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Gastrointestinale Stromatumore (GIST)

Stand Juni 2011
Dies ist nicht die aktuelle Version. Siehe: Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)

1Epidemiologie / Ätiologie

Referenz: [13]

Gastrointestinale Stromatumore (GIST) stellen die häufigsten mesenchymalen Tumoren des Gastrointestinaltrakts und ca. 5% aller Sarkome dar. Ihre Inzidenz beträgt ca. 10-15 / 106 Einwohner und Jahr. Das mediane Alter bei Diagnosestellung liegt bei ca. 55-65 Jahren (Bereich: 16-94 Jahre) und die Geschlechtsverteilung ist nahezu ausgeglichen (Männer/Frauen: 59%/41%). Die überwiegende Mehrzahl der GIST tritt sporadisch auf. Eine hereditäre Prädisposition wird nur sehr selten beobachtet. Dabei handelt es sich entweder um familiäre GIST mit entsprechender Keimbahnmutation des KIT- oder PDGFR -alpha-Gens, um GIST im Kontext des Carney- bzw. Carney-Strakatis-Syndroms oder um GIST im Zusammenhang mit der Neurofibromatose-1 (Morbus von Recklinghausen) (siehe Tabelle 1). Sehr selten treten GIST bei Kindern/Jugendlichen auf (1-2%); meist sind Mädchen betroffen. Mutationen des KIT- bzw. PDGFRA-Gens finden sich bei pädiatrischen GIST, die meist multifikal auftreten, nur ausnahmsweise; häufig läßt sich jedoch eine IGF-1-Rezeptor-Amplifikation/Überexpression nachweisen.

Tabelle 1: Merkmale sporadischer und hereditärer GIST* 

Syndrom

Sporadische GIST

Familiäre GIST

Carney’s Triade

Carney-Stratakis-Syndrom

NF-1

Medianes Alter

~ 60 Jahre

~ 40-50 Jahre

< 35 Jahre

< 25 Jahre

~ 50 Jahre

Geschlechtsprädilektion

keine

keine

w > m

keine

keine

Assoziierte Symptome

keine

Hyperpigmentierung, Urticaria pigmentosa, Mastozytose, Dysphagie

Paragangliome pulmonale Chondrome

Paragangliome

Neurofibrom Cafe-au-lait-Flecken

Mutationen

keine Keimbahnmutation

Kit/PDGFRA

unbekannt

SDHB SDHC SDHD

NF1 Neurofibromin

Erbgang

-

autosomal dominant

-

autos. Dominant

autosomal dominant

Histologie

spindelzellig
> epitheloid
> gemischtzellig

siehe sporadische GIST

epitheloid

siehe sporadische GIST

spindelzellig

ICC Hyperplasie

keine

meist vorhanden

keine

keine

meist vorhanden

Lokalisation

Magen, Dünndarm, Rektum, Mesenterium, andere

Dünndarm, Magen, selten Rektum

Magen

Magen

Dünndarm

Klinisches Verhalten

abhängig von Größe, Mitosezahl und Lokalisation

siehe sporadische GIST

Metastasierung häufig bereits bei Diagnose

unklar

indolent

Ansprechen auf Imatinib

abhängig vom Mutationstyp

abhängig vom Mutationstyp

unklar

schlecht

unklar

*: nach [2]

2Lokalisation

Häufigste Lokalisationen sporadischer GIST sind Magen (50-60%) und Dünndarm (20-30%); seltenere Lokalisationen sind Kolon und Rektum (10%), Ösophagus (2-5%) und Mesenterium/Omentum (2-5%). Das Vorkommen extraintestinaler GIST wird heute jedoch zunehmend in Zweifel gezogen. Sporadische GIST manifestieren sich fast immer als solitäre Tumoren, während GIST im Kontext der seltenen familiären Genese und NF-1 meist als multifokale Tumoren im Bereich des Dünndarms auftreten.

3Pathologie / Molekularbiologie

Referenz: [15]

Als möglicher histogenetischer Ursprung der GIST werden die interstitiellen Zellen von Cajal (ICC= „interstitial cells of Cajal“) oder entsprechende Vorläuferzellen angesehen. ICC sind als „Schrittmacherzellen“ an der Kontrolle der Magen-/Darmmotilität beteiligt und exprimieren das c-KIT (CD117) Protein. Makroskopisch können fortgeschrittene GIST zystische Areale und Einblutungen aufweisen. Histopathologisch imponieren GIST meist als spindelzellige (6 0-7 0 %), epitheloide (2 0-3 0 %) oder gemischtförmige Formen. Führendes immunhistochemisches Merkmal der GIST ist die Expression von c-KIT [CD117] und DOG-1, die sich bei ca. 95% aller GIST nachweisen läßt. DOG-1 ist zudem bei ca. 1/3 der c-KIT negativen GIST exprimiert.

Eine Mutation des c-kit-Gens findet sich bei ca. 85% aller GIST. Am häufigsten betroffen sind Exon 11 in der transmembranären Region (ca. 70%) und Exon 9 in der extrazellulären Domäne (ca. 10-15%). Die Kinase I-(Exon 13) oder die Aktivierungsdomäne (Exon 17) sind mit jeweils ca. 1% nur selten von Primärmutationen betroffen. Bei etwa 5-7% aller GIST findet sich eine Mutation des PDGF-Rezeptors alpha, entweder in der juxtamembranären Domäne (Exon 12) oder im Bereich der Aktivierungsdomäne (Exon 18). Bei den verbleibenden 10-15% aller GIST läßt sich keine Mutation des KIT- oder PDGFRA-Gens nachweisen, entsprechend einem sog. Wildtyp.

4Klinik / Prognose

Referenz: [13] [610]

4.1Klinische Symptomatik

Die zur Diagnose führende klinische Symptomatik ist meist unspezifisch (z.B. Völlegefühl, abdominelle Beschwerden, Bauchumfangszunahme). Bei bis zu 30% der Patienten werden GIST inzidentell im Rahmen endoskopischer Untersuchungen oder Operationen aus anderen Indikationen diagnostiziert. Gastrointestinale Blutungen führen bei bis zu 10% der Patienten zur Diagnose.

Bei Diagnosestellung ist bei 20-50% der Patienten eine Metastasierung nachweisbar. Am häufigsten betroffen sind Leber und Peritoneum/Omentum. Extraabdominelle Metastasen sind mit < 10% selten, finden sich aber bei fortgeschrittenen, refraktären GIST in bis zu 20-25%. Lymphknotenmetastasen sind wie bei der Mehrzahl anderer Sarkome so selten, dass diesen operationstechnisch keine Bedeutung zukommt.

4.2Prognose

Als klinisch bedeutsame Prognosefaktoren gelten die Mitoserate, die Tumorgröße und die Primärtumorlokalisation. Zur Abschätzung einer eventuellen Metastasierungswahrscheinlichkeit werden verschiedene Risikokategorien unterschieden, die in Tabelle 2 zusammengefasst sind. Wichtig ist die Feststellung, dass es aufgrund der genannten Prognoseparameter nicht möglich ist, ein Metastasierungsrisiko völlig auszuschließen. Die Bezeichnung „gutartig“ ist somit keinesfalls zulässig. Die 5-Jahres-Gesamt-Überlebensrate von Patienten mit operiertem Primärtumor in der Zeit vor Einführung von Imatinib betrug ca. 50%, bei Patienten mit einer Tumorgröße > 10 cm ca. 20-35%. Die mediane Überlebenszeit von Patienten mit metastasierter Erkrankung beträgt derzeit ca.. 60 Monate, die 5-Jahresüberlebensrate ca. 45%.

Der c-kit Genotyp stellt einen prädiktiven und auch einen weiteren prognostischen Parameter dar. So weisen Patienten mit einer c-kit Exon 11-Deletion ein höheres Rezidivrisiko auf als solche mit Exon 11-Insertion oder -Punktmutation, Exon 9-Mutation, PDGFRA-Mutation oder c-kit Wildtyp.

4.3Risikoklassifikation

Tabelle 2: Risikoklassifikation primärer GIST aufgrund des Mitoseindex, der Tumorgröße sowie der anatomischen Lokalisation (Armed Forces Institute of Pathology [AFIP] [10]) 

 

Progressions-/Rezidivrisiko

Mitosezahl

Grösse (cm)

Magen

Duodenum

Jejunum/ Ileum

Rektum

≤ 5 pro 50 HPF

≤ 2

kein Risiko

kein Risiko

kein Risiko

kein Risiko

>2 ≤ 5

sehr gering

gering

gering

gering

> 5 ≤ 10

gering

hoch

moderat

hoch

 

> 10

moderat

hoch

hoch

hoch

> 5 pro 50 HPF

≤ 2

kein Risiko**

k.A. (hoch)

hoch

hoch

>2 ≤ 5

moderat

hoch

hoch

hoch

> 5 ≤ 10

hoch

hoch

hoch

hoch

 

> 10

hoch

hoch

hoch

hoch

k.A.: keine Angabe aufgrund weniger Daten;**: relativ kleine Fallzahlen

Bei Patienten, bei denen eine intraperitoneale Tumorblutung, -ruptur oder -verletzung auftritt, kommt es nahezu obligat zur Entwicklung peritonealer Metastasen.

5Diagnostik

Referenz: [13] [1113]

Neben der endoskopischen bzw. endosonographischen Diagnostik kommt der Computertomographie (CT) die größte Bedeutung für die Ausbreitungsdiagnostik, die Verlaufskontrolle und Nachsorge zu. PET-Untersuchungen können in Einzelfällen hilfreich sein, das Ansprechen auf die medikamentöse Therapie frühzeitig beurteilen oder zwischen benignen und malignen Veränderungen differenzieren zu können. Das Therapieansprechen mittels CT wird nach den sog. Choi-Kriterien ermittelt. Als Therapieansprechen gelten dabei eine Größenabnahme > 10% und/oder eine Dichteabnahme (HU) um ≥ 15%.

Eine bioptische Sicherung kann ggfs. endoskopisch bzw. endosonograpisch gesteuert erfolgen, sofern dies technisch möglich erscheint, ohne eine intraabdominelle Tumorzelldissemination zu riskieren. GIST sind meist fragile und sehr gefäßreiche Tumoren, die von der Submukosa ausgehen und daher oft schwer endoskopisch zugänglich sind. Im Zweifelsfall sollte eine primäre Operation erfolgen, um eine intraabdominelle Tumorruptur und Tumorzellausbreitung auf jeden Fall zu vemeiden. Eine perkutane Tumorpunktion sollte nur dann erwogen werden, wenn differentialdiagnostisch andere Tumoren, z.B. ein Lymphom, in Betracht kommen oder aufgrund der Tumorgröße oder -ausbreitung eine neoadjuvante Therapie indiziert ist.

Die molekulargenetische Untersuchung zur Bestimmung des KIT- bzw. PDGFRA-Mutationsstatus ist heute obligater Bestandteil der Initialdiagnostik.

6Therapie

6.1Therapiefreie Verlaufsbeobachung

Kleine GIST des Magens (< 2 cm) sind - nach Resektion - mit einer sehr geringen Rezidivrate assoziiert, so dass diese im Einzelfall (z.B. Alter, Komorbiditäten, perioperative Risiken) nach Diskussion mit dem Patienten zunächst auch verlaufskontrolliert werden können, sofern die Größe 2 cm nicht übersteigt und bei den endoskopischen/endosonographischen Kontrollen (zunächst 3-6 monatlich) nur ein sehr langsames Tumorwachstum festgestellt wird. Kleine GIST anderer Lokalisation (insbesondere Rektum) weisen ein hohes Progressions-/Metastasierungsrisiko auf und sollten regelhaft primär chirurgisch behandelt werden.

6.2Chirurgische Therapie

Referenz: [1213]

6.2.1Primärtumoroperation

Sofern der Primärtumor initial resektabel erscheint, ist eine primäre Resektion indiziert. Üblicherweise erfolgt diese bei gastralen GIST in Form eine Keilresektion (wedge resection) unter Mitanahme eines Sicherheitssaums von 1-2 cm. Im Bedarfsfall erfolgen eine Segmentresektion (Dünn-/Dickdarm) oder eine ‚en bloc’-Resektion (z.B. Omentum). Eine Lymphadenektomie ist aufgrund der Seltenheit von Lymphknotenmetastasen nicht regelhaft erforderlich. Wenn eine primäre R0-Resektion nicht möglich erscheint oder eine mutilierende Operation erfordert, ist zunächst eine präoperative (neoadjuvante) Therapie mit Imatinib indiziert (siehe unten).

6.2.2Metastasenchirurgie

Daten prospektiver Studien zur Metastasenresektion liegen nicht vor. Einige, aber nicht alle retrospektiven Analysen zeigten eine günstigere Prognose von Patienten, bei denen - meist nach Imatinib-Vorbehandlung und Therapieansprechen - eine sekundäre Resektion erfolgte. Es ist bislang jedoch unklar, ob die günstigeren Überlebensdaten der operierten Patienten auf die Resektion oder die Patientenselektion zurückzuführen sind. Die zur Klärung dieser Frage aufgelegte prospektive Studie musste leider wegen geringer Rekrutierung eingestellt werden.

Sofern eine vollständige Tumor-/Metastasenresektion möglich erscheint und erwogen wird, sollte diese in der Phase des Therapieansprechens (partielle Remission oder stabile Erkrankung) erfolgen. Bereits bei limitierter Tumorprogression unter laufender medikamentöser Therapie verschlechtert sich die Prognose; bei generalisierter Progression ist eine Operation aufgrund der ungünstigen Prognose außer zur Kontrolle von Komplikationen nicht indiziert. Eine Fortsetzung der medikamentösen Therapie ist auch bei vollständiger Entfernung von Metastasen zwingend erforderlich.

6.2.3Sekundäre Tumor-/Metastasenresektionen nach Imatinib-Induktionschemotherapie

Referenz: [21215] [1820]

Durch prospektive, randomisierte Studien wurde bislang nicht nachgewiesen, dass die Resektion residueller uni-/oligolokulärer Tumormanifestationen nach einer Imatinib-Induktionstherapie prognostisch vorteilhaft ist. Retrospektive Analysen verschiedener Institutionen deuten jedoch darauf hin, dass sekundäre Resektionen dann mit einer besseren Prognose assoziiert sind, wenn sie bei Patienten mit Tumoransprechen (Tumorverkleinerung oder -stillstand), ggfs. auch noch bei fokaler Progression durchgeführt werden und eine R0 erreicht werden kann. Bei multifokaler Progression und/oder antizipierbarer R2-Resektion ist eine elektive Tumorresektion üblicherweise nicht indiziert.

6.3Strahlentherapie

Es liegen keine aussagekräftigen Daten zur Strahlentherapie von GIST vor. Mögliche palliative Indikationen sind selten auftretende Knochenmetastasen oder irresektable Tumoren ungünstiger Lokalisation (z.B. Rektum, Ösophagus) mit Refraktärität auf eine medikamentöse Therapie.

6.4Medikamentöse Therapie

6.4.1Neoadjuvante Chemotherapie (mit Imatinib)

Sofern aufgrund der Primärtumorgröße oder -lokalisation eine komplette Tumorresektion fraglich oder eine mutilierende Operation erforderlich erscheint, sollte zunächst eine präoperative/neoadjuvante Therapie mit Imatinib zur Tumorverkleinerung durchgeführt werden. Die Kenntnis des c-kit-/PDGFRA-Genotyps als prädiktiver Faktor für das Therapieansprechen auf Imatinib kann in diesen Fällen therapiebestimmend sein weshalb eine Mutationsanalyse unbedingt durchgeführt werden sollte. So ist im Falle einer PDGFRA-D842V-Mutation, die zu einer Imatinibresistenz führt, eine neoadjuvante Therapie keinesfalls indiziert. Ebenfalls ist bei einem Wildtyp eine Tumoprverkleinerung nicht zu erwarten.

Eine Evaluation der Resektabilität erfolgt bei laufender Imatinib-Therapie in ca. 3-4 monatlichen Intervallen. Bei Erreichen einer Remission wird die Tumorresektion (s.o.) angeschlossen (meist innerhalb von 6-12 Monaten).

6.4.2Adjuvante Therapie (mit Imatinib)

Referenz: [1417]

Bei GIST mit mittlerem und hohem Rezidivrisko entsprechend AFIP-Risikoklassifikation (siehe Tabelle 2) ist eine adjuvante Therapie mit Imatinib indiziert. Aufgrund der Daten der US-amerikanischen ACOSOG Z9001-Studie kann mit einer einjährigen Imatinibtherapie (400 mg/Tag) eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens erreicht werden. Die 2-Jahres-RFS-Raten für das Gesamtkollektiv aller Patienten betrugen 91% mit Imatinib versus 74% mit Placebo (p<0,0001). Erwartungsgemäß fanden sich deutliche Unterschiede bei den Patienten mit mittlerem (N=148; HR 3,2; 2-J-RFS: 98% vs. 76%; p=0,05) und insbesondere hohem (N=201; HR: 3,4; RFS: 77% vs. 41%; p<0,0001) Risiko, nicht jedoch bei Patienten mit niedrigem Risiko (N=270; HR: 0,91; RFS: 98% vs. 98%), weshalb diese Gruppe adjuvant nicht behandelt werden sollte. Da Rezidive bei den mit Imatinib behandelten Patienten in der ACOSOG Z9001-Studie ca. 6-10 Monate nach Beendigung der 12monatigen Imatinib-Therapie gehäuft auftraten, könnte eine längere Therapiedauer sinnvoll sein. Diese Annahme wird nun bestätigt durch die aktuellen Ergebnisse der skandinavisch-deutschen (SSG/ AIO)-Studie, in der eine Therapiedauer von 1 und 3 Jahren verglichen wurde. Primärer Endpunkt dieser Studie ist das progressionsfreie Überleben, das mit 3jähriger adjuvanter Imatinib-Therapie signifikant gegenüber einer 1jährigen Therapie verbessert wird (5Jahres PFS: 65.6% vs. 47.9%, p<0.0001, HR=0.46). Noch bedeutsamer ist die Tatsache, dass auch das Gesamtüberleben nach 5 Jahren durch die längere Therapiedauer signifikant verbessert wird (92% vs. 81.7%, p=0.019, HR=0.45). Bislang keine Daten gibt es von der inzwischen geschlossenen EORTC-Studie (2 Jahre versus therapiefreie Beobachtung).

Patienten mit einer Imatinib-insensitiven PDGFRA-D842V-Mutation, die bei 3-5% aller Patienten auftritt, profitieren nach vorliegenden Daten nicht von einer adjuvanten Imatinib-Therapie, so dass die initiale molekulargenetische Analyse des Tumors von praktischer und ökonomischer Relevanz ist.

Unklar ist, wie Imatinib bei Patienten mit einer c-kit-Exon 9 Mutation in der adjuvanten Therapiesituation zu dosieren ist. Berücksichtigt man, dass eine Dosierung von 800 mg Imatinib/Tag die Ansprechrate und das progressionsfreie Überleben gegenüber einer Dosierung von 400 mg Imatinib/Tag bei Patienten mit metastasiertem GIST und c-kit Exon 9-Mutation etwa verdreifacht, würde dies auch für eine höhere Imatinib-Dosis in der adjuvanten Situation sprechen. Da bislang keine Studie zur adjuvanten Therapie eine höhere Dosierung bei Patienten mit c-kit Exon 9-Mutation eingesetzt hat, bleibt diese Frage letztlich offen.

Für Patienten mit c-kit / PDGFRA-Wildtyp ergibt sich in den retrospektiven Subgruppenanalysen bei allerdings kleinen Fallzahlen bisher kein nennenswerter Vorteil der Imatinibtherapie gegenüber der Placebo-Gruppe bzw. einer längeren gegenüber einer kürzeren Therapiedauer.

6.4.3Additive Imatinib-Therapie nach Metastasektomie

Nach Metastasektomie sind Tumorprogressionen/Rezidive bei der Mehrzahl der Patienten innerhalb weniger Monate zu erwarten. Nach derzeitigem Kenntnisstand sollte eine Imatinib-Therapie daher auch nach Metastasektomie durchgeführt werden. Dies gilt auch für die Patienten, die eine präoperative Imatinib-Therapie erhalten haben und hierunter keine (oligotope/generalisierte) Tumorprogression aufwiesen. Die optimale Dauer dieser Therapie ist nicht bekannt. Üblicherweise wird die Imatinib-Therapie bis zum Nachweis einer Progression fortgesetzt.

6.4.4Metastasierte GIST

6.4.4.1Erstlinientherapie mit Imatinib

Referenz: [134] [68]

Abgesehen von Patienten mit resektablem Primärtumor und synchroner, uni- oder oligolokulärer resektabler Metastasierung, bei denen aufgrund von Tumorkomplikationen eine primäre Tumorresektion geplant oder erfolgt ist, stellt die initale Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib die Therapie der Wahl für Patienten mit metastasiertem GIST dar. Imatinib ist ein kompetitiver Inhibitor der ATP-Bindung an den Kinasedomänen des KIT- und PDGFRA-Rezeptors und führt somit zu einer Hemmung der Signaltransduktion dieser pathogenetisch maßgeblichen Tyrosinkinasen.

Die mit Imatinib erreichbare Rate objektiver Remissionen (nach RECIST) beträgt ca. 50-60% und die Rate prognostisch gleichwertiger Tumorstabilisierungen liegt bei ca. 30%. Für Patienten mit c-kit Exon 11-Aberrationen beträgt die Ansprechrate mit einer Imatinib-Dosierung von 400 mg/Tag ca.70-90% und für Patienten mit c-kit/pdgfr-Wildtyp ca. 30%%. Eine initial höhere Imatinibdosis führt bei diesen Patientengruppen weder zu signifikant höheren Ansprechraten noch zu Verbesserungen des progressionsfreien Überlebens. Demgegenüber beträgt die Ansprechrate bei Patienten mit c-kit Exon 9-Mutation bei 400 mg Imatinib/Tag nur ca. 20% versus 50-65% bei einer Dosierung von 800 mg/Tag. Auch das progressionsfreie Überleben wird bei Patienten mit c-kit Exon 9-Mutation durch eine höhere Imatinib-Dosis verbessert (400 mg: 6 Monate; 800 mg: 19 Monate; p=0,017); für das Gesamtüberleben fand sich eine wohl aufgrund des cross-overs nicht signifikante Risikoreduktion von 31% für höher dosiertes Imatinib. Die empfohlenen Dosierungen sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Die mediane Überlebenszeit für das Gesamtkollektiv aller Patienten mit metastasierter Erkrankung beträgt derzeit ca. 50 Monate bei einer 3-Jahres-Überlebensrate von ca. 60%. Nach c-kit-Mutationsstatus aufgeschlüsselt betragen die 3-Jahresüberlebensraten ca. 69% für Exon 11-Mutationen, 57% für c-kit-Wildtyp und 44% für Exon 9-Mutationen.

Tabelle 3: Imatinib-Dosierung bei Erstlinientherapie metastasiereter GIST in Abhängigkeit vom primären c-kit/PDGFRA-Genotyp 

Genotyp / Genotypische Aberrationen bei Initialtherapie

Imatinib-Dosis pro Tag

c-kit Exon 11, 13, 17, Wt

400 mg

c-kit / pdgfra-Wilddtyp

400 mg

c-kit Exon 9

800 mg

PDGFR-α Exon 12, 14

400 mg

PDGFR-α Exon 18 (D842V)-Mutation

Imatinib resistent

6.4.4.2Imatinib-Resistenz

Referenz: [4] [68] [21]

Eine primäre Imatinib-Resistenz ist bei ca. 10% der GIST-Patienten zu beobachten. Diese ist durch eine Tumorprogression in den ersten 3-6 Therapiemonaten definiert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte die Expertise eines Sarkom-/GIST-Zentrums zur Verifikation der histopathologischen Diagnose sowie zum Ausschluß einer therapieassoziierten Pseudoprogression hinzugezogen werden.

Eine primäre Resistenz kann bei allen Genotypen auftreten, wird aber meist bei c-kit-/pdgfra-Wildtyp, c-kit Exon 9-Mutation und PDGFRA-D842V-Mutation beobachtet. Neben eher seltenen Sekundärmutationen können c-kit-/pdgfra-Amplifikationen oder Veränderungen in anderen Signaltransduktionswegen beteiligt sein (z.B. BRAF-Muationen; IGF1-R-Überexpression).

Bei ca. 40-50% der Patienten ist nach 2 Jahren eine Tumorprogression, d h. eine sekundäre Imatinib-Resistenz , zu beobachten. In etwa der Hälfte der Fälle manifestiert sich diese zunächst in Form von neu auftretenden, hyperdensen „Knoten“ innerhalb bestehender, meist hypodenser Metastasen („nodule in a mass“). Eine Progression nach konventionellen Kriterien wird dann in der Folge meist nach ca. 5 Monaten beobachtet. Bei etwa 50-80% der Fälle sind sekundäre Mutationen nachweisbar, die meist die ATP-Bindungsdomäne (Exon 13/14) oder die Kinasedomäne (Exon 17/18) betreffen. Sekundäre c-kit Mutationen finden sich meist bei Tumoren mit primärer Exon 11 Mutation, weniger häufig bei primärer Exon 9 Mutation und kaum bei c-kit-/pdgfra-Wildtyp. Mehrheitlich finden sich verschiedene sekundäre Muationen in unterschiedlichen Metastasen und bei etwa einem Drittel finden sich 2 verschiedene sekundäre Mutationen innerhalb einer Metastase. Andere Mechanismen der Imatinib-Resistenz beinhalten eine c-kit-Amplifikation, eine Deletion des Wildtyp-Allels, eine IGF-1R-Amplifikation oder Veränderungen in nachgeschalteten Signaltransduktionswegen.

Auch eine pharmakokinetische Resistenz sollte erwogen werden. Als Beispiele gelten die verringerte Bindungsaffinität von Imatinib bei c-kit-Exon 9 Mutationen, bei verschiedenen sekundären Mutationen (v.a. der Kinasedomäne), bei c-kit-Amplifikationen sowie bei Komedikationen (via CYP3A4), die zu Veränderungen der Imatinib-Plasmaspiegel führen können. Niedrige Plasmaspiegel sind mit signifikant geringeren progressionsfreien Zeiten assoziiert als höhere Imatinib-Spiegel. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Überprüfung der Patienten-Compliance.

Bei Nachweis einer Tumorprogression unter laufender Therapie mit Imatinib in einer Dosierung von 400 mg/Tag sollte zunächst eine Dosiserhöhung von Imatinib auf 600-800 mg/Tag erwogen werden. Bei etwa 30% der Patienten ist hierdurch eine Tumorstabilisierung für im Median 3-4 Monate, bei 10-20% der Patienten aber auch für lange Zeiträume erreichbar. Dies gilt inbesondere für Patienten mit c-kit-Exon 9-Mutation. Bei Patienten mit Exon 11-Mutation betrug die Ansprech-/‚clinical benefit’-Rate nach Dosiserhöhung ca. 7%. Sofern eine Dosiserhöhung nicht zu einer erneuten Tumorstabilisierung führt oder wegen Intoleranz nicht längerfristig durchführbar ist, ist ein Therapiewechsel auf Sunitinib indiziert.

6.4.4.3Zweitlinientherapie mit Sunitinib

Referenz: [2224]

Sunitinib ist ein Inhibitor der Tyrosinkinasen KIT, PDGFR-A und -B, VEGFR-1,-2,-3, FLT3 und RET und ist für die Zweitlinientherapie nach Imatinib-Versagen und für Patienten mit Imatinib-Intoleranz zugelassen. In Phase I-III-Studien wurde seine Wirksamkeit bei Imatinib-refraktären GIST nachgewiesen. In einer plazebokontrollierten Phase III-Studie fanden sich eine Tumorstabilisierungsrate von 58% sowie eine Remissionsrate von 7%. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 6,8 Monate mit Sunitinib versus 1,6 Monate mit Plazebo. Auch das Gesamtüberleben konnte durch Sunitinib trotz des „cross-over“-Designs signifikant verbessert werden. Das Therapieansprechen auf Sunitinib korreliert mit dem c-kit-Mutationsstatus. So sind das progressionsfreie und das Gesamtüberleben signifikant höher bei Patienten mit (prä-Imatinib) Exon 9-Mutation und c-kit-Wildtyp als bei c-kit Exon 11-Mutation (PFS: 19 vs. 5 Monate; OS: 28 vs. 12 Monate). Sunitinib kann bei sekundären Mutationen in der ATP-Bindungsdomäne (c-kit Exon 13/14) wirksam sein, während Imatinib hier üblicherweise keine Aktivität zeigt. Bei Sekundärmutationen in der Kinaseaktivierungsdomäne (Exons 17/18) ist Sunitinib in der Regel unwirksam, während Imatinib hier bei einzelnen, spezifischen Mutationen noch Wirksamkeit aufweisen kann.

Die in initialen Studien geprüfte und zugelassene Dosierung von Sunitinib beträgt 50 mg/Tag über 28 Tage, gefolgt von einer 14-tägigen Therapiepause. In einer Phase II-Studie wurde eine kontinuierliche Dosierung von 37,5 mg geprüft; das mediane progressionsfreie Überleben betrug 34 Wochen, das Gesamtüberleben 107 Wochen, so dass diese Applikationsform für Patienten in Betracht kommt, bei denen 50 mg/Tag über 4 Wochen schlecht tolerabel sind.

Die Indikationen für die Zweitlinientherapie sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Tabelle 4: Indikationen für eine Sunitinib-Zweitlinientherapie bei metastasiertem GIST in Abhängigkeit vom Genotyp 

Genotyp / Genotypische Aberrationen nach Imatinib-Versagen

Sunitinib-Indikation (Studienoptionen prüfen)

Exon 11 (primär) und sekundärer Genotyp unbekannt

Ja

Primär c-kit/pdgfra-Wildtyp

Ja

Primär c-kit Exon 9

Ja

Exon 11 (primär) und Exon 13/14 (sekundär)

Ja

Exon 11 (primär) und Exon 17/18 (sekundär)

Nein

6.4.4.4Weitere Therapieansätze

Referenz: [2527]

Spätestens zum Zeitpunkt des Versagens der zugelassenen Zweitlinientherapie sollten vorhandene Studienoptionen erneut in Absprache mit einem Sarkom-/ GIST-Zentrum geprüft werden. In Phase II-Studien und retrospektiven Analysen wurde die Wirksamkeit alternativer TKIs wie Nilotinib und Sorafenib geprüft. Präliminäre Daten zeigten für Sorafenib und Nilotinib Tumorstabilisierungsraten von ca. 35-70% bei medianen PFS-Zeiten von 3-6 Monaten. Bis weitere Daten hierzu vorliegen, sind diese Therapieansätze weiterhin als experimentell anzusehen. Daten zu anderen TKIs, mTOR-, HSP90-, IGF-1R- und PKC θ-Inhibitoren bleiben abzuwarten. Eine konventionelle Chemotherapie ist nicht erfolgversprechend und daher nicht indiziert.

7Nachsorge/Verlaufskontrollen

Referenz: [28]

Nach kompletter Tumorresektion sollten klinische Kontrollen einschl. CT-Abdomen/Becken - abhängig vom Risiko - während der ersten 5 Jahre alle 3-6 Monate, anschließend einmal jährlich durchgeführt werden. Bei kleinen Tumoren (< 2 cm) können ggfs. längere Intervalle gewählt werden. Nach längerer rezidivfreier Zeit und bei niedrigem Rezidivrisiko können auch MRT-Untersuchungen (Abdo-Strahlenexposition zu reduzieren. Abdomen-Sonographien werden nicht empfohlen, da die Sensitivität für peritoneale Metastasen zu gering ist. Regelmäßige endoskopische Nachsorgeuntersuchungen werden derzeit nicht mehr empfohlen, da die Lokalrezidivrate nach R0-Resektion (mit 1-2 cm Sicherheitsabstand) sehr gering ist.

Zur Verlaufskontrolle bei bestehender Metastasierung werden üblicherweise Intervalle von ca. 3-4 Monaten gewählt. Auch hier sind CT-Abdomen/Becken-Untersuchungen die Methode der Wahl, vor allem zur Detektion peritonealer Metastasen und zur Verlaufskontrolle hepatischer Metastasen auch mittels Dichtemessung.

8[Kapitel nicht relevant]

9Literatur

  1. Quek R and George S: Gastrointestinal Stromal Tumor : A Clinical Overview. Hematol Oncol Clin N Am 23: 69-78, 2009. DOI:10.1016/ j.hoc.2008.11.006

  2. Agarwal R and Robson M: Inherited Predisposition to Gastrointestinal Stromal Tumor. Hematol Oncol Clin N Am 23: 1-13, 2009. DOI:10.1016/ j.hoc.2008.12.003

  3. Bauer S and Schütte J: Gastrointestinale Stromatumoren. In: Therapiekonzepte Onkologie (Hrsg.: Seeber S, Schütte J), S. 944-985, Springer-Verlag, Heidelberg, 5. Auflage, 2007.

  4. Heinrich MC, Maki RG, Corless CL, Antonescu CR, Harlow A, Griffith D, Town A, McKinley A, Ou WB, Fletcher JA, Fletcher CD, Huang X, Cohen DP, Baum CM, Demetri GD: Primary and secondary kinase genotypes corre- late with the biological and clinical activity of sunitinib in imatinib-resi- stant gastrointestinal stromal tumor. J Clin Oncol 26:5352-5359, 2008. DOI:10.1200/JCO.2007.15.7461

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10[Kapitel nicht relevant]

11[Kapitel nicht relevant]

12[Kapitel nicht relevant]

13[Kapitel nicht relevant]

14[Kapitel nicht relevant]

15Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Peter Reichardt
HELIOS Klinikum Berlin-Buch
Klinik für Interdisziplinäre Onkologie
Sarkomzentrum Berlin-Brandenburg
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin
Prof. Dr. med. Jochen Schütte
Universitätsklinikum Essen
Innere Klinik (Tumorforschung)
WTZ Ambulanz
Hufelandstr. 55
45147 Essen

16Erklärungen zu möglichen Interessenkonflikten

nach den Regeln der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und den Empfehlungen der AWMF (Version vom 23. April 2010) und internationalen Empfehlungen

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Reference:

Quellenangabe:

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