschöpfen.

7[Kapitel nicht relevant]

8Verlaufskontrolle und Nachsorge

8.1Verlaufskontrolle

Auch nach Ende der Therapie können weiterhin bis zu 5 Jahre nach Erstdiagnose Rezidive auftreten. Danach nimmt die Rezidivwahrscheinlichkeit stark ab. Weitere regelmäßige Blutbild- und Knochenmarkkontrollen sind daher erforderlich. MRD-Untersuchungen sollten im ersten Jahr nach Ende der Erhaltungstherapie noch 3-monatlich, im folgenden Jahr halbjährlich durchgeführt werden, um ggf. auftretende molekulare Rezidive zu detektieren. Bei BCR::ABL1-positiver ALL sollte die MRD-Kontrolle mittels Immungen-PCR und quantitativer BCR::ABL1-Bestimmung. Die MRD-Kontrollen nach Rezidivtherapie und/oder Stammzelltransplantation erfolgen häufiger und sollte nach Stammzelltransplantation zusätzlich Untersuchungen zum Spenderzellchimärismus umfassen.

Kontrolluntersuchungen dienen auch der Erfassung von Spätfolgen der Therapie. Dabei kann es sich um aseptische Knochennekrosen nach Kortison, MDS, Zweitmalignome, z. B. Entwicklung einer AML, Infertilität, hormonelle Störungen, psychische Erkrankungen etc. handeln. Osteonekrosen treten gehäuft bei jüngeren Erwachsenen auf. Die Patient*innen sollten gezielt im Hinblick auf mögliche Symptome befragt werden. Bei Beschwerden sollte die Indikation für eine Bildgebung mittels MRT großzügig gestellt werden. Weiterhin sollten Untersuchungen zur Knochengesundheit z.B. Calcium, Vitamin D erfolgen und bei Abweichungen interveniert werden [50]. Für den Umgang mit Osteonekrosen hat die GMALL eine Standardempfehlung erstellt.

Die Indikation zur Durchführung entsprechender Untersuchungen bei Verdacht auf Spätfolgen orientiert sich an dem individuellen Beschwerdebild des Patienten/ der Patientin. Die überwiegende Zahl der ALL- Patient*innen in Langzeitremission ist jedoch als geheilt anzusehen und leidet unter keinen Spätkomplikationen.

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10Aktive Studien

10.1Laufende Studien und Therapiedurchführung in Deutschland

Bei seltenen Erkrankungen wie der ALL ist der einzige Weg der Therapieoptimierung die Kombination von Versorgung und klinischer Forschung in Therapieoptimierungsstudien. In Deutschland wird die Mehrzahl der erwachsenen ALL- Patient*innen in klinischen Studien oder nach Therapieempfehlungen behandelt, die von der deutschen multizentrischen Studiengruppe für die ALL des Erwachsenen (GMALL) durchgeführt werden. In ganz Deutschland nehmen mehr als 140 Kliniken an dieser weltweit größten Studiengruppe teil. Die Studien beinhalten zahlreiche innovative Ansätze in der Therapie einschließlich neuer Medikamente, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Entwicklung risikoadaptierter, individualisierter Therapien. In der letzten Studie 07/2003 konnte erstmalig bei der ALL des Erwachsenen (< 55 Jahre) eine Überlebensrate über 60% erreicht werden. Dazu kommen zwei innovative Studien mit Immun-bzw. Antikörper-basierter Therapie bei neu diagnostizierten älteren Patienten mit Ph/BCR::ABL-negativer ALL.

Aktuell sollten alle erwachsenen ALL- Patient*innen zunächst über das GMALL-Register registriert werden. Dies beinhaltet auch die Einsendung von Biomaterial. Wenn die Einschlusskriterien für eine klinische Studie erfüllt sind, kann im Anschluss ein Studieneinschluss erfolgen. Wenn kein Studieneinschluss möglich ist, sollten Patient*innen analog zu den GMALL-Empfehlungen behandelt und dokumentiert werden. Durch die Registererfassung können flächendeckend alle Patient*innen auch im Hinblick auf das Langzeitergebnis weiterverfolgt werden.

Eine Übersicht über die Therapiestudien und Empfehlungen der GMALL-Studiengruppe ist aktuell über das Kompetenznetz „akute und chronische Leukämien“ abrufbar (https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/home/). Hier werden die Ein- und Ausschlusskriterien, die Therapieprotokolle und die Adressen der Studienzentralen aufgeführt.

10.2Laufende Studien und Therapiedurchführung in Österreich

Österreichweit werden diese Therapiestudien und die Empfehlungen der GMALL-Studiengruppe an den meisten Zentren bereits seit Jahren umgesetzt und mitgetragen und einige Zentren sind Teilnehmer des GMALL-Registers.

Momentan befindet sich eine eigenständige Österreichische Studiengruppe für ALL in Aufbau.

Ausserdem wird das österreichische Register (AGMT-ALL-Register) mit Erfassung von diagnostischen als auch therapeutischen Daten von Patient*innen mit akuter lymphatischer Leukämie bzw. von hochaggresssiven Lymphomen wie vom Burkitt- oder vom T-lymphoblastischen Typ gerade aktualisiert. Die hochspezifische MRD-Diagnostik (PCR) wird mittlerweile in Österreich routinemässig durchgeführt,, so dass die vorgesehenen Prognosefaktoren auch hierorts in die Therapieentscheidungen miteinfließen können. Zu Forschungszwecken wird an der Medizinischen Universität Wien Knochenmark asserviert. Dies kommt der derzeitigen Stammzellforschung zu Gute.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die enge Kooperation mit der GMALL-Studiengruppe und der bereits langjährigen Erfahrung alle oben erwähnten Therapien als auch deren Diagnostik in Österreich zur Verfügung stehen und somit an unsere Patient*innen weitergegeben werden können. Auch wurden in den letzten Jahren Nachsorgekonzepte für genesene Patienten mit adulter akuter lymphatischer Leukämie entwickelt.

10.3Laufende Studien und Therapiedurchführung in der Schweiz

In der Schweiz nehmen alle Zentren, welche akute lymphatische Leukämien behandeln, an den Protokollen der Group for Research on Adult Acute Lymphoblastic Leukemia GRAALL Intergroup (LALA-GOELAMS-SAKK) teil. Das Protokoll GRAALL-2014 enthält 3 Substudien: GRAALL-2014/B (Ph-negative B-ALL), GRAALL-2014/T (T-ALL) und GRAAPH-2014 (Ph+ ALL). Es handelt ich um ‚pediatric-inspired‘ Protokolle, die durch eine neue Risiko- und Alters-adaptierte Therapie zu einer Behandlungsverbesserung führen sollen. Bei Standardrisiko- Patient*innen soll gezeigt werden, dass der DFS in CR1 es erlaubt auf eine allogene Stammzelltransplantation zu verzichten. Bei Patient*innen mit Hochrisiko ALL soll in entsprechenden Phase II Substudien die frühe Integration neuerer Medikamente in die bestehende Standardtherapie (Nelarabin bei der T-ALL (ATRIALL substudy) und Blinatumomab bei der B-ALL (QUEST substudy) geprüft werden. Allen ‚very high risk‘ Patient*innen, gestützt auf den MRD Verlauf, wird eine allogene Stammzelltransplantation (Geschwister oder 10/10 unverwandt) angeboten. Die Studie wurde im Februar 2021 geschlossen. Eine Nachfolgestudie ist in Planung.

Kontaktdaten

Deutschland

GMALL-Studienzentrale
Dr. med. N. Gökbuget
Klinikum der J.W.Goethe Universität
Medizinische Klinik II
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
Email: goekbuget@em.uni-frankfurt.de

Österreich

Medizinische Universität Wien
Innere Medizin I/Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie
Univ. Prof. Dr. Ulrich Jäger
Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Alexander W. Hauswirth
Währinger Gürtel 18-20
AT-1090 Wien
Email:ulrich.jaeger@meduniwien.ac.at
alexander.hauswirth@meduniwien.ac.at

OA Dr. Sigrid Machherndl-Spandl

Abteilung für Innere Medizin I

Hämatologie mit Stammzelltransplantation, Hämostaseologie und medizinische Onkologie

Ordensklinikum Linz, Krankenhaus der Elisabethinen Linz GmbH

Fadingerstraße 1

A-4020 Linz

T: 0043 732 7676 - 4434

sigrid.machherndl-spandl@ordensklinikum.at

Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie gemeinnützige GmbH
Nußdorferplatz 8
AT-1190 Wien

Klinisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der AGMT gemeinnützigen GmbH:
Prim. Univ. Prof. Dr. Richard Greil
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Universitätsklinikum der PMU
Landeskliniken Salzburg
Müllner Hauptstraße 48
AT-5020 Salzburg

Schweiz

Prof. Dr méd. Yves Chalandon
Hôpital Universitaire de Genève
Service d'Hématologie
Rue Gabrielle Perret-Gentil 4
1211 Genève 14
Tel. : +41 22 372 98 70
Fax.: +41 22 372 72 88
Email:yves.chalandon@hcuge.ch

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

16Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Claudia Baldus
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Innere Medizin II
Hämatologie und Onkologie
Arnold-Heller-Str. 3
24105 Kiel
Prof. Dr. med. Monika Brüggemann
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Innere Medizin II
Hämatologie und Onkologie
Langer Segen 8-10
24105 Kiel
Dr. med. Nicola Gökbuget
Universitätsklinikum Frankfurt am Main
Medizinische Klinik II
Abteilung Hämatologie und Onkologie
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
Prof. Dr. med. Alexander W. Hauswirth
Medizinische Universität Wien
Innere Medizin I/Abteilung f.
Hämatologie u. Hämostaseologie
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Dr. Sigrid Machherndl-Spandl
Ordensklinikum Linz Elisabethinen
Interne 1 - Hämatologie mit
Stammzelltransplantation, Hämostaseologie
und medizinische Onkologie
Fadingerstr. 1
A-4020 Linz
PD Dr. Urs Schanz
Universitätsspital Zürich
Klinik für Hämatologie
Rämistr. 100
CH-8091 Zürich
Prof. Dr. med. Matthias Stelljes
Medizinische Klinik A /
Hämatologie und Onkologie
Universitätsklinikum Münster
Domagkstr. 9a
48149 Münster
Prof. Dr. med. Max Topp
Universitätsklinikum Würzburg
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Oberdürrbachstr. 6
97080 Würzburg

17Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten

Autor*in Anstellung1 Beratung / Gutachten2 Aktien / Fonds3 Patent / Urheberrecht / Lizenz4 Honorare5 Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen6 Andere finanzielle Beziehungen7 Persönliche Beziehung zu Vertretungsberechtigten8
Hauswirth, Alexander W.
Medizinische Universität Wien
Ja
Amgen: Vortragstätigkeit im Rahmen von Advisory Boards Pfizer: Vortragstätigkeit im Rahmen von Advisory Boards Jazz: Vortragstätigkeit im Rahmen von Advisory Boards
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Baldus, Claudia
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ja
Amgen, Novartis, Jazz, BMS, Jannsen, AtrsZeneca, Gilead
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Gökbuget, Nicola
Universität Frankfurt
Ja
Amgen, Gilead, Novartis, Pfizer, Jazz Pharmaceuticals, Incyte, Cellestia, Erytech, Morphosys, Servier
Nein
Nein
Ja
Amgen, Astra Zeneca, Celgene, Gilead, Novartis, Pfizer, Jazz Pharmaceuticals, Incyte, Erytech, Servier
Ja
Amgen, Pfizer, Novartis, Servier, Jazz Pharmaceuticals, Incyte, Abbvie
Nein
Nein
Brüggemann, Monika
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ja
Amgen Inc, Molecular Health, Incyte
Nein
Nein
Ja
Amgen Inc, art tempi communication, Becton Dickinson, Celgene, Janssen, Novartis
Ja
Amgen Inc, Becton Dickinson
Nein
Nein
Stelljes, Matthias
Universitätsklinikum Münster
Ja
Pfizer, Jazz, Amgen, medac, Novartis, Celgene, BMS, MSD, Astella, Incyte
Nein
Nein
Ja
Pfizer, Jazz, Amgen, medac, Novartis, Celgene, BMS, MSD, Astella, Incyte
Ja
Pfizer
Nein
Nein
Topp, Max
Universitätsklinikum Würzburg
Ja
BMS, KITE, Novartis, Janssen, Pfizer,
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Schanz, Urs
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie, Universitätsspital Zürich
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Machherndl-Spandl, Sigrid
Ordensklinikum Linz Elisabethinen GmbH
Ja
Advisory Board: Servier, Abbvie, Jazz, Celgene, Amgen, Pfizer
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
1 - Gegenwärtiger Arbeitgeber, relevante frühere Arbeitgeber der letzten 3 Jahre (Institution/Ort)
2 - Tätigkeit als Berater*in bzw. Gutachter*in oder bezahlte Mitarbeit in einem wissenschaftlichen Beirat / Advisory Board eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z. B. Arzneimittelindustrie, Medizinproduktindustrie), eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
3 - Besitz von Geschäftsanteilen, Aktien, Fonds mit Beteiligung von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft
4 - Betrifft Arzneimittel und Medizinprodukte
5 - Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autor*innen oder Koautor*innenschaften im Auftrag eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftragsinstituts oder einer Versicherung
6 - Finanzielle Zuwendungen (Drittmittel) für Forschungsvorhaben oder direkte Finanzierung von Mitarbeiter*innen der Einrichtung von Seiten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft, eines kommerziell orientierten Auftrags-instituts oder einer Versicherung
7 - Andere finanzielle Beziehungen, z. B. Geschenke, Reisekostenerstattungen, oder andere Zahlungen über 100 Euro außerhalb von Forschungsprojekten, wenn sie von einer Körperschaft gezahlt wurden, die eine Investition im Gegenstand der Untersuchung, eine Lizenz oder ein sonstiges kommerzielles Interesse am Gegenstand der Untersuchung hat
8 - Persönliche Beziehung zu einem/einer Vertretungsberechtigten eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft

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