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Myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: Chronische Myeloproliferative Erkrankungen (CMPE))

Stand Oktober 2019

1[Kapitel nicht relevant]

2Grundlagen

In der aktuellen WHO-Klassifikation (Revision im Jahre 2016) stellen die chronischen myeloproliferativen Neoplasien (MPN, früher chronische myeloproliferative Erkrankungen) eine Untergruppe der myeloischen Neoplasien dar. Zu den myeloischen Neoplasien zählt eine Reihe von Krankheitsgruppen: Myeloproliferative Neoplasien (MPN), Mastozytose, myeloide/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und Genrearrangement, myelodysplastische/ myeloproliferative Neoplasien, myelodysplastische Syndrome und akute myeloische Leukämie [12].

Neben dem klinischen Erscheinungsbild, der Knochenmarkmorphologie, dem Immunphänotyp und dem zytogenetischen Befund haben vor allem die Fortschritte in der molekularen Charakterisierung zur besseren Abgrenzbarkeit der verschiedenen myeloischen Erkrankungen beigetragen. Die bessere Kenntnis der Pathogenese und des genetischen Profils erlaubt eine klarere Zuordnung des Einzelfalles und zum Teil eine bereits am molekularen Defekt angreifende Therapie. Dies kennzeichnet auch die Gruppe der myeloproliferativen Neoplasien.

2.1Definition und Basisinformationen

2.1.1Klassifikation und Pathogenese

Die Gruppe der MPN umfasst definitionsgemäß folgende Erkrankungen (WHO 2016) [12]

  • chronische myeloische Leukämie (CML)

  • chronische Neutrophilenleukämie

  • Polycythaemia vera (PV)

  • primäre Myelofibrose (PMF)

  • essentielle Thrombozythämie (ET)

  • chronische Eosinophilenleukämie, not otherwise specified (NOS)

  • myeloproliferative Neoplasien, unklassifizierbar (MPN,U)

Ursprünglich konnte nur die CML aufgrund ihres klonalen Markers (Philadelphia-Chromosom bzw. bcr-abl-Fusionsgen) zweifelsfrei diagnostiziert und von den anderen MPN sicher abgegrenzt werden. Die Entdeckung der erworbenen sogenannten ‚Driver‘ Mutationen, im JAK2- (Janus-Kinase), CALR-(Calreticulin) und MPL-Gen (Thrombopoietin-Rezeptor) erlaubt auch bei weiteren Entitäten der MPN den eindeutigen Nachweis der Klonalität und damit die sichere Abgrenzung gegenüber reaktiven Zuständen. Im Gegensatz zur CML sind diese Mutationen jedoch nicht spezifisch für einen einzelnen MPN-Subtyp.

Eine Aufstellung der relativen Häufigkeiten des Nachweises der ‚Driver‘-Mutationen bei den häufigsten bcr-abl negativen MPN, essentielle Thrombozythämie (ET), Polycythaemia Vera (PV) und primäre Myelofibrose (PMF), sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Bei ET und PMF haben 10% bis 15% Fälle keine der drei Mutationen (`triple negative‘), sodass ihre sichere Zuordnung zu den MPN in manchen Fällen Probleme bereiten kann.

Tabelle 1: Klonale, genetische Aberrationen bei Myeloproliferativen Neoplasien 

 

Erkrankung

Mutiertes Gen

Onkopedia Leitlinie

CALR (%)

JAK2 (%)

MPL (%)

ET

20 bis 30

etwa 60

3 bis 5

Essentielle Thrombozythämie

PV

98

Polycythaemia Vera

PMF

20 bis 30

etwa 60

5 bis 8

Primäre Myelofibrose

Alle in Tabelle 1 gelisteten Mutationen betreffen Gene von Tyrosinkinasen, welche über einen gemeinsamen (JAK-STAT-) Signalweg in die Regulation der Zellproliferation eingebunden sind. Die jeweilige Mutation führt zu einer autonomen, vom Bedarf losgelösten Proliferation einer oder mehrerer Zellreihen.

Die JAK2 V617F-Mutation entspricht einer Punktmutation im Exon 14 des JAK2-Gens. Ausschließlich bei PV (2% bis 4%) konnte eine Mutation im Exon 12 des JAK2-Gens identifiziert werden. Die bei ET und PMF nachweisbare MPL-Mutation entspricht einer Punktmutation im Codon 515 des Gens für den Thrombopoietinrezeptor. Bei den CALR-Mutationen handelt es sich um eine Reihe von unterschiedlich lokalisierten Mutationen (Insertionen/Deletionen) im Exon 9 des Calreticulin-Gens, deren genaue Lokalisation wahrscheinlich prognostischen Einfluss hat.

Darüber hinaus wurde gezeigt, dass bei Patienten mit myeloischen Neoplasien, einschließlich MPN, weitere, die Zellproliferation regulierende Genen mutiert sein können (sog. ‚non-Driver‘- oder Passenger-Mutationen). Beispiele sind Mutationen im den Genen TET2, ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2, SRSF2 u.a., welche die Prognose der Erkrankung unterschiedlich beeinflussen können [3].

Trotz des besseren Verständnisses der Pathogenese bleiben noch viele Fragen unbeantwortet: Es wird angenommen, dass die MPN nicht auf der Basis eines einzelnen molekularen Defektes, sondern im Rahmen eines Mehrschrittprozesses entstehen. Die pathogenetische Bedeutung der einzelnen Mutationen und die zeitliche Sequenz ihres Auftretens sind Gegenstand aktueller Untersuchungen. Unklar ist auch, warum bei derselben Mutation unterschiedliche Krankheitsbilder entstehen. Unklar ist bei der Entstehung der MPN weiterhin das Zusammenspiel von genetischer Prädisposition und erworbenen somatischen Mutationen. Ungeklärt ist auch, ob Mutationen, die mit einem hohen Risiko von genetischer Instabilität und leukämischer Transformation assoziiert sind, bereits vom Beginn der Erkrankung an vorhanden sind oder ob sie erst im Verlauf, ggf. unter Therapieeinfluss, entstehen. [3].

2.1.2Diagnosesicherung

Im Laufe der Jahre wurde die WHO-Klassifikation mehrfach an die Fortschritte der diagnostischen Möglichkeiten angepasst. Bei allen drei Hauptentitäten der MPN (PV, ET, PMF) wurde der Nachweis eines klonalen Markers in die Reihe der diagnostischen Hauptkriterien aufgenommen. Die Knochenmarkhistologie hat hinsichtlich ihrer diagnostischen Bedeutung eine zunehmende Aufwertung erfahren und gehört in der WHO-Klassifikation 2016 zu den obligat zu erhebenden primären Diagnoseparametern. Hervorgehoben werden sollte, dass die Knochenmarkhistologie insbesondere bei der Abgrenzung der ET von präfibrotischer PMF (PMF-0) und von der JAK2-positiven ET gegenüber der PV für eine sichere diagnostische Zuordnung unverzichtbar ist [12]. Trotz zunehmender Genauigkeit der Diagnosekriterien ist in einzelnen Fällen auch weiterhin eine exakte diagnostische Zuordnung nur aufgrund des Langzeitverlaufes möglich.

2.1.3Therapieziele

In den Onkopedia-Leitlinien der drei häufigsten Entitäten PV, ET und PMF wird der aktuelle Stand von Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen ausführlich dargestellt. Hervorzuheben ist, dass es sich bei allen drei Entitäten überwiegend um Erkrankungen des höheren Lebensalters handelt, die aber auch bei jüngeren Menschen auftreten können. Die primären Therapieansätze sind überwiegend palliativ ausgerichtet. Primäre Therapieziele bei PV und ET sind in erster Linie die Reduktion von arteriellen und venösen Thrombosen und die Kontrolle der Krankheitssymptome durch medikamentöse Therapie. Neben Hydroxycarbamid, Interferon-alpha und Anagrelid rücken auch JAK2-Inhibitoren, insbesondere bei PMF und PV in den Vordergrund. Die bislang einzige kurative Therapieform bei MPN ist die allogene Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation. Zielgruppe hierfür sind Patienten mit PMF mit ungünstiger Risikokonstellation [45].

3[Kapitel nicht relevant]

4[Kapitel nicht relevant]

5[Kapitel nicht relevant]

6[Kapitel nicht relevant]

7[Kapitel nicht relevant]

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

  1. Arber DA, Orazi A, Hasserjian R et al.: The 2016 revision to the World Health Organization classification of myeloid neoplasms and acute leukemia. Blood 127:2391-2405, 2016. doi: 10.1182/blood-2016-03-643544.

  2. WHO classification of tumours of haemopoietic and lymphoid tissues. WHO Press 29-79, 2017.

  3. Zoi K, Cross NC. Genomics of Myeloproliferative Neoplasms. J Clin Oncol 35:947-954, 2017. doi: 10.1200/JCO.2016.70.7968

  4. Barbui T, Tefferi A, Vannucchi AM et al.: Philadelphia chromosome-negative classical myeloproliferative neoplasms: revised management recommendations from European LeukemiaNet. Leukemia 32:1057-1069, 2018. DOI:10.1038/s41375-018-0077-1

  5. Vannucchi AM, Barbui T, Cervantes F et al.: ESMO Guidelines Committee. Philadelphia chromosome-negative chronic myeloproliferative neoplasms: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol Suppl 5:v85-99, 2015. DOI:10.1093/annonc/mdv203

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11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med. Martin Grießhammer
Johannes Wesling Klinikum Minden
Klinik für Hämatologie / Onkologie
Hans-Nolte-Str. 1
32429 Minden
Prof. Dr. med. Eva Lengfelder
Universitätsklinikum Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim d. Uni Heidelberg
III. Medizinische Klinik
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Prof. Dr. med. Petro E. Petrides
Hämatologisch-Onkologische Schwerpunktpraxis
am Isartor
Zweibrückenstr. 2
80331 München

16Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) und internationalen Empfehlungen

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Reference:

Quellenangabe:

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Kommentare

25.04.2019 04:28
Axel Matzdorff sagt
25.04.2019 04:28

Sehr geehrter Fr. Lengfelder,
sehr geehrte Kollegen,

ich betreue seit kurzem einen 30jährigen (!) Patienten mit Chronischer Neutrophilen Leukämie (CSF3RT618I pos, noch ausstehend PDGFRA, PDGFRB, FGFR1, JAK2). Leukos initial 100.000 nach 1 Zyklus Vidaza (damals noch unter der Annahme eines MDS/MPN overlap) jetzt 77.000/µl, 95% Neutrophile, Hb 10 g/dl, Thr. 77.000/ml, Blasten nicht vermehrt.

• Ich möchte ihn allogen transplantieren lassen. Wäre das auch Ihre Option?
• Gibt es Daten, ob man bei CNL vor alloSCT eine möglichst maximale Reduktion des CSF3R-positiven Klons anstreben sollte?
• Wir planen eine Induktion mit Doxo-Ara 7+3 wie bei AML oder gibt es Erfahrungen mit anderen Kombinationen?
• Ich habe Ruxolitinib gar nicht erst in Erwägung gezogen, weil dies m.E. keine vergleichbare Reduktion des Klons erreichen wird. Zumindest sind die Ansprechraten in den mir bekannten Publikationen nur mässig und kurz. … oder wann würden Sie Ruxo geben?

Beste Grüße, A. Matzdorff

29.04.2019 06:15 (Onkopedia Redaktion)
Steffi Heinecke sagt
29.04.2019 06:15

Lieber Herr Matzdorff,

das ist eine komplexe Situation. Für die Mehrzahl Ihrer Fragen gibt es mangels Daten bei kleinen Fallzahlen keine evidenzbasierte Antwort. Anbei eine kürzlich publizierte Übersichtsarbeit, welche die Datenlage recht gut beschreibt.

Anbei meine Einschätzung bzw. Empfehlungen:

Diagnostik:

Ganz wichtig ist die umfassende primäre Diagnostik und die genaue Charakterisierung der myeloischen Neoplasie unter Einbeziehung der derzeit verfügbaren molekularen Marker. - Es gibt (auch nach unserer Erfahrung) häufig eine Koinzidenz von verschiedenen Mutationen, welche für unterschiedliche myeloische /myeloproliferative Erkrankungen diagnostisch sind.-

Zu den Markern zählt (über das von Ihnen Geplante hinaus) das komplette Panel der Driver-Mutationen für MPN, aber auch die somatischen myeloischen Zusatz- (Non-Driver-Mutationen), sowie auch Tryptase und KITD816-Mutation (also Mastozytose-Screening). (Prof. Reiter hat mehrere Fälle mit der Kombination von CNL und Mastozytose in seinem Register und bietet, falls gewünscht, auch ein kostenloses Mastozytose-Screening an. andreas.reiter@medma.uni-heidelberg.de). Zusätzliche ASXL1 und SETBP1- Mutationen haben bei der CNL wahrscheinlich ungünstige prognostische Bedeutung.

Auch die Durchführung einer konventionellen Zytogenetik ist initial zu empfehlen.

Eine Plasmazellneoplasie/Lymphom sollten ausgeschlossen werden.

Therapie:

Trotz im allgemeinen ungünstiger Prognose, können die Verläufe sehr unterschiedlich sein. Wichtig ist die individuelle Verlaufsbeobachtung. Ich würde in jeden Fall bei dem jungen Patienten die Kontaktaufnahme mit einem Transplanteur (vorzugsweise Prof. Kröger in Hamburg) empfehlen um rechtzeitig alle Möglichkeiten für eine Transplantation zu bahnen. (Herr Kröger hat einen Schwerpunkt bei der Transplantation von MPN und hat Erfahrung mit komplexen Fällen und Fragestellungen etc. n.kroeger@uke.de).

Wie Sie dem Artikel entnehmen können, sind die sonstigen Therapieoptionen in der Regel nur passager wirksam. Zur reinen Zytoreduktion würde man Hydroxyurea bevorzugen. Für eine intensive Anthrazyklin / Ara-C gibt es in der chronischen Phase keine Indikation. Bei fortgeschrittener/blastärer Erkrankung ist diese Therapie offensichtlich schlecht wirksam. Die Vortherapie, insbesondere eine aggressive Therapie sollte unbedingt auch mit dem potenziellen Transplanteur abgestimmt werden, sie wird ja vor Tx eher vermieden). Interferon ist für manche Patienten wahrscheinlich eine Möglichkeit (wenn es gebraucht wird, würde ich persönlich es bei dem jungen Patienten wahrscheinlich primär versuchen, ggf nach Zytoreduktion mit HU).

Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne erneut mit uns in Verbindung setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Lengfelder


Prof. Dr. med. Eva Lengfelder
III. Medizinische Klinik
Universitätsklinikum Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
E-Mail: eva.lengfelder@medma.uni-heidelberg.de

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