Rehabilitation
Erstellung der Leitlinie
1Allgemeine Informationen
Eine Rehabilitation kann für jene Betroffenen eine Hilfe sein, bei denen es durch die Erkrankung selbst oder die Behandlung der Erkrankung zu körperlichen Beeinträchtigungen (Funktionsschäden) und/oder seelischen Belastungen gekommen ist. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland spezielle Rehabilitationseinrichtungen, die für Jugendliche und junge Erwachsene Rehabilitationen anbieten. Konzeptionell handelt es sich um eine stationäre Gruppenrehabilitation (Dauer: 4 Wochen), bei der eine Gruppe Gleichaltriger und Gleichbetroffener sowohl von organischer als auch psychosozialer Seite Unterstützung erfährt. Neben einem intensiven körperlichen Trainingsprogramm wird ein psychologisches Unterstützungskonzept mit Einzel- und Gruppeninterventionen (Gruppe als Co-Therapeut) sowie eine spezielle psychosoziale Betreuung mit Berufsberatung, Potenzialanalyse etc. angeboten. Abgerundet wird das Programm durch spezifische Informationen (auch als Einzelinformation) zu der behandelten Krebserkrankung sowie assoziierter relevanter Themen (Fatigue, Ängste, Depressivität, Stress, Grübelei, kognitive Funktionsstörungen, Finanzen, Berufswahl, ggf. Änderung der bisherigen Berufsausbildung/des Studiums) sowie eine pädagogische Gruppenbetreuung auch außerhalb regulärer Therapiezeiten (zum Beispiel abends und am Wochenende).
2Gut zu wissen
2.1Welche Untersuchungen werden während der Rehabilitation durchgeführt?
Am Anfang der Rehabilitation sollen vorhandene Folgestörungen, funktionelle Einschränkungen und seelischen Belastungen identifiziert werden. Dazu werden eine ärztliche Eingangsuntersuchung sowie eventuell notwendige labormedizinische oder weitere apparativ-technische Untersuchungen durchgeführt. Die Krankheitsbewältigung wird durch ein psychologisches Erstgespräch, eventuell weitere notwendige Gespräche sowie zusätzliche Diagnostik erfasst. Die Pflegeanamnese ermittelt den aktuellen Status der Selbsthilfekompetenz und einen eventuell notwendigen Pflegebedarf. Ergänzend erfolgt – falls erforderlich – eine Statuserhebung im Rahmen der Einzelphysiotherapie bzw.-ergotherapie zur Identifizierung von Funktionsdefiziten und zur Festlegung der therapeutischen Strategien. In gleicher Weise wird eine sportmedizinische Basiserfassung mit Erhebung der sportlichen Vorerfahrungen, Festlegung der sporttherapeutischen Zielsetzungen und vorhandenen Einschränkungen bzw. Risikofaktoren durchgeführt.
2.2Welche Ziele verfolgt die Rehabilitation?
Die Rehabilitationsdiagnostik dient der Definition von Rehabilitationszielen, zum Beispiel:
Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Verbesserung der Kondition und Ausdauerleistung, Steigerung der Muskelkraft, Verbesserung der Beweglichkeit und Körperbewegung , Motivation zur Intensivierung körperlicher Aktivitäten
Psychische Stabilisierung, Unterstützung der Krankheitsverarbeitung, Selbstwertstärkung, Verbesserung von Selbsthilfefähigkeit und Lebensqualität
Ernährungstherapie: Informationen zur krankheitsangepassten Ernährung
Gesundheitstraining: Verbesserung des Informationsstandes über die Erkrankung, Anleitung zu gesundheitsbewusster Lebensführung
Training sozialer Fähigkeiten, Wiedererlangung einer Tagesstruktur: Insbesondere bei jüngeren Patienten muss oftmals „Normalität“ in der Gruppe wieder eingeübt werden.
Familiäre und soziale Reintegration, Reintegration in Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf: Sozialberatung, Berufsfindung, Potenzialanalyse, Bewerbungstraining.
Bei bleibenden körperlichen oder psychomentalen Defiziten mit erschwerter Rückkehr in Schule, Ausbildung oder Berufsleben Neuplanung der schulischen oder beruflichen Laufbahn
Bei Bedarf medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) in Kooperation mit einem Berufsförderungswerk.
2.3Wie können die Rehabilitationsziele erreicht werden?
Nach Festlegung der Rehabilitationsziele erarbeiten Patient, Arzt und therapeutisches Team gemeinsam ein Rehabilitationsprogramm, das die zuvor definierten Ziele unter Einsatz verschiedener Therapiemodalitäten verfolgt. Zur körperlichen Reaktivierung kommt typischerweise ein (teil-) standardisiertes und kombiniertes Kraftausdauertraining am Gerät (medizinische Trainingstherapie) zum Einsatz. Ergänzt wird dieses Training durch ein angeleitetes Ausdauertraining (Ergometerradtraining, Training auf dem Cross-Trainer und/oder sowie Laufen/Walking/Nordic Walking). Durch selbstständiges Training, das Sie protokollieren, können Sie zum Therapierfolg beitragen. Weitere Therapiemöglichkeit zum Training von Gleichgewicht, Koordination und Beweglichkeit sind u. a. Step-Aerobic, Wassergymnastik, Aerofit (Gruppentraining mit Spielelementen) sowie Klettern an der Kletterwand. Weitere Informationen haben wir in AYApedia Bewegung und Sport zusammengefasst. Bei spezifischen Einschränkungen erfolgt eine gezielte Einzeltherapie, z. B. Physiotherapie, Ergotherapie, Massagen, Balneotherapie und weitere physikalische Verfahren.
Bei starken funktionellen Einschränkungen steht die Physiotherapie im Zentrum der Rehabilitation, ggf. ist eine Optimierung der Hilfsmittelversorgung (z. B. Einlagen) durch die Orthopädietechnik erforderlich.
Der psychischen Stabilisierung dienen Gruppengespräche, ggf. auch ergänzende Einzelgespräche. In der Sozialberatung werden wichtige Weichenstellungen für die Reintegration in Ausbildung/Studium bzw. Beruf gestellt. Weitere Informationen finden Sie in AYApedia Psychoonkologie.
Falls als Folge der Erkrankung bzw. Therapie notwendig, erfolgt zusätzlich eine Ernährungsberatung/Ernährungstherapie. Weitere Informationen zur Ernährung nach einer Krebstherapie können Sie AYApedia Ernährung entnehmen.
In wöchentlichen ärztlichen Visiten wird der Genesungsverlauf kontrolliert (bei Notwendigkeit häufiger). Zusätzlich begleitet das therapeutische Team im täglichen Austausch und in regelmäßigen Besprechungen den Rehabilitationsprozess. Eine aktuell laufende Krebstherapie wird ebenso wie eine notwendige Wundversorgung, Stomatherapie, parenterale Ernährung, Katheterpflege etc. fortgesetzt.
2.4Wann erfolgt die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung?
Am Ende der Rehabilitation steht die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung, durch den behandelnden Arzt, die die Möglichkeiten für die weitere Ausbildung bzw. Studium oder berufliche Tätigkeit aufzeigt. Sozialmedizinisch relevant sind jene Einschränkungen, die sich voraussichtlich über einen längeren Zeitraum (mehr als 6 Monate) oder auf Dauer negativ auf Ausbildung/Studium oder Beruf auswirken werden.
2.5Was ist bei der Reintegration in Ausbildung und Beruf zu beachten?
Krebs im jugendlichen bzw. jungen Erwachsenenalter führt häufig zu einer inhaltlichen und/oder zeitlichen Veränderung der Arbeitssituation (ggf. Wechsel von Ausbildung/Studium/Arbeitsplatz notwendig). Die nach Abschluss der Behandlung anstehende Reintegration in Schule, Ausbildung und Beruf muss neben somatischen auch psychosoziale Aspekte berücksichtigen. Entschieden werden muss, ob die bisherige Ausbildung (Schule, Lehre bzw. Studium) bzw. berufliche Tätigkeit unter Berücksichtigung der körperlichen/psychosozialen Einschränkungen fortgeführt werden kann. Hinderungsgründe sind neben körperlichen Faktoren auch Einschränkungen der Gedächtnisleistung sowie psychische Belastungsfaktoren. Die Reintegration in Schule/Ausbildung bzw. Beruf sollte sich möglichst frühzeitig, idealerweise direkt an die Rehabilitationsmaßnahme anschließen, damit die während der Rehabilitation erreichte Selbstsicherheit, Motivation und Tagesstruktur nicht wieder verloren gehen. Bei vorhandenem Arbeitsplatz stellt eine stufenweise Wiedereingliederung hierfür ein wertvolles Instrument dar. Bei Schule, Ausbildung oder Studium kann es wichtig sein, aus ärztlicher Sicht Maßnahmen zum Nachteilsausgleich zu definieren.
3Tipps und Tricks
3.1Wie beantrage ich eine Rehabilitation?
Schließt sich die Rehabilitation direkt an die Erstbehandlung im Krankenhaus an, dann wird sie vom dortigen Sozialdienst eingeleitet (Anschlussrehabilitation = Anschlussheilbehandlung = AHB). Ist unmittelbar im Anschluss an die Krankenhausbehandlung keine Rehabilitation möglich, dann kann später mit Unterstützung des behandelnden Facharztes ein Rehabilitationsantrag bei der zuständigen Renten- oder Krankenversicherung gestellt werden. Dem Antrag sollte eine ärztliche Stellungnahme (zum Beispiel aktueller Befundbericht, Krankenhausbericht oder Gutachten) beigefügt werden.
3.2Kann ich die Rehabilitation auch ambulant durchführen?
Auch eine ambulante Rehabilitation ist möglich. Allerdings gibt es nur wenige Einrichtungen, die sich auf die Behandlung Jugendlicher und junger Erwachsener spezialisiert haben. Wenn man in der Nähe einer solchen Einrichtung wohnt, dann kann eine Rehabilitation durchaus auch ambulant durchgeführt werden.
3.3Kann ich mir die Rehabilitationseinrichtung aussuchen?
Nach § 8 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) haben Sie als Patient ein Wunsch- und Wahlrecht, d. h., Sie können sich Ihre Wunschklinik für die Durchführung der Rehabilitation aussuchen. Die Wunschklinik muss durch die Deutsche Rentenversicherung für die Durchführung von onkologischen Rehabilitationen auf dem entsprechenden Gebiet zugelassen sein. Der Sozialdienst berät und unterstützt Sie bei der Klinikauswahl und kennt die von der Deutschen Rentenversicherung zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen.
3.4Worin unterscheidet sich eine Rehabilitation für Jugendliche und junge Erwachsene von herkömmlichen Rehabilitationen?
Rehabilitationskliniken, die Jugendliche und junge Erwachsene rehabilitieren, haben Konzepte entwickelt, die über eine Rehabilitationsdauer von insgesamt 4 Wochen ablaufen („normale“ Rehabilitation nur 3 Wochen). Durchgeführt wird die Rehabilitation in einer Gruppe von zumeist 10-12 Teilnehmern, hierbei werden Betroffene im Alter von 16-18 Jahren (Jugendliche) bzw. 18-32 Jahren (junge Erwachsene) gemeinsam rehabilitiert. Die jeweiligen Gruppen haben ihre eigenen räumlichen Bereiche, sowohl für die Behandlung als auch die Freizeit. Neben einer intensiveren psychologischen Betreuung gibt es auch pädagogische Angebote außerhalb der regulären Therapiezeiten / in der Freizeit (abends und am Wochenende).
3.5Gibt es für mich als junge Mutter /junger Vater die Möglichkeit, zur Rehabilitation mein Kind/meine Kinder mitzunehmen?
Es gibt Rehabilitationskliniken, die Rehabilitationen für Mütter oder Väter mit begleitenden Kindern anbieten. Abhängig vom Lebensalter wird Ihr Kind im Kindergarten oder in der Schule betreut, während Sie Ihre rehabilitativen Anwendungen absolvieren.
3.6Kann ich eine zweite Rehabilitation erhalten, wenn ich schon eine Rehabilitation gemacht habe?
Eine zweite onkologische Rehabilitation ist bis zum Ablauf des zweiten Jahres nach dem Ende der Akutbehandlung möglich, sofern eine medizinische Notwendigkeit hierfür besteht. Die medizinische Notwendigkeit sollte bei der Antragstellung durch entsprechende ärztliche Fachgutachten/Entlassungsberichte/Befundberichte nachgewiesen werden. Erwerbsfähige Versicherte, für die die Deutsche Rentenversicherung Leistungsträger ist, und die nicht dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, können alle 4 Jahre einen Antrag auf medizinische Rehabilitation stellen, sofern bestimmte Versicherungszeiten erfüllt sind. In dringenden medizinischen Fällen kann eine solche Rehabilitation auch vor Ablauf von 4 Jahren beantragt werden (stichhaltige Begründung durch den behandelnden Haus- bzw. Facharzt).
3.7Wie läuft die berufliche Wiedereingliederung ab? Was gilt es zu beachten?
Kann die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen werden, und soll der Wiedereinstieg über mehrere Belastungsstufen hinweg erfolgen, so besteht die Möglichkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung. Hierbei beginnt die berufliche Belastung mit zumeist 2-3 Stunden pro Tag und steigert sich über einen Zeitraum von insgesamt 4 Wochen auf den regulären Stundenumfang. Soll die stufenweise Wiedereingliederung innerhalb von 4 Wochen nach dem Ende der Rehabilitation beginnen, so kann die Rehabilitationsklinik die stufenweise Wiedereingliederung einleiten. Dauert die Genesung länger, so ist die Einleitung der stufenweisen Wiedereingliederung Aufgabe des behandelnden Fach- oder Hausarztes.
4Weiterführende Links und Informationen
Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
5Literaturverzeichnis
6Gender
Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.
8Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten
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Reference:
Quellenangabe:
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